Glinde. Weniger öffentlich geförderte Wohnungen auf Areal in Glinde. Politiker kommen Investor entgegen und kritisieren Bürgerinitiative.
Eine Reduzierung des Anteils der Sozialwohnungen von 62 auf 36, dafür die Streckung der Mietpreisbindung von 25 auf 35 Jahre sowie eine Beteiligung des Investors am Verkehrskreisel an der Ecke Möllner Landstraße/Am Sportplatz in Höhe von 425.000 statt 330.000 Euro: Diesen Deal hatte jüngst die Stadt Glinde mit dem Unternehmen Semmelhaack gemacht, damit das Wohnungsbau-Projekt auf dem Areal Altes Gleisdreieck endlich starten kann.
Wie berichtet, wurde die Vereinbarung, den städtebaulichen Vertrag zu modifizieren, hinter verschlossenen Türen getroffen. Bislang schwiegen die Politiker darüber. Jetzt äußerten sie sich erstmals zu dem Thema und gingen mit einer Bürgerinitiative hart ins Gericht.
Immobilien: Diskussionen über Bebauung seit 2013
Die möchte auf der Fläche weiterhin ein Waldstück haben und bereitet der Kommune Probleme. Deswegen kommt es zu Verzögerungen. Und das Bauen wird immer teurer. „Wir haben jetzt schon sechs Millionen Euro Mehrkosten im Vergleich zur Kalkulation“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung bei Semmelhaack. Eingeplant war ein Investitionsvolumen von 28 Millionen Euro. Ein Abbau bei den Sozialwohnungen ist für die Firma unabdingbar bezüglich der Wirtschaftlichkeit.
Rückblick: Erste Diskussionen in der Politik über die Bebauung des Alten Gleisdreiecks gibt es bereits 2013. Semmelhaack schlägt rund 190 Wohnungen vor. Schließlich einigt man sich auf 153 mit 60-prozentigem öffentlich geförderten Anteil. Wenn alles gut läuft, soll es 2016 losgehen. Das Unternehmen kauft Glinde ein 1,2 Hektar großes Grundstück für 75 Euro pro Quadratmeter ab. Die Stadt bezieht sich bei der Wertermittlung auf den Gutachterausschuss des Kreises.
Expertengremium wertet Areal zu Bauland auf
Dann kommt die Bürgerinitiative ins Spiel. Sie führt Beschwerde bei der Kommunalaufsicht, ist der Meinung, dass zu günstig veräußert wurde. Das Expertengremium revidiert seine Einschätzung und wertet den Bereich von Bauerwartungsland zu Bauland auf. Das Wohnungsunternehmen muss pro Quadratmeter 170 Euro zahlen. Auch das erscheint bei den aktuellen Grundstückspreisen als ein Schnäppchen.
Allerdings, so Bürgermeister Rainhard Zug, sei der Boden schadstoffbelastet gewesen. Daraufhin ändert Semmelhaack die Planung. Plötzlich sind nur noch 89 Wohnungen, 62 davon mit günstigen Mieten, und neuerdings 31 Reihenhäuser, die nicht zum Verkauf stehen, vorgesehen. Die Politik fürchtet, dass der Investor abspringt, wenn seinen Wünschen nicht nachgekommen wird, und willigt ein. Trotzdem ist das nicht der Startschuss.
Bürgerinitiative geht juristisch gegen Stadt vor
Denn die Initiative geht wegen des Bebauungsplans juristisch gegen die Stadt vor. Zwar wird im Eilverfahren eine Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig abgewiesen, eine Entscheidung im Hauptverfahren steht bis heute aus. „Unsere Anwältin fragt alle sechs Monate beim Gericht nach, doch es gibt keinen Termin. Und absehbar ist er auch nicht“, sagt Zug.
Das Verfahren hat keine aufschiebende Wirkung. Allerdings bekommt Semmelhaack die von der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) zugesagten zinsgünstigen Darlehen sowie Zuschüsse für Sozialwohnungen erst, wenn die Richter ein Urteil gesprochen haben. Das Unternehmen will kein Risiko eingehen, wartet ab.
„Wir haben einen irren Bedarf an bezahlbarem Wohnraum"
Weil die Baukostenpreise aber immer weiter steigen und die KfW-Förderung abgerufen werden muss, kommt es zum Strategiewechsel mit einer erneuten Planänderung. Wieder geht die Politik mit. Petra Grüner, Fraktionsvorsitzende der Grünen, sagt: „Wir haben einen irren Bedarf an bezahlbarem Wohnraum, bedauern die Entwicklung bei dem Projekt über die Jahre. Verhinderer Nummer eins ist die Bürgerinitiative. Ihr Verhalten hat Wut geschürt in den Fraktionen.“ Die Einstellung dieser Menschen sei katastrophal. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Marlies Kröpke geht ebenfalls nicht zimperlich mit der Gruppe um: „Es war kein Reden mit der Initiative möglich. Wir können nicht anders, als es jetzt so zu machen.“
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Der CDU-Fraktionsvorsitzende Rainer Neumann moniert das lange Warten auf ein Gerichtsurteil: „Das lässt mich am System zweifeln.“ Es sei nicht leicht gewesen, den Kompromiss mit Semmelhaack zu schließen. „Aber die Argumentation des Unternehmens war überzeugend. Und es ist besser, etwas zu haben, als gar nichts.“ Laut Bürgermeister Zug sind bei der Stadt 300 Haushalte für eine Sozialwohnung vorgemerkt. Die Kommune hat bei der Belegung der geförderten Einheiten am Alten Gleisdreieck Vorschlagsrecht.
Immobilien: 1300 Euro im Monat für das Reihenhaus
Wie geht es jetzt weiter? Ende März beginnen laut Thede die Arbeiten. Zuerst werden 30.000 Kubikmeter Sand abtransportiert. Im Oktober 2023 ist die Fertigstellung geplant. Die Sozialwohnungen kosten 6,25 oder acht Euro kalt pro Quadratmeter, je nach Förderweg, die frei finanzierten zwischen zwischen zehn und zwölf Euro. Für das 100-Quadratmeter-Reihenhaus sind 1300 Euro im Monat zu entrichten.