Glinde. Projekt der Baugenossenschaft Sachsenwald mit 149 Wohnungen in Glinde. Wie energieeffizient die Häuser werden, ist eine Kostenfrage.

Dirk Reiche und Stefan Ellendt, die beiden Vorstände der Baugenossenschaft Sachsenwald, zerbrechen sich seit Wochen die Köpfe. Sie grübeln, wie energieeffizient die Gebäude im neuen Quartier im Glinder Stadtteil Wiesenfeld werden sollen. Immerhin geht es um 149 Wohnungen in sieben Mehrfamilienhäusern. Geplant war die Errichtung im KfW-55-Standard. Allerdings fällt die Förderung dafür jetzt weg. Schwenkt das Unternehmen um auf die 40er-Variante, ist das trotz staatlicher Zuschüsse mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Grob geschätzt geht es um zehn Millionen Euro. „Es ist die schwerste Entscheidung in unserer Geschichte“, sagt Reiche. Ziel sei es, diese noch im ersten Quartal zu treffen.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte vor Kurzem die sogenannte Förderung für effiziente Gebäude (BEG) geändert. Wer ein Effizienzhaus 55 plant, muss bis spätestens 31. Januar die Anträge stellen, um neben den günstigen KfW-Darlehen auch einen Zuschuss zu erhalten. Davon war nicht nur die Baugenossenschaft mit Sitz in Reinbek überrascht. „Das hat uns mit Blick auf das Projekt in Glinde den Boden unter den Füßen weggezogen“, so Reiche. Weil der nötige Bebauungsplan erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Politik beschlossen werden soll, können Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht werden. Zuvor muss die Genossenschaft nämlich den städtebaulichen Vertrag mit Glinde aushandeln.

Bestandsgebäude am Buchenweg werden nach und nach abgerissen

Dirk Reiche, Vorstand der Baugenossenschaft Sachsenwald, wollte die sieben Mehrfamilienhäuser im KfW-55-Standard errichten. Jetzt fällt allerdings die staatliche Förderung weg.
Dirk Reiche, Vorstand der Baugenossenschaft Sachsenwald, wollte die sieben Mehrfamilienhäuser im KfW-55-Standard errichten. Jetzt fällt allerdings die staatliche Förderung weg. © René Soukup

Um die Kriterien für KfW 40 zu erfüllen, müssen die Häuser möglichst hochwärmedämmend und wärmebrückenfrei sein. Dickere Wände bedeuten zugleich mehr Materialverbrauch und einen erhöhten finanziellen Aufwand. „Kosten und Nutzen müssen im Verhältnis stehen. Wir rechnen und überlegen derzeit viel“, berichtet Reiche. Er hat ein Architektenteam damit beauftragt, zu eruieren, was auf das Unternehmen zukommen würde. Derzeit sei die Sache mit vielen Fragezeichen behaftet. Valide Zahlen gibt es noch nicht. Mit dem geplanten Investitionsvolumen von rund 40 Millionen Euro kommt man nicht mehr aus, soviel ist klar. „Die Baukostensteigerung mit KfW 40 kann bei 15, 30 Prozent oder auch mehr liegen. Über den Daumen gepeilt sind zehn Millionen Euro realistisch“, sagt Reiche.

Bei KfW 55 war er von fünf Millionen Euro staatlicher Unterstützung ausgegangen, hatte sich dabei an einem Projekt in Reinbek an der Berliner Straße orientiert, wo der Zuschuss bereits bewilligt wurde. Weil es nun unabhängig vom Energiestandard teurer wird in Glinde, hat das Auswirkungen auf die Mieten. Bislang liegt der Preis pro Quadratmeter bei maximal 10,50 Euro kalt im Neubau. Er wird auf mehr als elf Euro steigen. Bei den öffentlich geförderten Wohnungen mit Paragraf-5-Schein sind es 6,25 Euro. Sie sollen 30 Prozent des Volumens ausmachen. Die Genossenschaft hat den Baubeginn ob der jüngsten Entwicklungen verschoben, will frühestens 2023 starten.

Auf dem Areal am Buchenweg ist eines der fünf Gebäude aus den 50er- und 60er-Jahren abgerissen. Ende dieses Jahres wird ein weiteres altes Haus dem Erdboden gleichgemacht, der Rest folgt später. Eine Sanierung der Immobilien lohnt sich nicht. Mieter wurden in anderen Wohnungen der Genossenschaft in Glinde und Reinbek untergebracht. 52 Einheiten fallen auf Sicht weg, nahezu der dreifache Umfang wird über mehrere Jahre neu gebaut.

Das Konzept impliziert Car- und Bike-Sharing

Dafür hatten Reiche und Ellendt 2019 ein Erbbaugrundstück gekauft, das Quartier entsteht auf einem 1,3 Hektar großen Areal. Von der Politik ist kein Gegenwind zu erwarten. Entscheidungsträger lobten die Präsentation im Juni vergangenen Jahres. Das Konzept impliziert Car- und Bike-Sharing sowie Elektro-Tankstellen. 37 Parkplätze sind im Erdgeschoss von zwei Gebäuden zu finden, die zu einem späteren Zeitpunkt durch Wohnungen ersetzt werden könnten. Asphaltierte Pkw-Stellplätze für die Privatautos der Mieter vor den Häusern gibt es nicht.

In einer Tiefgarage ist Platz für 60 Fahrzeuge. Der Ansatz war, möglichst wenig Flächen zu versiegeln. Die beiden Vorstände haben sich bei der Planung eng mit Glindes Klimaschutzmanagerin Lisa Schill abgestimmt. Eine Besonderheit des Vorhabens: In die Wohnungsmiete ist eine Pauschale für die Leih-Fahrzeuge eingespeist. „Selten haben sich Unternehmen so sehr mit einem Mobilitätskonzept beschäftigt. Das ist herausragend“, lobte damals auch Bürgermeister Rainhard Zug.

Die Baugenossenschaft Sachsenwald hat 805 Wohnungen in Reinbek, Glinde und Barsbüttel sowie mehr als 1200 Mitglieder. Beitreten kann nur, wer sofort eine Bleibe mietet. Derzeit werden zwei Objekte angeboten. Reiche und Ellendt wirtschaften solide, 2020 betrug der Überschuss 565.000 Euro. Für Modernisierung und Instandhaltung von Bestandsimmobilien investierten sie 656.000 Euro. Mehr als eine Million pro Jahr sollen es in diesem Bereich auch nicht werden. Ob das klappt, daran hat Reiche Zweifel. Er verweist diesbezüglich auf mögliche gesetzliche Vorgaben zur CO2-Einsparung bei Altbeständen und damit verbundenen Sanierungen. Auch wegen dieser Unwägbarkeiten müssen die Vorstände bei Neubauprojekten jeden Cent zweimal umdrehen.