Barsbüttel. CDU und SPD scheitern mit dem Antrag, die Hauptsatzung zu ändern, damit Gremiensitzungen online für Bürger übertragen werden können.
Um die Gefahr einer Infektion mit dem Coronavirus auszuschließen, möchten CDU und SPD in Barsbüttel die politischen Ausschusssitzungen fortan per Videokonferenz abhalten. Bürger sollen sich dann über einen Link einwählen und teilhaben. Voraussetzung ist die Aufnahme des Paragrafen 35 a der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein in die Hauptsatzung.
BfB, Grüne und FDP haben Fragen zum Datenschutz
Doch daraus wird so schnell nichts. Um das Thema Streaming ist ein heftiger Streit entbrannt. Die Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB), Grüne und FDP verlangen zuerst ein Konzept der Verwaltung, in dem die rechtlichen, technischen, personellen und finanziellen Anforderungen sowie auch der Persönlichkeitsschutz aufgezeigt werden.
Dem entsprechenden Antrag der Grünen verweigerten Sozial- und Christdemokraten auf der jüngsten Gemeindevertretersitzung die Zustimmung, kamen aber selbst nicht mit ihrem Vorhaben durch, die Hauptsatzung zu modifizieren, weil es jeweils zu einem Patt kam. Dies war möglich, weil ein Mitglied der Grünen verhindert war und die Abwesenheit auch kommuniziert hatte. „In früheren Jahren wurden solche Ergebnisse durch fehlende Gemeindevertreter dadurch ausgeglichen, dass sich dann eine entsprechende Anzahl Politiker der Gegenseite enthalten haben oder bei der Abstimmung kurzzeitig nicht anwesend waren“, sagt der BfB-Fraktionsvorsitzende Rainer Eickenrodt. Das Verhalten von SPD und CDU habe das Verhältnis der Politik untereinander sehr belastet, vielleicht auch nachhaltig. Er bezeichnet das Vorhaben einer Umsetzung von Video-Beratung samt Internetstreaming ohne Prüfauftrag für die Verwaltung als „Blindflug“. Außerdem habe nicht jeder Politiker das technische Equipment. „Und wir müssen geschult werden.“
Fraktionsvorsitzender bringt Alternative ins Spiel
Eickenrodt bringt noch eine andere Variante ins Spiel, um das Infektionsrisiko auf Sitzungen deutlich zu reduzieren. Er schlägt vor, mit einer kleineren Personenanzahl zu tagen und nennt als Beispiel die Gemeindevertretung mit 13 statt 23 Menschen bei Abbildung des gleichen Stimmverhältnisses. Das sei in gut gelüfteten Räumen bei einem 2,50-Meter-Abstand und mit Acrylglas-Stellwänden zwischen den Teilnehmern möglich. „Dieses Verfahren hatte ich mehrfach ins Gespräch gebracht, auch beim Bürgermeister, aber aus der Politik dazu keinerlei positive Reaktion erhalten“, ärgert sich der BfB-Chef.
Die Grünen gehen nicht so wie er auf Konfrontationskurs mit Christ- und Sozialdemokraten, sind bei der Kommentierung der Ereignisse diplomatischer. Fraktionschefin Angela Tsagkalidis sagt: „Ich habe mich schon gewundert, dass die beiden Parteien unseren Antrag nicht unterstützen. Wir hatten im Vorfeld darauf hingewiesen, dass wir eine Änderung der Hauptsatzung zu diesem Zeitpunkt nicht wollen.“ Sie stehe hinter Videokonferenzen, möchte in Sachen Streaming jedoch einige Dinge geklärt haben.
Der Schutz von Persönlichkeitsrechten ist ungeklärt
„Ob ich Rechte an Bild und Ton abgeben muss, weiß ich nicht. Das konnte die Verwaltung auch nicht beantworten. Mir wurde mitgeteilt, dass es dazu unterschiedliche Aussagen gibt.“ Ihrer Ansicht nach bestehe Gefahr für Verunglimpfung von Politikern in sozialen Medien, wenn Teile der Sitzungen geschnitten und Aussagen aus dem Kontext herausgerissen würden. Tsagkalidis: „Womöglich führt es dazu, dass Entscheidungsträger Angst vor Abgabe von Stellungnahmen haben.“ Der Schutz von Persönlichkeitsrechten sei für sie und ihre Partei von zentraler Bedeutung.
Tsagkalidis hat auch die Kommunalaufsicht des Kreises kontaktiert, um Kenntnisse über Paragraf 35 a zu erlangen. Sie sagt: „Wenn wir Videokonferenzen statt Präsenzsitzungen machen, müssen wir in einen öffentlich zugänglichen Raum wie zum Beispiel den Bürgersaal übertragen und zugleich auch die Leute per Stream partizipieren lassen, die Zuhause auf dem Sofa sitzen.“ Rainer Eickenrodt war ebenfalls nicht untätig, schickte der Landesbeauftragten für Datenschutz eine E-Mail mit Fragen. Bis ins letzte Detail konnten diese aus seiner Sicht aber nicht geklärt werden.
Gemeindevertreter wollen so wenig Kontakte wie möglich
Die CDU sieht in der Einführung von digitalen Sitzungen weitaus weniger Probleme. Der Fraktionsvorsitzende Henri Schmidt beschreibt die Kommunikation in der Angelegenheit unter den Politikern so: „Viele reden aneinander vorbei.“ Man hätte die Satzung zuerst ändern und dann ein Konzept erstellen lassen können. „Es ist doch klar, dass die Verwaltung alles gesetzeskonform macht.“ Seine Partei habe Fraktionssitzungen schon im Frühjahr per Videokonferenz abgehalten und mache das auch jetzt. „Und die älteren Mitglieder können mit der Technik umgehen.“
Schmidt will erst wieder einen Sitzungsraum betreten, wenn der Inzidenzwert im Kreis Stormarn unter 50 ist. Er sagt: „Mein Arbeitgeber hat mich ins Homeoffice geschickt zum Schutz gegen das Virus. Da kann ich in meiner Freizeit schlecht auf Veranstaltungen mit mehreren Menschen sein und damit das erhöhte Risiko einer Infektion eingehen.“ Genauso sieht es SPD-Gemeindevertreterin Heike Brost, die Pflegedienstleitung in einem Kinderkrankenhaus ist und zur systemrelevanten Gruppe zählt. Sie sagt: „Wir sind personell eng aufgestellt und einige Mitarbeiter in Quarantäne.“ Sie bemühe sich, die Kontakte im privaten Bereich so gering wie möglich zu halten. „Ich kann es mir nicht leisten, im Job auszufallen.“
In Barsbüttel gibt es in diesem Jahr keine Sitzungen mehr
Coronabedingt wird es in Barsbüttel in diesem Jahr keine Sitzungen mehr geben. Der Beschluss des Haushalts 2021 kann also nicht zeitnah gefasst werden. Das nächste Treffen des Gemeindeparlaments ist laut Eickenrodt momentan erst für den 25. Februar terminiert. Der Fraktionschef der örtlichen Wählergemeinschaft sagt: „Bis dahin hat die Politik keinen Einfluss mehr auf Verwaltungsentscheidungen.“
Bürgermeister Thomas Schreitmüller will sich jetzt trotzdem um das Thema Videostreaming kümmern. „Schon aufgrund der allgemeinen Entwicklung ist das wichtig“, so der Verwaltungschef, der betont, er hätte sich „mit dem CDU-Antrag gut anfreunden können“.