Bad Oldesloe. Kommunalpolitiker werben um Nachwuchs. Sie beklagen, dass wenige junge Menschen sich langfristig politisch engagieren möchten.

871 Stormarner haben derzeit ein Mandat in einer Gemeindevertretung, einem Stadtparlament oder im Kreistag. Dazu kommen weitere Ehrenamtler in politischen Ausschüssen sowie Gremien wie Kinder- und Jugend-, Behinderten- oder Seniorenbeiräten, Schul- und Zweckverbänden. Doch der bundesweite Trend zeigt, dass sich immer weniger Menschen in ihrer Freizeit in einer Partei engagieren möchten. Der Kommunalpolitik fehlt es an Nachwuchs. Auch im Kreis Stormarn ist der Altersdurchschnitt in den Kommunalparlamenten hoch.

Zahl der Parteimitgliedschaften konstant geblieben

„In der Kommunalpolitik gestalten die Bürger ihr ganz persönliches Lebensumfeld und prägen damit ihren Kreis, ihre Stadt oder ihre Gemeinde“, sagt Stormarns Landrat Henning Görtz. Er mahnt: „Dies kann nur gelingen, wenn es Menschen gibt, die sich bereit erklären, in ihrer Freizeit ehrenamtlich mitzuwirken und ihr Wissen einzubringen – sei es in Fragen der Stadtentwicklung, der Kultur, der Bildung- und Kinderbetreuung oder der Klimapolitik.“

Nur etwa jeder 66. Stormarner ist derzeit Mitglied in einer der im Bundestag vertretenen Parteien. Immerhin: Die Zahl der Parteimitgliedschaften im Kreis ist in den vergangenen fünf Jahren nahezu konstant geblieben. Sowohl 2014 als auch 2019 zählten CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD zusammen etwa 3600 Mitglieder.

CDU musste größte Einbußen hinnehmen

„Wir verzeichnen eine geringere Bereitschaft bei Bürgern, sich langfristig in Form einer Mitgliedschaft in einer Partei zu engagieren“, sagt Tobias Koch, CDU-Kreisvorsitzender.
„Wir verzeichnen eine geringere Bereitschaft bei Bürgern, sich langfristig in Form einer Mitgliedschaft in einer Partei zu engagieren“, sagt Tobias Koch, CDU-Kreisvorsitzender. © HA

Zwischen den Parteien gibt es allerdings Verschiebungen. Während die Mitgliederzahl bei den Volksparteien CDU und SPD stagniert oder sogar leicht zurückgeht, konnten FDP, Grüne und Linke die Zahl ihrer Mitglieder in den vergangenen fünf Jahren nahezu verdoppeln. Die größten Einbußen musste die CDU hinnehmen: Gegenüber 2014 verloren die Christdemokraten 186 Mitglieder. Gleichwohl bleibt die CDU mit Abstand die mitgliederstärkste Partei im Kreis. „Auch wir werden durch einen Rückgang der Mitgliederzahlen herausgefordert“, sagt Tobias Koch, CDU-Kreisvorsitzender und Fraktionschef der Christdemokraten im Kieler Landtag zum Abendblatt. Das sei kein neuer Trend und auch keine Besonderheit der CDU in Stormarn, sondern betreffe auch andere Parteien und Kreisverbände.

Koch sagt: „Die Menschen verlassen die Partei weniger aus Unzufriedenheit, sondern ziehen sich oftmals aus Altersgründen zurück.“ Allerdings betont der CDU-Fraktionschef auch: „Insgesamt verzeichnen wir aber auch eine geringere Bereitschaft, sich langfristig im Rahmen einer Parteimitgliedschaft zu engagieren.“ Seine Partei beobachte, dass sich heutzutage mehr Menschen mit dem Wunsch engagierten, sich spontan und temporär in Projekten vor Ort einzubringen.

Zahl der SPD-Mitglieder nahezu unverändert

Der Kreisvorsitzende betont, dass es keinen Zusammenhang zwischen Mitgliederentwicklung und Wahlergebnissen gebe: „In vielen Orten sind wir nach der letzten Kommunalwahl im Jahr 2018 erneut stärkste Fraktion geworden, ebenso im Stormarner Kreistag. Wir sind also die Partei, von der sich die meisten Menschen auf der kommunalen Ebene vertreten fühlen.“

Die aktuelle Zahl der SPD-Mitglieder in Stormarn ist im Vergleich zu vor fünf Jahren nahezu unverändert geblieben. „Austritte konnten wir durch Neueintritte kompensieren“, sagt der Landtagsabgeordnete und Kreischef der Sozialdemokraten, Tobias von Pein. Er wertet es als Erfolg, dass es der SPD gelungen sei, die Mitgliederzahl konstant zu halten. „Im Jahr 2016 hatten wir überdurchschnittlich viele Austritte, konnten das aber durch Neumitglieder nach der Wahl von Martin Schulz zum SPD-Chef 2017 wieder ausgleichen“, so von Pein.

Nachholbedarf bestehe beim Frauenanteil der Mitglieder

„In der Kommunalpolitik gestalten die Bürger ihr persönliches Lebensumfeld. Dies kann nur gelingen, wenn Menschen ehrenamtlich mitwirken“, sagt Henning Görtz, Stormarns Landrat.
„In der Kommunalpolitik gestalten die Bürger ihr persönliches Lebensumfeld. Dies kann nur gelingen, wenn Menschen ehrenamtlich mitwirken“, sagt Henning Görtz, Stormarns Landrat. © Finn Fischer

Im Gegensatz zu den Volksparteien verzeichnen die kleineren Parteien starken Zulauf. „Nach dem Wiedereinzug in den Bundestag haben wir deutliche Zuwächse verzeichnen können“, sagt Anita Klahn, Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der FDP. 2017 habe es einen Mitgliederzuwachs von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr gegeben.

Den Eklat um die Wahl des Liberalen Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit Stimmen der AfD, der bundesweit zu zahlreichen Austritten aus der FDP führte, habe der Stormarner Kreisverband weitgehend unbeschadet überstanden. „Es gab deswegen nur einen Austritt“, so Klahn. Nachholbedarf sieht die Liberale beim Frauenanteil in ihrer Partei. „Nur 22 Prozent der Parteimitglieder im Kreis Stormarn sind Frauen“, beklagt Klahn.

AfD inzwischen mehr als 200 Mitglieder in Stormarn

Die Linke hat mit aktuell 90 Parteiangehörigen mit Abstand die wenigsten Mitglieder. Die Partei ist derzeit nur im Kreistag sowie in den Stadtverordnetenversammlungen von Ahrensburg und Bad Oldesloe vertreten. Dennoch habe sich die Zahl der Parteiangehörigen seit 2014 nahezu verdoppelt. „Flüchtlingspolitik, Wohnungs- und Mietpolitik und auch der Klimawandel spielen uns in die Hände“, ist Heidi Beutin, Kreisvorsitzende der Linken, überzeugt. „Die Menschen wollen eine Antwort darauf, wie sie das Klima schützen können und trotzdem sozial abgesichert sind“, ist sich die Linken-Politikerin sicher.

Die AfD, deren Kreisverband sich im Mai 2013 gegründet hatte und die nur im Kreistag Abgeordnete stellt, hat nach Angaben von Kreischef Tom Obermüller inzwischen mehr als 200 Mitglieder in Stormarn. „Die Zahl entwickelt sich sehr positiv, seit meinem Amtsantritt im November 2019 hatten wir 17 Neueintritte und keinen Austritt“, so Obermüller.

Landrat sieht die Parteien in der Verantwortung

Den größten Zulauf verzeichnen aber die Stormarner Grünen. Klimaschutzdebatte, Fridays-for-Future-Proteste und der bundesweite Höhenflug in den Umfragen haben der Ökopartei seit 2014 rund 160 Neumitglieder beschert. „Bei uns treten auch immer mehr junge Familienväter ein, die die Zukunft ihrer Kinder verbessern wollen“, sagt die Grünen-Kreistagsabgeordnete Wiebke Garling-Witt. Auch in Stormarn entwickelten sich die Grünen von der Nischen- und Frauenpartei zur breit aufgestellten politischen Kraft. „Wir sprechen mittlerweile auch die gehobene Mittelschicht sowie Handwerker an“, so Garling-Witt.

Die große Aufgabe sei es, die Neumitglieder langfristig in der Partei zu halten. „Denn die guten Wahlergebnisse in Stormarn innerhalb der vergangenen Jahre stellen uns vor die Herausforderung, auch mehr Ämter mit unseren Leuten besetzen zu müssen“, so Garling-Witt zum Abendblatt.

Landrat Henning Görtz sieht die Parteien in der Verantwortung, sagt: „Es ist ihre große Aufgabe, um Menschen zu werben, die auch in Zukunft bereit sind, kommunalpolitische Verantwortung zu übernehmen.“ Seiner Wahrnehmung als Landrat und als Kreiswahlleiter zufolge sei das eine Herausforderung für alle politischen Richtungen, Geschlechter und Altersgruppen. „Darum ist die Nachwuchsarbeit der Parteien so immens wichtig.“