Ahrensburg/Bargteheide. In Ahrensburg ist kein Förderunterricht in den Sommerferien geplant. Landesweit macht jede fünfte Schule bei dem Projekt mit.
Die Beteiligung der Stormarner Schulen am Projekt „Lernsommer.SH“ ist offenbar äußerst gering. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte dazu aufgerufen, in den Ferien für ein oder zwei Wochen Unterricht für schwächere Schüler anzubieten. Damit sollen Lernlücken in den Hauptfächern Mathematik, Deutsch und Englisch geschlossen werden, die durch die wochenlangen Schulschließungen in der Corona-Krise entstanden sein können.
Teilnahme ist für die Kinder und Jugendlichen freiwillig
Laut Ministerium haben sich landesweit rund 140 von knapp 800 Schulen für das Projekt angemeldet. In Stormarns größter Stadt Ahrensburg macht allerdings nicht eine Einrichtung mit. Sowohl die beiden Gymnasien und die beiden Gemeinschaftsschulen als auch die vier Grundschulen haben sich dagegen entschieden. „Wir sind uns in den weiterführenden Schulen einig, dass wir zum Start ins neue Schuljahr entsprechende Angebote vorbereiten wollen“, sagt Gerd Burmeister, Leiter des Eric-Kandel-Gymnasiums. Dann könne die Zielgruppe auch besser erreicht werden.
Denn die Teilnahme am Lernsommer ist für die Kinder und Jugendlichen freiwillig, keiner kann dazu gezwungen werden. Eltern von Schülern, bei denen die Lehrer einen besonderen Nachholbedarf in den Sommerferien sehen, sollen mit den Zeugnissen entsprechende Briefe erhalten. „Niemand weiß, ob die Kinder überhaupt zu Hause sind und die Angebote wahrnehmen können – und wollen“, sagt Burmeister.
Es sei besser, sich auf den Neustart zu konzentrieren
Hinzu komme die knappe Vorbereitungszeit und ein erheblicher organisatorischer Aufwand. Beispielsweise werden die Gebäude in den Ferien nur eingeschränkt gereinigt, da kaum jemand da ist. Bei den verschärften Hygieneregeln müssten kurzfristig Reinigungsdienste akquiriert werden. Gerd Burmeister betont, dass individuelle Lernprobleme jederzeit besprochen werden können: „Selbstverständlich stehen wir für Beratungen immer zur Verfügung.“
Die vier Grundschulen in Ahrensburg schätzen die Situation ähnlich ein. „Nach der herausfordernden Zeit, in der so viel neu organisiert werden musste, haben alle Schüler und Lehrer eine Pause verdient“, sagt Sabine Knuth, Rektorin der Grundschule Am Reesenbüttel. Es sei besser, sich auf den Neustart zu konzentrieren. Mit der Offenen Ganztagsschule sei zudem die Betreuung der Kinder in der Ferienzeit gesichert.
Jugendarbeitsteam unterstützt Bargteheider Schulen
Sabine Walter, Leiterin der Grundschule Tannenweg in Glinde, sagte dem NDR: „Es kommen sowieso nur Kinder, wo die Eltern hinterher sind oder wo die Unterstützung von Zuhause da ist.“ Sie befürchte, dass sich die Familien, die es eigentlich nötig hätten, eher zurückzögen und die Lernlücke größer werde.
In Bargteheide können die Schulen bei der Umsetzung des Lernsommers auf die Verstärkung vom Jugendarbeitsteam (JAT) setzen, das wegen Corona diesmal keine zentrale Schulferienbetreuung organisiert. Das JAT unterstützt zudem die Carl-Orff- und die Emil-Nolde-Schule bei deren Kinderbetreuung.
Land stellt für das Projekt fünf Millionen Euro bereit
Die Stormarner Kreisverwaltung weist darauf hin, dass Kooperationen möglich sind. „Es dürfen auch Kinder aus unterschiedlichen Schulen gemeinsam unterrichtet werden“, sagt Sprecher Michael Drenckhahn. Das sei zunächst fraglich gewesen.
Das Land hat für den Lernsommer, der für die ersten bis zehnten Klassen gedacht ist, fünf Millionen Euro bereitgestellt. Mit dem Geld sollen Lehrer zusätzlich bezahlt werden und auch Lehramts-Studenten, die zur Unterstützung einspringen. Darüber hinaus erhalten die teilnehmenden Schulen ein Budget, um externe kulturelle oder sportliche Angebote einbinden zu können. Über das Programm entscheiden die Schulen weitgehend selbst. So können sie mehrere Stunden pro Tag oder auch drei Tage Unterricht und zwei Tage mit anderem Programm machen.
Bildungsministerium arbeitet nun am genauen Programm
Das Projekt soll vor allem Kinder und Jugendliche fördern, für die das Homeschooling in den vergangenen Wochen wegen der sozialen und finanziellen Bedingungen in der Familie schwierig war. Die Anmeldefrist endete am Freitagnachmittag. Bis in die nächste Woche hinein werde mit dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) geplant, wer in welchem Umfang teilnehme, so David Ermes, Sprecher des Bildungsministeriums. „Ich gehe davon aus, dass wir zum Ende der kommenden Woche einen Zwischenstand haben und mit den Schulen in der Woche vor den Ferien das endgültige Angebot vorstellen können“, sagt er.
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Stormarner Eltern- und Gewerkschaftsvertreter hatten bereits im Vorfeld bezweifelt, dass man ausgerechnet in den Ferien lernschwache Kinder in die Schule locken könne. Diese Einschätzung teilt der Reinbeker Landtagsabgeordnete Martin Habersaat, selbst ausgebildeter Lehrer und bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Ob die Teilnehmenden die sein werden, die zu Hause nicht die besten Voraussetzungen zum Lernen und zum digitalen Unterricht vorfinden, steht in den Sternen.“
Reinbeker SPD-Abgeordneter: Mehrzahl wird nicht erreicht
Es wäre besser, darüber nachzudenken, wie man mit Defiziten zum Beginn des nächsten Schuljahres umgehe. „Grundsätzlich ist es ja eine gute Idee, versäumten Stoff nachzuholen“, sagt Habersaat. Dann folgt sein großes Aber: „Der Lernsommer erreicht die große Mehrzahl der Schüler überhaupt nicht.“
Einen weiteren Grund dafür, dass landesweit 80 Prozent der Schulen nicht mitmachten, sieht Habersaat in der Kommunikation des Ministeriums. „In den vergangenen Monaten gab es laufend kurzfristige Anordnungen, und jetzt sollen die Schulen innerhalb weniger Wochen nebenbei wieder etwas komplett Neues auf die Beine stellen.“ Etliche Fragen seien ungeklärt, beispielsweise die Bezahlung der Lehrer.