Lübeck/Travenbrück. Staatsanwalt fordert Verurteilung wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen. Er hält Geständnis des Stormarners für unglaubwürdig.

„Der Angeklagte hat die Tat geplant und vorbereitet“ – davon ist Staatsanwalt Niels-Broder Greve im Fall Ivonne Runge überzeugt. Der Vertreter der Anklagebehörde hat in seinem Plädoyer am Mittwoch gefordert, den Ex-Freund der getöteten Frau aus Schlamersdorf zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Seiner Auffassung nach ist das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe erfüllt. Stefan B. habe die 39-Jährige „aus Wut und Verärgerung darüber getötet, dass sie sich von ihm getrennt und einem neuen Mann zugewandt hatte“. Gefühle, für die Ivonne Runge ihm keinen Anlass gegeben habe.

Der Angeklagte will die Frau an Bushaltestelle getötet haben

Staatsanwalt Niels-Broder Greve geht davon aus, dass der Angeklagte die Tat geplant hat.
Staatsanwalt Niels-Broder Greve geht davon aus, dass der Angeklagte die Tat geplant hat. © Janina Dietrich

Der Tankstellenbetreiber hatte zu Beginn des Prozesses vor dem Landgericht Lübeck gestanden, die Frau am späten Abend des 25. Oktober 2017 erwürgt zu haben. Nach einem Streit seien ihm die Sicherungen durchgebrannt und er habe sie nahe der Bushaltestelle in ihrem Heimatort Schlamersdorf mitten auf der Straße getötet. Dann habe er die Leiche auf dem Beifahrersitz ihres Autos deponiert und sei zunächst ziellos umhergefahren, bevor er sie schließlich in einem Waldstück bei Hammoor abgelegt habe. Dort waren die sterblichen Überreste erst eineinhalb Jahre später, im Frühjahr 2019, gefunden worden.

Staatsanwalt Niels-Broder Greve hält diese Aussagen für unglaubwürdig. Der Angeklagte habe während der Hauptverhandlung seine Einlassungen „immer wieder angepasst“. So habe er beispielsweise zunächst behauptet, Ivonne Runge nur im Stehen gewürgt zu haben. Stefan B. sagte, noch das Bild vor Augen zu haben, wie sie zusammengesackt sei, er dann ihren Puls gefühlt habe. Als die Gerichtsmedizinerin diese Variante als unmöglich bezeichnete, sagte er, sie vielleicht auch noch am Boden liegend gewürgt zu haben.

Widersprüchlich sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch seine Aussagen zum Ablageort der Leiche. Wenige Stunden vor der Tat war das Handy des Angeklagten am Pendlerparkplatz nahe dem Autobahnkreuz Bargteheide registriert worden. Greve ist überzeugt, dass der 40-Jährige die Stelle ausgekundschaftet hat. Stefan B. bestreitet das. Er sagte zunächst, sich dort ausgeruht und SMS geschrieben zu haben. Später dann, einige Zeit im Auto gedöst zu haben.

Staatsanwalt: Ivonne Runge wurde in Rümpel getötet

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte Ivonne Runge bereits in seinem Haus in Rümpel getötet und dies im Vorfeld auch so geplant hatte. Für die Entsorgung der Leiche habe er sich spezielle Plastiksäcke besorgt, die nur an Betriebe der Mineralölwirtschaft ausgegeben werden. Um seine Spuren zu verwischen, sei er nach dem Mord nach Schlamersdorf gefahren, um dort ihr Handy zu deponieren.

An der Bushaltestelle war Stefan B. gegen 23.17 Uhr von einem Zeugen gesehen worden. Dieser hatte vor Gericht ausgesagt, einen Mann am Steuer wahrgenommen zu haben, aber keine Frau auf dem Beifahrersitz. Die zeitliche Rekonstruktion habe ergeben, dass „der Zeuge den Angeklagten eigentlich bei der Tötung hätte sehen müssen, wenn diese in Schlamersdorf erfolgt wäre“, sagt Greve. Unglaubwürdig sei auch die Aussage von Stefan B., Ivonne Runge habe sein Haus an diesem Abend über die Terrasse verlassen. „Das ergibt keinen Sinn“, so der Anklagevertreter. Dass er ihre Leiche über diesen Weg aus der Wohnung geschafft habe, dagegen schon. Denn durch die Haustür sei dies nicht möglich gewesen, weil ein Nachbar den Eingang per Videokamera überwacht hatte. Eine Tatsache, die Stefan B. bewusst gewesen sei.

Der Prozess wird am 23. März fortgesetzt

Für den Angeklagten sei es an dem Abend darum gegangen, „die endgültige Trennung von Ivonne Runge zu verhindern“, so Greve. „Nach dem Motto: Wenn ich dich nicht haben kann, dann auch kein anderer.“ In den Wochen vor ihrem Tod habe er ein „hohes Maß an krimineller Energie“ gezeigt. Er habe sie überwacht, sich eine Spionagesoftware angeschafft und auch ein Fake-Profil im Internet eingerichtet, um ihren neuen Freund schlecht zu machen.

Zuletzt sei die einzige Verbindung zwischen den ehemaligen Lebenspartnern nur noch ein abgeschlossener Kaufvertrag für eine Immobilie gewesen. Ivonne Runge habe vehement eine Rückabwicklung gefordert, sei vom Angeklagten aber immer wieder vertröstet worden. „An jenem Abend hätte der Angeklagte ihr sagen müssen, dass er sich entgegen seiner Behauptungen um nichts gekümmert und sie wieder einmal angelogen hatte“, sagt Greve.

Der Prozess wird am Montag, 23. März, mit den Plädoyers der Nebenklage und der Verteidigung fortgesetzt. Am Mittwoch hatte die Anwältin des Angeklagten, Astrid Denecke, zunächst mit zwei Anträgen für Verzögerungen gesorgt. Ihr Mandant lehne die psychiatrische Sachverständige „wegen Besorgnis der Befangenheit“ ab, sagte sie.

Gutachterin befangen? Richter weisen Antrag zurück

„Die Sachverständige hat ihre Objektivität verloren und die Angaben meines Mandanten in unzulässiger Weise interpretiert, nur um ihre frühzeitig erstellte Hypothese aufrecht zu erhalten“, so Denecke. Die Frau verfüge nicht über ausreichend Sachkunde, um über Schuldfähigkeit zu entscheiden. Die Sachverständige war in ihrem Gutachten zu der Auffassung gekommen, dass Stefan B. voll schuldfähig und die Tat nicht im Affekt geschehen sei. Die Richter wiesen die Ablehnung als unbegründet zurück. „Wir haben keinen Zweifel an ihrer Sachkunde“, sagte der Vorsitzende Christian Singelmann. Nur weil der Angeklagte mit dem Ergebnis nicht zufrieden sei, sei das kein Grund, von einer Befangenheit der Sachverständigen auszugehen.