Trittau. Anwohner bewahrt die Kolonie auf Markant-Grundstück in letzter Minute vor dem Bagger. Das Nest kann erst im Frühjahr versetzt werden.
Die Bauarbeiten für den Markant-Markt in Trittau haben begonnen. Und zwar früher als ursprünglich geplant. Für mehr als eine Million Individuen hätte das beinahe den Verlust ihrer Existenz bedeutet. Die Rede ist von Ameisen, genauer gesagt der großen roten Ameise (Formica rufa), einer geschützten Art, die auffällige Nesthügel errichtet. So auch auf dem Baugelände an der Hamburger Straße. Dass dieses Nest statt planiert zu werden jetzt mit Schutzgattern umgeben ist, ist der Aufmerksamkeit eines Trittauer Bürgers zu verdanken.
Lärm der Bagger schreckt Gemeindevertreter auf
Bernd Liebert wohnt an der Hamburger Straße in der Nähe des Ortsausgangs Richtung Grande. Von seinem Zuhause aus konnte er den Lärm der Bagger hören. Er ist politisch aktiv, sitzt für die Grünen in der Gemeindevertretung. Liebert wusste von dem Nest, das sich direkt auf dem Wall befand, ahnte Schlimmes und machte sich auf den Weg.
Gerade noch rechtzeitig, wie Liebert berichtet: „Ein Bagger war gerade dabei, den Wall zum Gebiet einzuebnen.“ Er habe den Baggerführer angesprochen, der daraufhin die Arbeit gestoppt habe. „Er wusste natürlich von nichts, aber sagte zu, den Ameisenhaufen erst einmal auszulassen, bis er weitere Anweisungen bekäme“, so Liebert. „Er meinte noch, es hätte ihm leid getan, wenn er die Ameisen versehentlich plattgemacht hätte.“
Ingenieubüro kontaktiert Ameisenschutzwarte
Liebert informierte das Bauamt über den Vorgang. Noch am selben Tag erhielt er einen Anruf des zuständigen Ingenieurbüros IPP. „Sie wollten wissen, was sie jetzt machen sollten.“ Der Gemeindevertreter erläuterte, dass das Nest vor weiteren Arbeiten erst umgesetzt werden müsse und verwies sie an die untere Naturschutzbehörde und den Naturschutzbund.
Die Nachricht von dem Fund kam für Jens Kaiser, bei IPP zuständig für die Überwachung der Bauarbeiten, überraschend. Er sagt: „Wir errichten für das Unternehmen Bartels-Langness an dieser Stelle einen Markant-Markt.“ Ein Fund wie dieser komme nicht oft vor. „Wir haben die Ameisenschutzwarte Nord eingebunden und einen Ameisenheger zurate gezogen“, so Kaiser. Das Ergebnis: Die Ameisen können erst nächstes Jahr fachgerecht umgesiedelt werden. „Sie bekommen jetzt erst einmal zum Schutz einen Zaun. Dann werden wir die Ameisenwarte sicherlich mit der Umsiedelung beauftragen.“
Naturschutz kann Bauvorhaben auch lahmlegen
An dieser Stelle müsse dann im Frühjahr nachgearbeitet werden. Kaiser: „Glücklicherweise liegt das so am Rand, dass wir gepflegt drumherumarbeiten können.“ Dass das auch anders kommen kann, weiß Ameisenexperte Ronald Wischmann, der das Nest vor Ort begutachtet hat, nur zu gut. „In Mecklenburg-Vorpommern stand deswegen ein Großprojekt kurz vor dem Baustopp“, erzählt er. Grundsätzlich seien alle hügelbauenden Arten geschützt. Die Ameisenschutzwarte sei die einzige Institution in Schleswig-Holstein, die von der oberen Naturschutzbehörde die Genehmigung zur Umsetzung solcher Nester habe.
Da die Insekten Zeit bräuchten, um sich winterfest zu machen, könne das frühestens im März geschehen. Was über der Erde sichtbar sei, bilde nur die Spitze des Baus, der einer Pyramide ähnele. Bei Umsiedelung werde er schichtweise abgetragen und am neuen Ort in umgekehrter Reihenfolge wieder eingebracht.
„Ameisen gehören nicht zu prüfrelevanten Arten“
Auf die Frage, warum die untere Naturschutzbehörde nicht aktiv in der Sache geworden ist, antwortet deren Mitarbeiterin Sandra Dannebeck: „Ameisen gehören grundsätzlich nicht zu den für dieses Bauvorhaben prüfrelevanten Arten und wurden daher vor Realisierung des Vorhabens nicht näher untersucht.“ Wenn geschützte Arten erst nach Satzungsbeschluss bekannt würden, müssten sie dennoch berücksichtigt werden.
Auch wenn es gut ausgegangen ist für die Ameisen: Der Verwaltung war die Existenz des Nests lange bekannt. Selbst wenn der Bauherr ein privater Investor ist – ein Hinweis hätte sicher nicht geschadet und die Ameisen hätten vielleicht früher umgesiedelt werden können.
Mehr als eine Million Tiere im Nest
In Deutschland gibt es 116 Ameisenarten. Waldameisen stehen bereits seit mehr als 200 Jahren unter Naturschutz. Zu den 13 Arten, die Nesthügel bauen, zählt die rote Waldameise (Formica rufa).
In einem großen Nest leben zwischen eine und eineinhalb Millionen Individuen. Diese erlegen pro Tag bis zu 100.000 Schadinsekten und Spinnentiere, darunter Zecken und Eichenprozessionsspinner.
Bienen siedeln sich gern in der Nähe der Nester an. Ameisen halten sich Blattläuse als Honigtaulieferanten. Sie helfen bei Verbreitung von Samen, verbessern den Boden und tragen wesentlich zur Stabilisierung des ökologischen Gleichgewichtes im Lebensraum Wald bei.
Eine Königin kann 25 Jahre alt werden. Arbeiterinnen, die das 40-fache des Eigengewichts tragen können, höchstens sechs.