Hamburg. Joachim Wagner will beim Personalmangel nicht mehr tatenlos zusehen. Das sind seine Pläne und Ideen für das Krankenhaus.
Pflegekräfte werden in Krankenhäusern händeringend gesucht – nicht nur allgemein, sondern vor allem auch in den hochspezialisierten Bereichen. Zum Beispiel auf der Intensivstation, in der Anästhesie oder der Onkologie. Um diesem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss es auch entsprechende Ausbildungsplätze geben – diese sind jedoch rar.
Am Krankenhaus Reinbek St.-Adolf-Stift wird dafür in den kommenden Jahren ein Campus für Gesundheitsberufe entstehen. Sechs Millionen Euro investiert die Klinik in den Neubau, in den dann auch die Pflegeschule umziehen wird, die es bereits seit den 1950er-Jahren auf dem Gelände gibt. Spatenstich soll Ende des Jahres sein.
Fachkräftemangel: Der neue Campus soll helfen
„In einer Zeit, in der zum einen viel zu wenig Pflegekräfte vorhanden sind und zum anderen vor allem speziell weitergebildete Pflegeexperten für die Behandlung auf der Intensivstation oder in anderen Bereichen fehlen, wollen wir uns als St.-Adolf-Stift nicht darüber beklagen, sondern wir wollen aktiv dazu beitragen, dass es mehr Pflegekräfte gibt und diese dann auch besonders gut ausgebildet sind“, sagt Fabian Linke, stellvertretender Geschäftsführer am Krankenhaus Reinbek.
„Wir sind uns sicher, dass wir durch den Campus für Gesundheitsberufe den Personalbedarf unseres wachsenden Hauses decken können und gleichzeitig durch extrem gut geschultes Personal zwei wichtige Faktoren erreichen: Patientenzufriedenheit durch die beste Versorgung und Mitarbeitergewinnung und -bindung.“
Reinbeker Klinik bietet Weiterbildung für Pflegekräfte an
Für den Aufbau des neuen Campus ist Joachim Wagner verantwortlich. Er ist selbst ausgebildeter Krankenpfleger und hat sich im Bereich der Intensivpflege weiterbilden lassen, bevor er – durch eine weitere dreijährige Weiterbildung – Lehrer für Pflegeberufe wurde. „Pflegekräfte haben eine Vielzahl an Weiterbildungsmöglichkeiten“, sagt Wagner.
Zum einen in den Bereichen der Führungsebene und der Pädagogik, zum anderen auf der besagten Fachkompetenzebene. „Diese Fachweiterbildungen sind wie eine Art Meisterschein“, sagt Wagner. Rund 20 Prozent der Pflegekräfte in Krankenhäusern hätten diesen „Meister der Krankenpflege“, doch der Bedarf sei deutlich höher. Vor allem auf den Intensivstationen werde dringend spezialisiertes Fachpersonal benötigt.
Nach Weiterbildung: Mehr Wissen – und mehr Geld
Die Weiterbildungen werden im dualen System angeboten, also mit Theorie und Praxis im Wechsel. In der Regel bestünden sie aus 720 Stunden theoretischem und 1800 Stunden praktischem Unterricht, den man innerhalb von zwei Jahren absolvieren müsse, so Wagner. Danach absolvierten die Teilnehmer eine Prüfung, eventuell müsse noch eine Facharbeit geschrieben werden. Der Arbeitgeber zahle in dieser Zeit weiterhin das Gehalt und übernehme die Kosten für die Weiterbildung.
Sogenannte Fachkrankenpflegekräfte bekommen natürlich mehr Gehalt – die Motivation, sich weiterbilden zu lassen, liege laut Wagner aber vor allem auch darin, sein Wissen zu erweitern, um damit die bestmögliche Pflege zu gewährleisten. Ihm sei es damals selbst so gegangen: „Nach meinem Wechsel von der normalen auf die Intensivstation hatte ich noch Lücken“, sagt Wagner. „Ich konnte zwar die Beatmungsmaschine richtig einstellen, aber mir war nicht ganz klar, warum genau es dem Patienten jetzt besser ging. Darum wollte ich mich weiterbilden lassen.“
Reinbeker Klinik wird attraktiver für Mitarbeiter
Der gebürtige Rheinländer Joachim Wagner weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig diese Möglichkeit für Mitarbeiter ist. Zusammen mit den Aspekten Lage, angebotene Fachrichtungen, Verhältnis zu den Kollegen und dem Verdienst seien die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten ein entscheidender Punkt für die Attraktivität eines Krankenhauses aus Sicht der Mitarbeiter. „Durch eine hervorragende Fort- und Weiterbildung wird ein Standort auch für neue Mitarbeitende attraktiv“, sagt Wagner. Doch nur wenige Kliniken betreiben heute selbst noch eine entsprechende Pflegeschule – meist aus Kostengründen.
Am Reinbeker Campus für Gesundheitsberufe sollen sich die eigenen, aber auch externe Mitarbeiter fort- und weiterbilden lassen können, wodurch das Krankenhaus eine gewisse Gegenfinanzierung erhält. Anders als Weiterbildungen für eine spezielle Fachrichtung sind Fortbildungen wichtig, um den Pflegeberuf generell auf dem aktuellsten Stand zu halten. So gibt es auch Pflichtfortbildungen, zum Beispiel für den Bereich Reanimation, die jede Pflegekraft einmal im Jahr absolvieren solle, so Wagner, der sich natürlich auch selbst permanent fortbilden muss.
Fachkräftemangel: Neuaufbau der Bildungseinrichtung
Wagners wichtigste Aufgabe ist zunächst die Bedarfsermittlung: Er müsse herausfinden, welche Fort- und Weiterbildungen im kommenden Jahr nötig seien, so Wagner. Dafür sei er im ständigen Austausch mit den Stations- und Abteilungsleitern. „Danach startet die Dozentensuche“, sagt Wagner. Einige Kurse könnten er und seine Kollegen übernehmen, für andere werden externe Lehrer an die Schule geholt. Alle Angebote werden in einem Fortbildungskatalog zusammengefasst und den Mitarbeitern angeboten.
„Ich finde den kompletten Neuaufbau wie hier in Reinbek am spannendsten, weil man neue Gesichter und neue Fachgebiete kennenlernt“, sagt Wagner, der bereits bei seinem vorherigen Arbeitgeber den Fortbildungsbereich auf die Beine gestellt hat. „Mein Ziel ist es, sich als Fortbildungsstätte einen Ruf in der Umgebung zu erarbeiten und durch die Refinanzierung der Kurse durch externe Teilnehmer echte Koryphäen nach Reinbek einladen zu können.“
- Internationale Pflegekräfte lindern Not in Krankenhäusern
- Tausende Lehrstellen frei – Firmen bewerben sich bei Azubis
- Logopädie-Experten werden in Vierlanden dringend gesucht
Auch wenn Wagner seine Arbeit als Lehrer liebt, eigentlich wollte er nie „weg vom Bett“. Der Pflegeberuf hatte seine Leidenschaft als junger Mann geweckt – obwohl er ihn nie auf dem Zettel gehabt hatte. Wagner arbeitete bereits glücklich als Chemiker, als plötzlich der Zivildienst anstand und ihn auf die urologische Station eines Krankenhauses brachte. Zunächst eine große Umstellung, doch der junge Mann merkte, wie sehr ihm die Arbeit mit den Patienten gefiel. So sehr, dass er nicht mehr zurück in seinen alten Beruf wollte.
An die Klinik in Bergisch-Gladbach war eine Krankenpflegeschule angeschlossen, ein Glücksfall für Wagner. Er bekam direkt einen Platz – und musste sich seitdem keine Sorge mehr um die Sicherheit seines Arbeitsplatzes machen. „Schon Anfang der 90er-Jahre gab es einen Pflegenotstand“, sagt Wagner. „Es ist ein krisensicherer Job.“ Mit dem einem zudem die Welt offen stehe: „Als Krankenpflegekraft werden Sie in der ganzen EU mit Kusshand genommen, ebenso in Amerika, Kanada und Australien“, sagt Wagner. „Und natürlich am Krankenhaus Reinbek.“