Lübeck/Travenbrück. Prozess am Landgericht Lübeck war für rund einen Monat unterbrochen, wird jetzt mit einer Reihe von Schutzmaßnahmen fortgesetzt.

Mit verschärften Sicherheitsvorkehrungen wegen der Coronapandemie ist am Dienstag der Prozess im Mordfall Ivonne Runge fortgesetzt worden. Rund einen Monat war das Verfahren vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Lübeck wegen der Ausbreitung des Virus und der damit verbundenen Anordnungen zum Infektionsschutz unterbrochen gewesen.

Angeklagter muss Schutzbrille und Gesichtsmaske tragen

Angeklagt ist der Ex-Freund der getöteten Frau aus Schlamersdorf. Er hat zu Prozessbeginn gestanden, die 39-Jährige nach einem Streit getötet zu haben. Seiner Aussage zufolge hat er die Frau am späten Abend des 25. Oktober 2017 an einer Bushaltestelle in ihrem Heimatort erwürgt, die Leiche dann in einem Waldstück bei Hammoor versteckt. Dort war sie erst eineinhalb Jahre später, im Frühjahr 2019, entdeckt worden.

Statt im Gerichtsgebäude an der Schwartauer Landstraße in Lübeck wird nun in der Außenstelle im Stadtteil Blankensee verhandelt. Besucher können den Prozess weiterhin verfolgen, allerdings nur in geringer Zahl. Zehn Sitzplätze stehen in Saal A zur Verfügung, alle sind mit dem erforderlichen Mindestabstand von 1,50 Meter voneinander getrennt. Bereits 20 Minuten vor Verhandlungsbeginn sind alle Stühle belegt. „Wir sind voll“, ruft eine Mitarbeiterin des Gerichts. Mehrere Angehörige des Opfers werden daraufhin nicht mehr ins Gebäude gelassen, müssen vor der Tür warten.

Angeklagter wird in Schutzausrüstung in Gerichtssaal gebracht

Staatsanwalt Niels-Broder Greve wirft dem Angeklagten vor, seine Ex-Freundin Ivonne Runge aus Schlamersdorf ermordet zu haben.
Staatsanwalt Niels-Broder Greve wirft dem Angeklagten vor, seine Ex-Freundin Ivonne Runge aus Schlamersdorf ermordet zu haben. © Janina Dietrich

Wegen der Coronapandemie müssen die Zuschauer nach der normalen Einlasskontrolle einen doppelseitigen Fragebogen ausfüllen. Dort werden unter anderem persönliche Daten abgefragt. Zudem müssen Fragen zu Aufenthalten in Risikogebieten und möglichen Coronasymptomen beantwortet werden. „Damit wir Sie schnell kontaktieren können, wenn ein Coronafall auftreten sollte“, erklärt eine Beamtin.

Der Angeklagte wird in Schutzausrüstung in den Gerichtssaal gebracht. Stefan B. trägt Mund- und Nasenmaske, dazu eine Schutzbrille und weiße Schutzhandschuhe. Die Justizvollzugsbeamten nehmen ihm die Handschellen im Gerichtssaal wie gewohnt ab, die Schutzkleidung bleibt jedoch unangetastet. „In der JVA wurde extra noch mal betont, dass ich nichts abnehmen darf“, erklärt der Angeklagte dem Richter, der wie alle anderen Verfahrensbeteiligten keinen besonderen Schutz trägt. Immer wieder müssen sie bei Aussagen des Angeklagten nachhaken, weil er unter der Maske nur schwer zu verstehen ist.

Urteil soll am Dienstag, 21. April, verkündet werden

Dass der Prozess am Dienstag erneut ins Stocken gerät, liegt aber nicht an der Coronapandemie. Verteidigerin Astrid Denecke, die eigentlich ihr Plädoyer halten soll, stellt zwei weitere Anträge an das Gericht. Sie fordert unter anderem Einsicht in den WhatsApp-Chatverlauf zwischen ihrem Mandanten und Ivonne Runge in den Tagen vor der Tat.

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Dieser sei im Prozess zwar vorgelesen worden, mögliche mitgeschickte Fotos seien aber nicht gezeigt worden. „Mein Mandant will sie in Augenschein nehmen, um anhand der Bilder seine Erinnerung aufzufrischen und mehr Licht in damalige Gespräche zu bringen“, sagt die Anwältin. Darum hatte sie den Richter bereits im Vorfeld telefonisch gebeten. Durch ein Missverständnis ist am Dienstag allerdings das falsche Handy im Gerichtssaal, das benötigte Modell befindet sich beim Landeskriminalamt in Kiel. Es soll nun bis zum morgigen Donnerstag, 16. April, nach Lübeck gebracht werden. Dann soll der Prozess fortgesetzt werden, erneut sind die Plädoyers von Verteidigung und Nebenklage vorgesehen.

„Ich will so viel machen, wie es geht“, sagt der Vorsitzende Richter Christian Singelmann. Das Urteil will er weiterhin am Dienstag, 21. April, verkünden. Denn Ersatztermine zu finden, ist derzeit nicht so leicht. Wegen der Coronapandemie steht für große Verhandlungen nur der Gerichtssaal in der Außenstelle zur Verfügung.

Staatsanwalt hält Geständnis des Angeklagten für unglaubwürdig

Staatsanwalt Niels-Broder Greve hatte bereits vor der coronabedingten Unterbrechung des Prozesses eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes für den Angeklagten gefordert. Für ihn sei das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe erfüllt, sagte der Vertreter der Anklagebehörde in seinem Plädoyer. Stefan B. habe seine Ex-Freundin „aus Wut und Verärgerung darüber getötet, dass sie sich von ihm getrennt und einem neuen Mann zugewandt hatte“.

In seinem Plädoyer machte der Staatsanwalt deutlich, dass er das Geständnis des Angeklagten für unglaubwürdig hält. Er geht davon aus, dass der Tankstellenpächter Ivonne Runge bereits in seinem Haus in Rümpel getötet hat. Die Tat habe er vorher geplant und zu diesem Zweck bereits im Vorfeld den späteren Ablageort der Leiche nahe dem Autobahnkreuz Bargteheide ausgekundschaftet, so Greve weiter. Der Angeklagte bestreitet dies.