Trittau. In einem gemeinsamen Buch porträtieren Gleichstellungsbeauftragte aus dem Kreis 37 Bürgerinnen und befragen sie über ihren Werdegang.

„Auf die Dauer kann ein demokratisches Gemeinwesen sich nicht damit zufrieden geben, dass die Hälfte der Bevölkerung politisch nicht angemessen repräsentiert ist.“ Diese Aussage von Birte Kruse-Gobrecht stammt aus dem Jahr 2009. Aus einer Zeit, als die heutige Bargteheider Bürgermeisterin noch Gleichstellungsbeauftragte von Stormarn war.

Frauen sind nur zu 25 Prozent in Gremien vertreten

Elf Jahre später hat der Satz nichts von seiner Aktualität verloren. Für vier hauptamtlich tätige Gleichstellungsbeauftragte war das ein Anlass, dem Wirken von Kommunalpolitikerinnen durch ein gemeinsames Projekt mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Herausgekommen ist ein mit 411 Seiten und rund 1300 Gramm imposantes Lese- und Nachschlagewerk unter dem Titel „Die Gestalterinnen – stark, ideenreich, kompetent – Stormarns Politikerinnen“.

In Interviews lassen die Herausgeberinnen 37 aktive und ehemalige Politikerinnen aus dem Kreis zu Wort kommen. Marion Gurlit, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bad Oldesloe und Initiatorin des Projekts, sagt: „Der Ursprung war, dass es zu wenig Frauen in der Politik gibt.“ Obwohl etwa die Hälfte der Bevölkerung weiblich sei, seien Frauen im Schnitt nur zu etwa 25 Prozent in den politischen Gremien vertreten. In ihrem Buch hätten die Gleichstellungsbeauftragten die Arbeit der Frauen sowohl im städtischen als auch ländlichen Bereich gewürdigt und dokumentiert. „Seit 100 Jahren gibt es das Frauenwahlrecht, seitdem wird die Kommunalpolitik im Kreis von Frauen mitgestaltet“, erläutert Gurlit. Mehr als zwei Jahre hat es gedauert, bis sie und ihre Kolleginnen Sophie Olbrich (Kreis), Inge Diekmann (Trittau) und Kathrin Geschke (ehemals Bargteheide) die Recherche und Interviews abgeschlossen hatten. Die historische Auflistung mit Namen und Ämtern schließt sich im hinteren Teil des Buches an.

Der Einstieg erfolgt oft noch über soziale Themen

Jede der vier hat sich ihre Gesprächspartnerinnen selbst ausgesucht. Eine der Interviewten ist Ulrike Lorenzen. Die Trit­tauerin ist 1957 geboren, Mitglied der CDU und seit 2003 in der Kommunalpolitik aktiv. Derzeit ist Lorenzen Gemeindevertreterin, Schulverbandsvorsteherin und Bürgervorsteherin in einem. Anfangs sei ihr der Einstig fast ein bisschen zu schnell gegangen, berichtet Lorenzen in dem Buch.

Als sie sich 2003 für die Kommunalwahlen habe aufstellen lassen, sei sie nicht davon ausgegangen, direkt in die Gemeindevertretung gewählt zu werden. Doch sie rückte noch im selben Jahr nach, weil ein Mitglied sein Mandat aufgab. Anfangs habe sie sich vorwiegend um soziale Themen gekümmert.

Eine Herausgeberin rät: „Einfach machen.“

Mit dem Vorsitz des Hauptausschusses, den sie zehn Jahre lang leitete, änderten sich auch die Themen. Ein typisch weiblicher Einstieg, so Gurlit. Sie sagt: „Das ist leider ganz klassisch: Frauen werden auch heute immer noch vorwiegend in die Bereiche Soziales und Schule geschickt.“

Kathrin Geschke, bis 2018 Gleichstellungsbeauftragte für Bargteheide und inzwischen für den Landkreis Goslar, bestätigt diese Erfahrung, sie sagt: „Man sieht und trifft viele Frauen in Elternvertretungen.“ Doch nicht viele wagten den Sprung in die Politik. Der Weg dahin stelle eine Hürde dar, oft wüssten sie einfach nicht, wie sie es angehen sollten. Für einen solchen Fall hat Geschke einen Rat parat: „Einfach machen“, lautet er. „Einfach in die Fraktionen gehen und sagen: ,Ich möchte mich beteiligen.‘“

Buch soll Frauen motivieren, in Politik zu gehen

Als Motivation für das Buch nennt sie: „Wir wollten zeigen, wie so ein politischer Weg konkret aussehen kann.“ Inge Diekmann ergänzt: „Und dass man aus Fehlern lernen kann.“ Viele Politikerinnen seien durchaus kritisch. „Und sie brauchen einen langen Atem.“

Lorenzen erzählt, dass ihr durch die Vorbereitung auf das Interview erst so richtig bewusst geworden sei, woran sie mitgewirkt habe. Sie hofft, „dass das Buch dazu beiträgt, dass sich mehr Frauen in die Politik wagen“. Eine Voraussetzung: „Hinter jedem erfolgreichen Familienmitglied steht eine starke Familie.“ Das gelte für Frauen und Männer.

Sparkassen-Kulturstiftung unterstützt das Projekt

Kathrin Geschke (v. l.) , Inge Diekmann  und Marion Gurlit halten je ein Exemplar des Buchs in den Händen. Nicht auf dem Foto: die vierte Autorin Sophie Olbrich. 
Kathrin Geschke (v. l.) , Inge Diekmann  und Marion Gurlit halten je ein Exemplar des Buchs in den Händen. Nicht auf dem Foto: die vierte Autorin Sophie Olbrich.  © Elvira Nickmann

Auch Bargteheides Bürgervorsteherin Cornelia Harmuth (CDU) zählt zu den Porträtierten. Wenn Mütter sich für einen Ausschuss entschuldigen ließen, kassierten sie oft Kommentare wie: „Warum machst du denn dann überhaupt mit?“, berichtet Harmuth. Viele wüssten nicht, dass sie für diese Zeit ein Recht auf Kostenübernahme für einen Babysitter hätten. Zudem müssten sich Neulinge nicht alles selbst aneignen, sagt Geschke. Das frauenpolitische Netzwerk „KOPF Stormarn“ steht Politikerinnen bei ihren Aufgaben mit Informationen und Fortbildungen unterstützend zur Seite.

Die Kosten für das Projekt bewegen sich laut Gurlit im fünfstelligen Bereich, finanziert aus dem Etat der Gleichstellungsbeauftragten mit Unterstützung der Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn. Gurlit sagt: „Wer sich für Kommunalpolitik interessiert, sollte sich das Buch anschauen.“ Lorenzen denkt einen Schritt weiter in die Zukunft, sie sagt: „Das Ziel ist, dass Frauenbeteiligung gar kein Thema mehr sein muss.“