Bargteheide. Projekt wurde um 4000 Quadratmeter reduziert. Planungsausschuss gibt trotz massiver Proteste der Händler grünes Licht für das Vorhaben.
Trotz erheblicher Widerstände der Gewerbetreibenden aus dem Bargteheider Zentrum und mahnender Einwände der Landesplanungsbehörde darf die Kieler Unternehmensgruppe Bartels-Langness (Bela) im Gewerbegebiet Langenhorst nicht nur eine neue Famila-Filiale errichten, sondern auch noch zwei Fachmärkte und eine Tankstelle auf ihrem Areal ansiedeln.
Das hat der Ausschuss für Planung und Verkehr in seiner jüngsten Sitzung beschlossen. „Damit entsteht praktisch ein neues Stadtteilzentrum, das außer dem Investor niemand braucht“, fällte Kai Jentsch, Inhaber der gleichnamigen Gärtnerei, ein vernichtendes Urteil.
Kaufleute protestierten gegen das Projekt
Mit dem Beschluss geht ein monatelanges Tauziehen um ein Projekt zu Ende, das die Stadt tief gespalten hat. Wie bereits berichtet, wollte Bartels-Langness laut erstem Entwurf auf dem Terrain am Redder nicht nur ihre veraltete Famila-Filiale ersetzen, sondern auch noch vier flankierende Fachmärkte bauen, auf einer Gesamtfläche von 10.750 Quadratmetern.
Dagegen regte sich von Beginn an massiver Protest, vor allem seitens der Händler im Stadtzentrum. In der Kritik stand insbesondere ein Verträglichkeitsgutachten der Cima Beratung + Management GmbH, das die Stadtverwaltung in Auftrag gegeben hat. Darin wurden zwar die Auswirkungen des Vorhabens auf die bestehenden 26 Betriebe des Lebensmittel- und Drogeriebereichs betrachtet, für die Umsatzverluste von rund 4,7 Prozent prognostiziert wurden, nicht aber der zu erwartende Kaufkraftabfluss für den gesamten Innenstadtbereich. Nach Gesprächen mit dem Ring Bargteheider Kaufleute und den Fraktionen der Stadtvertretung hatte Bela Mitte Juni bereits auf die Ansiedlung eines Discounters und eines Pflanzenmarkts verzichtet.
Nur noch zwei Fachmärkte und eine Tankstelle
Die Reduzierung der zu bebauenden Fläche auf 9100 Quadratmeter erschien einigen Ausschussmitgliedern dennoch nicht ausreichend. „Verständlich, hat dieser Ausschuss 2019 doch mehrheitlich beschlossen, in unserer Stadt neue Einzelhandelsprojekte nur in einer Maximalgröße von 6000 Quadratmeter zuzulassen“, so Grünen-Fraktionschefin Ruth Kastner. Deshalb sei auch die jetzt vorgelegte Modifikation des Vorhabens mit insgesamt 6700 Quadratmetern nicht akzeptabel.
Entgegen der ursprünglichen Planungen soll die neue Famila-Filiale statt 4200 nun 4100 Quadratmeter groß werden, inklusive 500 Quadratmetern Vorkassenbereich mit drei Shops. Davor sind ein Futterhaus-Fachmarkt und ein Möbelmarkt des Unternehmens Dänisches Bettenlager mit je 1250 Quadratmetern geplant, sowie eine Tankstelle mit Shop auf 50 Quadratmetern.
Bela-Geschäftsführer froh über „wunderbaren Kompromiss“
„Das ist doch ein wunderbarer Kompromiss“, befand Bela-Geschäftsführer Christian Lahrtz. Mit dem Verzicht auf den Bau- und Gartenmarkt habe das Unternehmen die Bedenken der Kaufleute im Stadtzentrum und der Fraktionen aufgegriffen und die Planungen daraufhin deutlich abgespeckt.
Für Argwohn sorgte indes eine mehr als 4000 Quadratmeter große graue Fläche zwischen den Fachmärkten und der Straße Lohe. „Werden wir schon bald darüber diskutieren, ob da nicht doch Platz für die beiden vorerst gestrichenen Fachmärkte ist?“, fragte ein Bürger.
Auf grauer Fläche ist Platz für kleinteiliges Gewerbe
Zumal gleich drei Stadtvertreter der SPD, der WfB und der CDU ihr außerordentliches Bedauern darüber zum Ausdruck brachten, dass Bela nun ausgerechnet auf den Baumarkt verzichte. Wo doch der Bargteheider Bürger gern mal durch Baumärkte streife, wie Sozialdemokrat Andreas Müller glaubhaft versicherte.
Nein, die grau markierte Schotterfläche sei nicht für eine Erweiterung der Fachmärkte vorgesehen, hieß es aus der dreiköpfigen Bela-Delegation. Dort soll Platz für kleinteiliges Gewerbe geschaffen werden. Eine Anregung, die unter anderem von den Grünen ins Spiel gebracht worden war, die am Ende dennoch als einzige Fraktion gegen die aktualisierte Planung stimmten.
Umsatzeinbußen von bis zu 13 Prozent prognostiziert
Unerklärlich blieb an diesem Abend auch, weshalb in der Beratung des Ausschusses das von Edeka Süllau in Auftrag gegebene Gutachten des renommierten Büros bulwiengesa überhaupt keine Rolle spielte. Das war nämlich zu deutlich anderen Ergebnissen hinsichtlich der Kaufkraftwirkung des Bela-Projekts gekommen als das Cima-Papier: Die zu erwartenden Umverteilungswirkungen im Kernsortiment „Periodischer Bedarf“ würden mit durchschnittlich minus 10 Prozent im zentralen Versorgungsbereich deutlich höher ausfallen, als von der Cima veranschlagt. Die Hauptwettbewerber müssten sogar mit Einbußen von bis zu 13 Prozent rechnen.
Damit sei das zu erwartende Verdrängungspotenzial „deutlich unterzeichnet“, den Gewerbetreibenden im Zentrum würden kontinuierlich Marktanteile verloren gehen. Der Bela-Komplex mit Fachmärkten und Tankstelle wirke somit als „vorgelagerten Abfangstandort“, der die wesentlichen Besuchs- und Einkaufsanlässe der Innenstadt weitgehend abdecke und damit ersetze.
>>> Lesen Sie hier auch den Kommentar von Abendblatt-Autor Lutz Kastendieck zum Thema:
Alle Risiken ausgeblendet
Dass Bargteheides Innenstadt unter einem neuen Einkaufszentrum am östlichen Ortseingang nicht leiden dürfe, war angeblich allen Parteien enorm wichtig. Umso unverständlicher ist, warum sie dem neuen Entwurf für das Famila-Areal dann mehrheitlich zugestimmt haben. Nicht nur die Landesplanungsbehörde hat ihre Bedenken vorgetragen. Auch die Gutachter des renommierten Büros bulwiengesa haben keinen Zweifel daran gelassen, dass die Ansiedlung von Fachmärkten am Redder für die Händler im Zentrum mit deutlich größeren Einbußen einhergehen dürfte, als zuvor prognostiziert.
Doch nicht einmal die kritischen Stimmen der eigenen Bürger konnte den Glauben des Gros der Ausschussmitglieder an das vermeintlich segensreiche Projekt erschüttern. Womit einmal mehr deutlich geworden ist, wie sich die politische Meinungsbildung immer öfter vom Willen der Wähler entkoppelt. Zumal der Ausschuss mit seinem Beschluss auch noch die eigene Glaubwürdigkeit untergraben hat. Im März 2019 hatte man sich dort darauf verständigt, neue Einzelhandelsprojekte nur in einer Größe von maximal 6000 Quadratmetern zuzulassen. Jetzt haben sie mal eben 6700 Quadratmeter durchgewinkt.
Als Lehre aus diesem monatelangen Gezerre wird im Gedächtnis bleiben, dass künftige Investoren nur möglichst viel Verhandlungsmasse in ihren Entwürfen haben müssen. Um die erwartbaren Streichwerte am Ende als „wunderbaren Kompromiss“ preisen zu können..