Ahrensburg. Gegner des Bahnprojekts wollen keine Güterzüge in Wohngebieten und werben für Strecke an der A 1. Unterstützung vom Verein Jordsand.
Der Naturschutzverein Jordsand erwägt, gegen die geplante S-Bahnlinie 4 von Hamburg bis Bad Oldesloe zu klagen. Das kündigte Rolf de Vries, Referent für das Naturschutzgebiet Stellmoor-Ahrensburger Tunneltal, am Montagabend bei einer Informations- und Diskussionsveranstaltung in der Ahrensburger Stadtbücherei an. Er sagt: „Wir müssen jede Chance nutzen, mit der wir das Projekt noch verhindern können. Dafür wären wir auch bereit, den Klageweg zu bestreiten.“
Die „Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck“ hatte unter dem Titel „S 4 – Fluch oder Segen?“ sechs Referenten nach Ahrensburg eingeladen, die dem Milliardenprojekt allesamt kritisch gegenüberstehen. Befürworter wie Vertreter der Deutschen Bahn oder Landespolitiker aus Hamburg und Schleswig-Holstein kamen bei der dreistündigen Veranstaltung nicht zu Wort, was auch einige der rund 150 Besucher kritisierten.
Güterzüge sollen entlang der Autobahn fahren
Claus-Peter Schmidt, Vorsitzender der Bürgerinitiative, macht gleich zu Beginn seinen Standpunkt deutlich. „Das Projekt ist nicht zukunftsfähig“, sagt er. „Güterzüge sollen durch dicht besiedelte Wohngebiete fahren. Die Bevölkerung wird mit Lärm gestört. Das wäre nicht nötig, würden die Gleise an die A 1 verlegt.“ Der Verein möchte, dass Güter-, Fern- und zum Teil auch Regionalzüge künftig auf einer neuen Strecke parallel zur Autobahn fahren und die Bestandsstrecke ausschließlich von der S 4 und eventuell einigen Regionalzügen genutzt wird. Dann wäre der geplante Bau von zwei zusätzlichen Gleisen von Hamburg-Hasselbrook bis zum Regionalbahnhof Ahrensburg auf 17 Kilometer Länge und eines weiteren Gleises bis Ahrensburg-Gartenholz (drei Kilometer) nicht mehr nötig, argumentiert Schmidt.
Der Münchener Verkehrsplaner Martin Vieregg hat diese Variante im Auftrag der Bürgerinitiative untersucht. Er betont bei seinem Vortrag in der Ahrensburger Stadtbücherei die positiven Auswirkungen. Etwa auf den Fernverkehr, der schneller von Lübeck nach Hamburg käme. Bei der Finanzierung müsste dann der Bund stärker beteiligt werden, was wiederum positiv für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein sei, so Vieregg weiter.
Juristin sieht gute Chance für Klage gegen die S 4
Auch für Orte wie Großhansdorf, Barsbüttel, Glinde und Oststeinbek hätte diese Variante seiner Ansicht nach Vorteile. „Wir würden die neue Bahnstrecke in der Nähe von Siedlungsgebieten in einem Lärmtunnel verschwinden lassen und so den Lärmschutz an der Autobahn gleich mit verbessern“, verspricht Vieregg. „Ein weiterer positiver Aspekt wäre, dass wir in diesen Bereichen neue Regionalbahnhöfe bauen und den Anwohnern dadurch einen besseren Anschluss an den Öffentlichen Personennahverkehr bieten könnten.“
Auf dieses Argument konzentriert sich auch Diplom-Informatiker Peter Knoke aus Plön. Er verspricht für Anwohner an der A 1 mit der Variante der Bürgerinitiative „erhebliche Fahrzeitverbesserungen in Richtung Lübeck und Hamburg“. Mit einer Anpassung der Buslinien hat er für Menschen, die am Barsbütteler Rathaus starten, eine Zeitersparnis von 16 Minuten nach Hamburg und 51 Minuten nach Lübeck errechnet.
Die Deutsche Bahn lehnt diese Variante ab. Auch der Landtag in Schleswig-Holstein und die Hamburgische Bürgerschaft haben sich in diesem Jahr mit breiter Mehrheit für den Bau auf der geplanten Trasse ausgesprochen. Den Plänen zufolge sollen Ende 2027 die ersten S-Bahnen von Hamburg über Ahrensburg bis nach Bad Oldesloe rollen.
Projekt könnte sich um mehrere Jahre verzögern
Nach dem Plan der Deutschen Bahn sollen Ende 2027 die ersten S-Bahnen von Hamburg über Ahrensburg und Bargteheide bis nach Bad Oldesloe rollen. Die Bürgerinitiative will das verhindern und dafür auch vor das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig ziehen. Anwältin Suzan Goldschmidt hat den Rohentwurf für eine Klageschrift bereits erstellt. Sie gibt sich siegessicher. „Meistens verliert man vor dem BVG, aber in diesem Fall werden wir gewinnen, weil es eine Alternative zu den aktuellen Planungen gibt“, sagt sie. „Die Streckenführung wird vermutlich scheitern.“
Goldschmidt setzt ihre Hoffnung auf das Naturschutzgebiet Stellmoor-Ahrensburger Tunneltal. Die Gleise führen direkt am Rand des Areals entlang, das ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) der Europäischen Union ist. „FFH-Gebiete sind ein Damoklesschwert für jedes Projekt“, sagte die Anwältin. So müsse nach EU-Recht zum Beispiel eine Verträglichkeitsprüfung vorgenommen werden. „Wenn die Erhaltungsziele des Gebiets erheblich beeinträchtigt werden, müssen Alternativen geprüft werden“, sagt sie. „Das hat die Bahn bisher nicht getan.“ In jedem Fall verzögere sich das Projekt durch das Klageverfahren um mindestens drei Jahre, ist die Juristin überzeugt.
Naturschützer sorgen sich um die Kammmolche
Nach Einschätzung des Jordsand-Referenten Rolf de Vries würde das Projekt das FFH-Gebiet stark beeinträchtigen – und das bereits in der Bauphase. So müsse eine Baustraße sowie ein Platz für die Materiallagerung errichtet werden. Es gebe Baustellenverkehr, dazu Lärm, Erschütterungen und eine Lichtbelastung für Tiere, wenn nachts gearbeitet werde. Sobald die ersten S-Bahnen zusätzlich zu den Güter-, Fern- und Regionalzügen durch das Gebiet rollten, wirke sich das auf die streng geschützten Kammmolche und Moorfrösche aus, sagt de Vries. „Sie werden das Gebiet wegen der starken Erschütterungen verlassen.“ Der Verein sucht nun Partner, die ihn unterstützen. Denn allein könne er den Klageweg wahrscheinlich nicht finanzieren.