Ahrensburg. Rund 300 Geräte für bis zu 1,2 Millionen Euro, damit Kinder nicht länger frieren. Experten halten Stoßlüften für unverzichtbar.
Sämtliche Schulen in der Stadt sollen nach dem Willen der Ahrensburger SPD mit mobilen Luftreinigern ausgerüstet werden. In jedem Klassen- und Gruppenraum soll ein Gerät zum Preis von 3500 bis 4000 Euro stehen. Bei rund 300 Räumen liegen die Gesamtkosten für die Stadt bei 1,05 bis 1,2 Millionen Euro. Einen entsprechenden Antrag zur schnellen Anschaffung stellen die Sozialdemokraten für die nächste Stadtverordnetenversammlung am kommenden Montag, 14. Dezember.
Die Kommunalpolitik habe in den vergangenen Monaten zahlreiche Hilfen zur Abmilderung der harten Auswirkungen der Corona-Pandemie beschlossen, etwa für die lokale Wirtschaft. „Was die Schüler an den Ahrensburger Schulen aktuell in den Wintermonaten mittragen und erdulden, findet dagegen noch nicht ausreichend Beachtung“, sagt der SPD-Stadtverordnete Stephan Lamprecht. Eltern berichteten regelmäßig, dass ihre Kinder den ganzen Tag über bei geöffneten Fenster unterrichtet würden. Lamprecht: „Mit der Anschaffung professioneller Luftreiniger wollen wir die Lebens- und Lernsituation unserer Kinder verbessern.“
Voraussetzung seien professionelle Geräte
Möglicherweise werde der aktuelle Lockdown im kommenden Jahr noch weiter verlängert. „Die aktuellen Hoffnungen auf die in der Zulassung befindlichen Impfstoffe gegen Covid-19 verstellen den Blick darauf, dass uns Maßnahmen zum Infektionsschutz wenigstens noch bis zum Sommer 2021 beschäftigen werden“, so Lamprecht. Mit Luftreinigern könnte wieder ein Stück Normalität in den Schulen einkehren.
Voraussetzung seien professionelle Geräte, die spezielle Anforderungen erfüllen, um den Unterricht nicht zu stören. So soll sich die Filtrationsleistung automatisch auf Basis der Raumnutzung regulieren. Für den Schulbetrieb sei unabdingbar, dass die Geräte Keime und Viren wartungsarm abtöten und acht bis zwölf Stunden Betrieb täglich garantiert sind. Nach Ende der Pandemie könnten die Geräte weiter genutzt werden, da die integrierten HEPA-Filter auch Pollen und andere Allergene aus der Luft abscheiden. „Somit verbessert sich auch die Lebenssituation von Allergikern in den Sommermonaten“, so Lamprecht.
Eltern leihen Aalfangschule ein Gerät zum Praxistest
Die Grund- und weiterführenden Schulen in der Schlossstadt haben bisher noch keinen Bedarf für die Anschaffung von Luftreinigern angemeldet, wie eine Umfrage unserer Redaktion ergab. Mit regelmäßigem Lüften und dem Einsatz von Kohlenstoffdioxid-Messgeräten, sogenannten CO2-Ampeln, achten die Einrichtungen bislang auf die Einhaltung der Corona-Regeln.
„Alle 20 Minuten wird gelüftet“, sagt Sabine Knuth, Leiterin der Grundschule Am Reesenbüttel. „Wir haben zudem für jeden Jahrgang eine CO2-Ampel angeschafft, die nach Bedarf genutzt wird, um ein Gefühl für die Zeitspannen zu bekommen, bis die Luft verbraucht ist.“
Ähnlich handhabt es die Grundschule Am Aalfang. Sie will auf Anregung von Eltern den Einsatz eines Luftreinigers in Kürze testen. Schulleiter Roman Tietze: „Aus Elternkreisen bekommen wir noch vor Weihnachten ein Gerät als Leihgabe, um es in der Praxis auszuprobieren.“ Dringenden Bedarf dafür sieht Tietze jedoch nicht. „Da wäre die Versorgung mit digitalen Endgeräten fürs Distanzlernen dringlicher“, sagt er.
Forschung des Max-Planck-Instituts als Vorbild
An der Stormarnschule hat der Schulelternbeirat, der im September noch die Anschaffung von Luftreinigern zum Abbau ansteckender Aerosole in der Luft erwogen hatte, inzwischen Abstand von der Investition genommen. „Wegen der Lautstärke der Geräte im Betrieb, notwendiger Wartungen und des immensen Kosteneinsatzes haben wir die Luftreiniger erst mal auf Eis gelegt“, sagt Thomas Miltsch, Elternbeiratsvorsitzender an dem Gymnasium. Dort wird künftig jedes Klassenzimmer mit einer CO2-Ampel ausgestattet.
An der Grundschule Am Schloss haben Eltern inzwischen angeregt, Lüftungsanlagen für die Klassenräume selbst zu bauen. Vorbild ist eine Anlage, die Forscher des Max-Planck-Instituts jüngst mit einfachen Baumarktmaterialien im Wert von 200 Euro konstruiert haben.
Selbst gebaute Geräte seien in Grundschulen kritisch
Im Klassenzimmer hinge dann über jedem Tisch ein breiter Schirm in Deckenhöhe, der mit einem Rohr verbunden wäre, das in ein zentrales Rohr mündet. Das zentrale Rohr würde dann durch ein gekipptes Fenster nach draußen geführt. Ein Ventilator befördert die Luft ins Freie. Zwischen 70 und 90 Prozent der Aerosol-Partikel sollen auf diese Weise aus der Raumluft im Klassenzimmer entfernt werden.
Die Schule hat auch Achim Keizer, Fachdienstleiter Zentrale Gebäudewirtschaft bei der Stadt Ahrensburg, über das Vorhaben informiert. Er sagt auf Anfrage: „Solange solche Maßnahmen nicht erfordern, dass ein Loch durch die Gebäudewand gebohrt wird, habe ich nichts dagegen. Allerdings sehe ich den Einsatz von selbst gebauten Geräten in einer Grundschule mit sechs- bis zehn Jahre alten Kindern kritisch.“
Umweltbundesamt: Fenster alle 20 Minuten weit öffnen
Die Stadtverwaltung halte sich an die Vorgaben aus dem Bildungsministerium, so Rathaussprecher Fabian Dorow. Das Land betont mit Verweis auf die Kommission für Innenraumlufthygiene (IRK), dass mobile Luftreiniger allenfalls eine Ergänzung seien. Sie wälzen laut IRK die Raumluft nur um und ersetzten nicht die notwendige Zufuhr von Außenluft. Deshalb sollte jede Lüftungsmöglichkeit weiter genutzt werden. Die Kommission empfiehlt, Luftreiniger dort einzusetzen, wo die Fenster nicht ausreichend geöffnet werden können und auch keine unterstützenden, einfachen Zu- und Abluftsysteme in Frage kommen.
„Da Klassen generell als Aufenthaltsräume gelten, müssen sie Fenster haben“, sagt Dorow. Deshalb sollte das Stoßlüften überall erste Wahl und möglich sein. Bei anderen Räumen müsse man im Einzelfall entscheiden.
Wichtig sei Empfehlung des Umweltbundesamts
Landesbildungsministerin Karin Prien (CDU) sagt: „Entscheidend ist, dass sich alle an die Hygieneregeln einschließlich des Lüftens halten. Wir alle sind durch unser Verhalten dafür verantwortlich, wie sich das Coronavirus ausbreitet.“ Für die Ausstattung der Schulen sei der Träger zuständig. Zusätzlich habe das Land 15 Millionen Euro für Hygienemaßnahmen zur Verfügung gestellt.
Dabei sei auf die Empfehlung des Umweltbundesamts (UBA) zu achten. Das hält die mobilen Luftreiniger nur im Ausnahmefall für sinnvoll. Eine verlässliche Reduzierung der SARS-CoV-2-Viren ausschließlich durch die Geräte sei in Unterrichtsräumen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht eindeutig nachgewiesen. „Kern unserer Empfehlung ist, Klassenräume regelmäßig alle 20 Minuten für etwa fünf Minuten bei weit geöffneten Fenstern zu lüften“, so UBA-Präsident Dirk Messner.
Stadtverordnetenversammlung
Ahrensburg Mo 14.12., 19.30, Turnhalle Heimgarten-Schulzentrum, Reesenbüttler Redder 4–10