Ahrensburg. Die Eltern werden entlastet, die Betreuungsqualität wird steigen. Doch das Gros der Kosten müssen nach wie vor die Kommunen tragen.

Für Familienminister Heiner Garg ist die vom Schleswig-Holsteinischen Landtag gerade verabschiedete Kita-Reform 2020 eines der größten und wichtigsten Projekte der Landesregierung: „Sie sorgt für eine finanzielle Entlastung der Familien, schafft mehr Qualität in den Einrichtungen und bedeutet den Einstieg in eine transparente und faire Lastenverteilung“, preist Garg das Gesetz, das am 1. August 2020 in Kraft tritt. Dieses überschwängliche Lob wird in Stormarn indes längst nicht uneingeschränkt geteilt. Für viele Bürgermeister ist die Reform nur in Teilen ein Erfolg. Von einer nachhaltigen Entlastung der Kommunen könne überhaupt keine Rede sein.

Maximal 141 Euro für eine fünfstündige Betreuung

„Das Gesetz ist gut für die Eltern und gut für die Standards in den Einrichtungen. Aber diese durchaus positiven Aspekte haben auch ihre Schattenseiten“, sagt Oststeinbeks Bürgermeister Jürgen Hettwer. Denn auf Sicht hätten die Kommunen eine größere finanzielle Last zu tragen, die durch das Land nur partiell ausgeglichen werde.

Verlangten einzelne Kommunen bislang Elternbeiträge von bis zu 700 Euro pro Monat und mehr, so gilt ab 1. August kommenden Jahres eine Obergrenze. Für Kinder über drei Jahre dürfen monatlich maximal 141 Euro für eine fünfstündige Betreuung erhoben werden, für acht Stunden sind es 226 Euro. In der Krippenbetreuung für Kinder unter drei Jahren sind die Beiträge künftig auf 180 Euro pro Monat für fünf und 288 Euro für acht Stunden gedeckelt.

Hohe Standards bedeuteten in Bargteheide hohe Elternbeiträge

Stormarns Landrat Henning Görtz (l.) mit unzufrieden Bürgermeistern und Vertretern von Gemeinden. 
Stormarns Landrat Henning Görtz (l.) mit unzufrieden Bürgermeistern und Vertretern von Gemeinden.  © Eileen Meinke

In der laufenden Legislaturperiode wird sich die Förderung des Landes zwar von durchschnittlich rund 2000 Euro pro Kind im Jahr 2017 auf rund 4400 Euro im Jahr 2022 mehr als verdoppeln. Womit rein formal gesehen der Kostenanteil der Gemeinden auf 39 Prozent sinkt. Allerdings nur, wenn dabei das so genannte Standard-Qualitäts-Kosten-Modell (SQKM) zugrunde gelegt wird. Darüber hinaus gehende Angebote und Standards müssen die Kommunen oder Träger jedoch als freiwillige Leistungen selbst finanzieren.

„Bargteheide war in Sachen Qualität und Angebote bislang einer der Vorreiter im Kreis“, sagt Verwaltungschefin Birte Kruse-Gobrecht. Hohe Standards hätten aber zugleich hohe Elternbeiträge bedeutet. „Wenn diese jetzt gedeckelt werden, ist das für die Stadt ein Schlag ins Kontor, der durch das Land nicht ausreichend kompensiert wird“, sagt Kruse-Gobrecht. Dadurch steige der kommunale Anteil der Kitafinanzierung und damit die Belastung des Haushalts.

Lütjensees Bürgermeisterin rechnet mit Unterdeckung von rund 500.000 Euro

Das bestätigt auch Ulrike Stentzler, die Bürgermeisterin von Lütjensee. Sie sagt: „Wir Gemeinden müssen die finanziellen Lücken ausgleichen, das stellt uns vor große Probleme.“ Bei der Haushaltsplanung habe die Kommune nur die Werte der vergangenen Jahre ansetzen können. Deshalb rechne sie bei 140 bis 160 Kita-Plätzen mit einer Unterdeckung von rund 500.000 Euro.

Dass Familienminister Heiner Garg von einem zuvor „umfangreichen Beteiligungsprozess“ spreche, könne sie zwar bestätigen. Doch habe sie den Eindruck gewonnen, dass sich das Ministerium „zuvor längst auf alles festgelegt hatte“. Dabei bleibe allzu vieles ungewiss und sei noch immer nicht klar geregelt.

Von der Drittelung der Kosten noch immer weit entfernt

„Von der einst versprochenen Drittelregelung der Kita-Kosten durch Bund, Land und Kommune sind wir nach wie vor weit entfernt“, sagt Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß. Tatsächlich dürfte der Anteil der Kommunen auch nach der Reform bei durchschnittlich 45 Prozent liegen. Damit sei eines der Hauptziele der Reform deutlich verfehlt worden. „Es ist im Laufe der Debatten von einer ,wesentlichen Entlastung’ zur Kostendämpfung geschrumpft. Da haben wir uns mehr erhofft“, so Voß.

Wie viele seiner Kollegen kritisiert er zudem, dass es nicht gelungen sei, das System von einer Pro-Kopf- auf eine Gruppenfinanzierung umzustellen. Das erschwere nicht zuletzt die Gruppenplanung selbst. „Können wir Kindern aus dem Umland im Frühjahr noch freie Plätze überlassen, wenn wir schon wissen, dass Eltern aus der eigenen Kommune im Herbst Plätze für ihre Kinder einfordern werden“, fragt Voß.

Kleine Träger könnten sich wegen Finanzen zurückziehen

Solche Fragen treiben auch Thomas Schreitmüller, den Verwaltungschef der Gemeinde Barsbüttel, um. Wer trägt die Kosten für die von vielen Eltern gewünschte Ausweitung der Betreuungszeiten? Woher kommt das Geld für den notwendigen Kapazitätsausbau der Einrichtungen? Und wie soll angesichts des akuten Fachkräftemangels der neue, absolut wünschenswerte Betreuungsschlüssel mit zwei Erzieherinnen pro Gruppe sichergestellt werden? „In Ahrensburg musste gerade eine Gruppe schließen“, berichtet Schreitmüller. Er gehört zu den größten Kritikern des Reformwerks: „Wenn ich mir überlege, dass Vertreter des schleswig-holsteinischen Gemeindetages und der freien Träger in etwa 20 Sitzungen 40 Seiten Vorschläge zur Reform erarbeitet haben und was davon letztlich im Gesetz berücksichtigt wurde, dann ist das Ergebnis schlicht ernüchternd.“

Schreitmüller rechnet schon im Frühjahr mit ersten „Verwerfungen“, wenn die Finanzvereinbarungen mit den freien Trägern anstehen. DRK und Kirchen könnten ihre Kita-Angebote womöglich querfinanzieren. „Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich kleinere Träger, wie etwa Elterninitiativen, ganz zurückziehen, weil für sie die Finanzausstattung seitens der Kommunen völlig unzureichend ist“, erklärt Schreitmüller.

Für Trittaus Bürgermeister Oliver Mesch ist ein wesentlicher Teil des Reformversprechens am Ende nicht eingelöst worden. „Es bleibt völlig unklar, mit wie viel Geld die Kommunen in die Kita-Finanzierung gehen müssen“, sagt Mesch. Das zugrunde gelegte Kostenmodell sei wie ein „Rasenmäher“, weil es die realen Kosten überhaupt nicht abbilde. „Wir haben jetzt mit den Ansätzen von 2019 geplant, obwohl schon absehbar ist, dass durch die erheblichen Mehrkosten ein Nachtragshaushalt unausweichlich wird“, so Mesch. Das aber habe mit einer seriösen, vorausschauenden Finanzplanung rein gar nichts zu tun.