Bargteheide. Dokumente belegen, dass der Kahlschlag am Bornberg weder Zufall noch Versehen war. WfB fordert weiter Aufklärung.
Wenn die Stadtvertretung am heutigen Donnerstag zu ihrer 18. Sitzung zusammenkommt, stehen einmal mehr jede Menge Konfliktthemen auf der Agenda. Das beginnt bei der Kontroverse über den Umgang mit den verzögerten Bauarbeiten im Freibad und endet beim noch immer nicht verabschiedeten Haushalt für das laufende Jahr. Dabei sind ausufernde Debatten diesmal kaum möglich, da aus Gesundheitsschutzgründen für alle Anwesenden die Sitzung schnellstmöglich „durchgezogen“ werden soll.
Ob es tatsächlich so kommt, ist fraglich. Denn spätestens beim Tagesordnungspunkt 11 „Kahlschlag am Bornberg“ könnte es mit der selbstauferlegten Zurückhaltung vorbei sein. Zwar hatte die Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht gehofft, dazu sei nun wirklich alles gesagt. Doch dem ist mitnichten so. Kurz vor der Sitzung wurde von Norbert Muras, dem Fraktionschef der Wählergemeinschaft (WfB), ein brisantes Dossier vorgelegt, in dem er noch einmal die Vorgeschichte der weithin kritisierten Fällaktion anhand konkreter Dokumente und Aussagen nachgezeichnet hat.
Fläche fürs Stadtgärtnern stand früh fest
Laut Muras habe die Stadtverwaltung mit dem Kahlschlag ganz bewusst Freiraum für das Projekt Stadtgärtnern („urban gardening“) geschaffen. Schon die Textauszüge aus der Bewerbung für Fördergelder im Rahmen der Aktion „Gemeinsam Zukunft säen“ vom Juni 2020 ließen daran keinen Zweifel. Auf einer zentral gelegenen, 2100 Quadratmeter großen Fläche, die durch Wohnbebauung und die Südumgehung begrenzt ist, sollen Gemeinschaftsgärten, eine Streuobstwiese, eine Imkerei, Lebensräume für Insekten und vieles mehr entstehen.
Entlarvend sind aus seiner Sicht auch diese Passagen: „Das Grundstück ist verwildert“ und „das anfallende Festholz und Häckselgut aus der notwendigen Rodung wird auf dem Gelände für naturnahen Wege- und Zaunbau genutzt“. Im restlichen Bereich solle „der geläuterte Baumbestand“ verbleiben.
Kahlschlag erfolgte vor Antragstellung
Präzisiert worden sei das Vorhaben durch eine Vorlage, die als Verfasserinnen Bürgermeisterin Kruse-Gobrecht und Klimaschutzmanagerin Ulrike Lenz ausweist. Das Schreiben habe die Ausschussmitglieder am 1. Dezember erreicht, also eine Woche nach dem Kahlschlag am 23. November. Laut Beschlussvorschlag sollte die Stadt das Grundstück nicht nur zur Verfügung stellen, sondern das Projekt, das von einer siebenköpfigen Projektgruppe getragen werde, auch finanziell unterstützen.
Über die „notwendige Fällaktion“ selbst hat die Verwaltung den Ausschuss auch informiert. Eine Läuterung und Bestandsregulierung des Baumbestands sei im November 2020 unter anderem aus Gründen der Verkehrssicherheit erfolgt, hieß es. „Damit war der Wald also bei der Antragsstellung im Fachausschuss schon kahlgeschlagen“, konstatiert Muras.
Stadtverwaltung hat eigenmächtig gehandelt
Aus der Vorgeschichte ergebe sich, dass der Kahlschlag für das Projekt „langfristig geplant war und gezielt dafür durchgeführt wurde“. Alle anderen Erklärungsversuche seien vom Forstamt Mölln und der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) längst widerlegt worden. „Die Verwaltung hat eigenmächtig gehandelt, unter Missachtung der Stadtvertretung und ohne beim Forstamt eine Waldumwandlung zu beantragen“, sagt Muras. Die beteiligte Projektgruppe sei zu keinerlei eigenen Entscheidungen über das städtische Eigentum befugt, geschweige denn politisch dazu beauftragt gewesen.
Andererseits erkläre die Verwaltungsaussage, „würde die Fläche sich selbst überlassen, könnte sie in Kürze als Waldfläche eingestuft werden“ hinreichend die Eile, mit der die Fällaktion letztlich erfolgt sei. Rätselhaft bleibe hingegen, warum der Wald von den beteiligten Fachleuten des Bauhofs nicht als solcher erkannt wurde. Selbst wenn er laut Flächennutzungsplan nur als „Grünfläche“ eingetragen war.
Begriff Läuterung sollte Eingriff verschleiern
Der offenkundigen Verharmlosung und Verschleierung des unrechtmäßigen Eingriffs seitens der Verwaltung habe nicht zuletzt die Nutzung des Begriffs „Läuterung“ gedient. Denn in dem 34 Jahre zuvor gepflanzten Wald habe es längst keine dünnen und kleinen Stämme mehr gegeben, die bei einer fachgerechten Läuterung liegen gelassen werden um zu verrotten.
So habe die UNB auch gar keine Veranlassung gehabt, auf die entsprechende Mitteilung der Stadtverwaltung vom 17. September 2020 zu reagieren. Weil „Bestandssichtung, Läuterung und Pflegemaßnahmen“ schlicht zum laufenden Geschäft der Verwaltung gehören. Nicht aber ein Kahlschlag, dem im großen Stil Hunderte Bäume zum Opfer fallen.
Fadenscheinige Gründe, um Verantwortliche zu schützen
Dass die Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme zum Geschehen als Gründe unter anderem „Sturmschäden aus dem Jahr 2017, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Astabrisse und -ausbrüche, langanhaltende Trockenheit, Verkehrssicherungspflicht, stangenhaften Habitus und Müllabladeplatz für Grünabfälle“ anführte, sei bewusst irreführend und diene einzig dazu, die Verantwortlichen zu schützen.
„Nichts davon rechtfertigt die eigenmächtige Verfügung einiger Verwaltungsmitarbeiter über das städtische Eigentum in Form eines massiven illegalen Eingriffes in einen geschützten Wald“, sagt Norbert Muras. Völlig unerklärlich sei, warum die Politik nicht mit einbezogen wurde. Muras: „Es gibt eine Wahrheit, die noch immer nicht aufgeklärt ist.“