Trittau. BGT-Fraktion verlässt nach abgelehntem Antrag die Gemeindevertretung. Diese geht ohne Abstimmung über neun Projekte zu Ende.

Die Bürgergemeinschaft Trittau (BGT) hat in der Gemeindevertretung für einen Eklat gesorgt. Im Vorfeld hatten sich alle Fraktionen darauf verständigt, die Zahl der Teilnehmer wegen des Coronavirus von 24 auf 13 zu reduzieren. Somit waren in der Halle der Tennisanlagen mehr als die zur Beschlussfähigkeit erforderliche Hälfte der Mitglieder versammelt. Viele der 17 Punkte auf der Tagesordnung stammten noch aus der vorigen Sitzung. In dieser war die Diskussion um einen neuen Jugendbeirat derart ausgeufert, dass alle anderen Anliegen vertagt wurden.

BGT-Mann Peter Sierau beantragt sofortige Beendigung der Sitzung

Doch bevor die Gemeindevertreter ihre Arbeit aufnehmen konnten, stellte Peter Sierau (BGT) den Antrag, die Sitzung direkt zu beenden. Als Grund gab er an, sie könne „nicht ordnungsgemäß stattfinden, weil nur die Fraktionsvorsitzenden bestimmt haben, wer teilnehmen darf“. Dieser Aussage widersprach Bürgervorsteherin Ulrike Lorenzen (CDU), Bürgermeister Oliver Mesch verwies auf die interfraktionellen Absprachen zwischen den Fraktionsvorsitzenden. Sie seien durch die Corona-Pandemie bedingt und „rechtlich absolut korrekt“.

Peter Lange, Fraktionsvorsitzender der SPD, äußerte Kritik an den Arbeitsbedingungen: Ihm stehe weder ein Tisch zu Verfügung noch habe er Internetempfang, die Akustik sei zu schlecht, um allen Wortbeiträgen folgen zu können.

Sabine Paap wehrte sich gegen Kritik anderer Gemeindevertreter

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Jens Hoffmann, führte weitere Gründe für den Unmut von Lange und Sierau an: SPD und BGT hätten Eilanträge eingereicht, über die abgestimmt werden sollte – so die Absprache. Dabei hatten sie übersehen, dass laut Paragraf 34 der Gemeindeordnung dringliche Anträge nur dann auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn eine Zweidrittelmehrheit aller Gemeindevertreter dafür stimmt. Doch die dafür erforderlichen 18 waren nicht anwesend, die Absprache hinfällig.

Sollte für Simone von Pein im Kulturausschuss nachrücken: Bernd Marzi (l.) mit Peter Lange. Doch der Eilantrag der SPD in dieser Sache schaffte es nicht auf die Tagesordnung.
Sollte für Simone von Pein im Kulturausschuss nachrücken: Bernd Marzi (l.) mit Peter Lange. Doch der Eilantrag der SPD in dieser Sache schaffte es nicht auf die Tagesordnung. © Elvira Nickmann

Sabine Paap, Fraktionsvorsitzende der Grünen, war kurz vor der Zusammenkunft auf den Passus im Gesetz gestoßen. Dafür, dass sie auf ein korrektes Vorgehen bestand, wurde sie von anderen Parteien scharf angegriffen. Paap sagte: „Es ist abstrus, mir vorzuwerfen, dass ich mich an Gesetze halte.“ Sie habe nicht wissentlich rechtswidrige Beschlüsse fassen wollen.

Inhalt des Eilantrags der SPD war das Nachrücken von Bernd Marzi (SPD) für Simone von Pein in den Sozial-, Sport- und Kulturausschuss. Die Ortsvereinsvorsitzende hatte am 6. Mai aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig ihren Rückzug von allen Parteiämtern erklärt. Marzi saß schon einmal im Ausschuss, legte sein Amt aber 2018 nieder. Den Verlauf der Sitzung verfolgte er mit Gelassenheit: „Die rechtliche Situation ist, wie sie ist. Ich kann damit leben.“

Bürgergemeinschaft wollte Autokino auf Schützenplatz ermöglichen

Die BGT wiederum wollte mit ihrem Eilantrag eine Sondergenehmigung zur Nutzung des Schützenplatzes für ein kommerzielles Autokino im Sommer erreichen. Die Veranstalter planten tägliche Filmvorführungen mit bis zu 80 Autos über vier Wochen. Spätestens um 1 Uhr nachts sollten diese beendet sein.

Peter Sierau und seine Fraktionskollegen ließen sich auch nicht auf den Vorschlag ein, diesen Antrag hilfsweise unter dem Punkt „Mitteilungen“ zu behandeln. So hätte die Versammlung zumindest ein Votum in dieser Sache als Entscheidungsgrundlage für die Verwaltung abgeben können. Da die Debatte offensichtlich zu keiner Einigung führte, beantragte Paap, sie zu beenden und abzustimmen.

Der Antrag auf Beendigung der Sitzung wurde mit sieben (CDU, Grüne) zu sechs Stimmen (BGT, SPD) abgelehnt. Daraufhin verließ die BGT-Fraktion geschlossen den Saal. Da die Beschlussfähigkeit zuvor schon festgestellt worden war, hätten die Runde weiter tagen können. SPD-Vertreter Lange beantragte jedoch, die Beschlussfähigkeit erneut zu prüfen. Da sie nicht mehr gegeben war, war die Sitzung zu Ende.

Gemeinde unternimmt dritten Anlauf für ordnungsgemäße Sitzung

Peter Sierau sagte später: „Uns war bewusst, was wir damit auslösen, dass wir die Sitzung verlassen.“ Könnten Änderungen der Tagesordnung nicht beschlossen werden, seien vielleicht auch andere Entscheidungen rechtlich angreifbar. „Ich habe da ein komisches Gefühl, die Demokratie liegt mir am Herzen“, so Sierau.

Die Vorsitzende der Gemeindevertretung, Bürgervorsteherin Ulrike Lorenzen (CDU), hatte kein Verständnis für das Verhalten der BGT.
Die Vorsitzende der Gemeindevertretung, Bürgervorsteherin Ulrike Lorenzen (CDU), hatte kein Verständnis für das Verhalten der BGT. © Elvira Nickmann

CDU-Frau Ulrike Lorenzen sah die Sache anders: „Ich habe keinerlei Verständnis dafür, dass man in dem Bewusstsein, dass wichtige Beschlüsse zu fassen sind, die Sitzung verlässt.“ Das Verhalten von BGT und SPD löse enormen Frust bei kommunalpolitisch engagierten Ehrenamtlichen aus. „Wir unternehmen bereits den dritten Anlauf für eine ordnungsgemäße Sitzung der Gemeindevertretung“, so Lorenzen. „Wie viel Lebenszeit geht da verloren.“

Grüne, CDU und Bürgermeister empört über verantwortungsloses Verhalten

Bürgermeister Oliver Mesch sagte: „Ich bin konsterniert über ein so verantwortungsloses Verhalten. Wir haben die Sitzung zum jetzigen Zeitpunkt möglich gemacht, weil ganz wichtige Punkte auf der Tagesordnung standen.“ Würden diese nicht zügig abgearbeitet, verzögere sich unter anderem der geplante Neubau einer dringend benötigten Kita. Zuvor hatte Mesch in der Sitzung die Verantwortung dafür übernommen, dass die Vorgabe einer Zweidrittelmehrheit aller Gemeindevertreter zur Zulassung von Eilanträge übersehen worden war, und sich dafür entschuldigt. Er sagte: „Das ist dumm gelaufen, aber der Corona-Situation geschuldet.“ Das ließ Peter Lange jedoch nicht gelten. Er müsse sich auf die Rechtmäßigkeit der Aussagen des Bürgermeisters bei Absprachen verlassen können, sagte er. „Ich musste davon ausgehen, dass alles gecheckt ist.“ Zudem müssten die Rahmenbedingungen stimmen, was nicht gegeben gewesen sei.

Paap zeigte sich nach Ende der Sitzung enttäuscht. „Sie war lange vorbereitet und durch etliche Telefonkonferenzen abgestimmt. Wir waren der Meinung, dass es zügig vorangehen würde.“ Es stehe nicht im Belieben eines Mitglieds zu entscheiden, ob es teilnehme oder nicht. Ihr Fazit nach den Geschehnissen: „Ich wünsche mir mehr Sachlichkeit in der Diskussion. Der nötige Diskurs um das Wohl der Gemeinde und die besten Lösungen findet ja gar nicht statt.“

Wer ohne triftigen Grund fehlt, begeht Ordnungswidrigkeit

Jens Hoffmann von der CDU sagte: „Ich bin erschrocken über die Unverantwortlichkeit, die sich BGT und letztlich auch SPD geleistet haben.“ Es sei Sache der Verwaltung, dem Ganzen jetzt nachzugehen.

Laut Paragraf 134 der Gemeindeordnung begeht jeder Gemeindevertreter, der „ohne triftigen Grund“ einer Sitzung fernbleibt, eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann mit einer Geldbuße geahndet werden. Derartige Ordnungswidrigkeiten kann der Bürgermeister nur auf Antrag der Gemeindevertretung verfolgen. Ob dieser bei der nächsten Sitzung am 4. Juni (19 Uhr) gestellt wird, ist jedoch fraglich.