Ahrensburg. Kultusministerium plant ab 15. Februar wöchentlichen Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht an Grundschulen. Die Reaktionen.

Kehren Stormarns Grundschüler bereits am kommenden Montag in den Präsenzunterricht zurück? Diese Frage treibt aktuell nicht nur Schüler und Eltern um, sondern auch viele Lehrer im Kreisgebiet. Erste Antworten hat das Kultusministerium in einem Rundschreiben gegeben, das in der Vorwoche für viel Diskussionsstoff sorgte. Denn ab einem landesweiten Inzidenzwert von unter 100 sollen Schüler der Klassenstufen 1 bis 6 ab 15. Februar wieder in den Wechselunterricht zwischen Präsenz- und Distanzunterricht gehen. Bei einem Inzidenzwert von unter 50 ist sogar eine Rückkehr in den Präsenzunterricht für alle Jahrgangsstufen vorgesehen.

„Wie soll das gehen?“, fragt seitdem nicht nur die stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Katja Coordes. „Präsenzunterricht nach Stundenplan und die Betreuung von Schülern im Distanzlernen können unsere Kolleginnen und Kollegen nicht gleichzeitig stemmen“, sagt Coordes.

Notbetreuung bindet viele Lehrkräfte

Wechselunterricht könne nur funktionieren, wenn der Stundenplan ausgedünnt und zusätzliches Betreuungspersonal bereitgestellt werde. Zudem müsse der Wechselzeitraum verkürzt werden. „Spätestens am dritten Tag brauchen viele Kinder Unterstützung durch ihre Lehrkräfte. Sonst droht neu Gelerntes schnell in Vergessenheit zu geraten“, so Coordes. Dass Grundschüler eine ganze Woche lang allein und selbstständig Aufgaben bearbeiten, sei abwegig. Daran würden auch einzelne Zeitfenster für Videochats mit Lehrern nichts ändern.

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Das beurteilt Andrea Aust, Leiterin der Emil-Nolde-Schule in Bargeheide, ebenso. „Eine Hälfte der Schüler im Präsenzunterricht zu haben und die andere Hälfte im Homeschooling, bedeutet ohnehin schon eine Doppelbelastung“, sagt sie. Außerdem müsse noch die Notbetreuung in Kohorten sichergestellt werden, die ebenfalls mindesten vier Lehrkräfte binde. Das alles gehe schon rein rechnerisch nicht auf.

Ohne Doppelschichten geht es nicht

Sabine Knuth, Leiterin der Ahrensburger Grundschule am Reesenbüttel, sieht in der angestrebten Dreiteilung ebenfalls eine erhebliche organisatorische und logistische Herausforderung. „Das ist einfach gesagt, aber schwer umzusetzen“, so Knuth. Mal ganz abgesehen davon, dass vielerorts auch die notwendigen Räume fehlen würden. „Und die Kinder aus der Notbetreuung zeitweise wieder in ihre Klassen zu schicken, würde die Kohortentrennung konterkarieren“, gibt Sabine Knuth zu Bedenken.

„Mir wäre es lieber, die Schulschließungen gingen noch eine Woche länger, wenn danach dann alle Kinder in die Schule zurückkehren dürften“, sagt Sabine Walther, Leiterin der Grundschule Tannenweg in Glinde. Einige Kollegen hätten zwar ihre Stunden aufstocken können. Beim Wechselunterricht müssten aber ohnehin alle Doppelschichten fahren. Hinzu komme die durchgängige Notbetreuung jener Kinder, deren arbeitende Eltern keine häusliche Betreuungsmöglichkeit haben. „Derzeit nehmen zehn Prozent unserer 347 Schüler die Notbetreuung in Anspruch. Das bindet zusätzliche Ressourcen“, so Walther.

1240 Schüler sind in der Notbetreuung

Auch für Karen Schmedemann, Leiterin der Reinbeker Grundschule Mühlenredder, wird die Notbetreuung bei Schulöffnung zur Herkulesaufgabe. „An manchen Tagen sind von 260 Schülern 58 in Notbetreuung. Das im laufenden Schulbetrieb kohortengerecht zu organisieren, wird äußerst schwierig“, so Schmedemann.

Von den rund 10.000 Grundschülern im Kreis Stormarn waren vergangene Woche 1240 Schüler in der Notbetreuung. Auch wenn das Schulamt zusätzliche Stunden dafür bereitstellt, sei die Akquise von zusätzlichem Personal problematisch, weiß Schulrat Michael Rebling. Das von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) angestrebte Modell eines wöchentlichen Wechsels zwischen Distanzlernen und Präsenzunterricht hält er ohnehin nicht für jede Schulart geeignet. „Gerade in der Grundschule hätte ein täglicher Wechsel allerdings den Vorteil, Aufgaben auch zeitnah gemeinsam zu besprechen“, so Rebling.

Fehlende Sozialkontakte werden zum Problem

Zwar haben die Grundschulen im Kreis seit dem ersten Corona-Lockdown ihre Lernangebote weiter digitalisiert. Doch von regelmäßigen Videokonferenzen, selbst produzierten Erklärvideos und individuellen Sprachnotizen via QR-Codes bis zum digitalen Klassenzimmer ist es noch ein weiter Weg. „Wir können die Kinder, die gerade von zu Hause aus lernen, nicht nonstop online in den Klassenraum via iPad zuschalten“, sagt Sabine Prinz, Leiterin der Stadtschule in Bad Oldesloe.

Auch wenn das Feedback von Eltern zur Versorgung durchweg positiv sei, werde die soziale Unterversorgung der Kinder zum Problem, stellt Birgit Graumann-Delling, Leiterin der Ammersbeker Grundschule Bünningstedt, fest: „Das bereitet uns allen Sorge. Die Belastung ist bei Kindern, Eltern und Lehrkräften gleichermaßen groß.“ Ihre Kolleginnen wanderten permanent zwischen den vorzubereitenden Angeboten und zu kontrollierenden Arbeiten, täglichen Videokonferenzen und internen Besprechungen hin und her. Das bedeute maximale Anstrengung und kein Wochenende ausschließlich zur Erholung.

Lüften bei minus zehn Grad wird schwierig

Für viele Schulen sind trotz intensiver Vorbereitung auf Basis des vom Land vorgegebenen Corona-Reaktionsplans noch viele Fragen offen. „Sollen wir die Mensen öffnen, um die Kinder mit Essen zu versorgen? Und wie gewährleisten wir weiterhin Infektionsschutz und Kontaktvermeidung?“, fragt Sabine Prinz. Um wenigstens das Ansteckungsrisiko in den Räumen zu reduzieren, will sie nun Raumluftreiniger beschaffen. „Nächste Woche soll es minus zehn Grad geben. Da wird es mit dem Lüften schwierig“, sagt sie. Die Luftreiniger zahle sie aus dem Schulbudget und hoffe, das Land werde einen Teil zurückerstatten.

Birgit Graumann-Delling würde, ebenso wie andere Schulleitungen, das Homeschooling gern noch ein bis zwei Wochen fortsetzen, um dann für zwei bis vier Wochen in den Wechselunterricht zu starten. „Dann hätte man zuverlässigere Zahlen die Inzidenz betreffend. Eine vorschnelle Öffnung der Schule mit angstvollem Blick auf die Zahlen, immer verbunden mit einer plötzlichen Reaktion im Sinne einer Rückwärtsrolle, wäre das allerschlimmste Szenario“, ist Birgit Graumann-Delling überzeugt.