Ahrensburg. Anwohner der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck wollen vor das Bundesverwaltungsgericht. Das könnte den geplanten Start stark verzögern.

Ende 2027 soll nach dem Plan der Deutschen Bahn (DB) die erste S-Bahn zwischen dem Hamburger Hauptbahnhof, Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe rollen. Doch die „Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck“ will das verhindern. Deren Vorsitzender Claus-Peter Schmidt ist sich sicher: „Spätestens vor Gericht wird das Projekt gestoppt.“

Der Verein werde schon im ersten Planfeststellungsabschnitt in Hamburg das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einschalten. „Nach Klageerhebung werden wir mit einstweiliger Verfügung einen sofortigen Baustopp anordnen lassen“, so Schmidt. In Newslettern betont er, dass für den Verein der parteien- und länderübergreifende politische Wille für die neue S-Bahnstrecke überhaupt nicht zähle: „Wir wollen es juristisch lösen.“

Gleise führen entlang eines Naturschutzgebiets

Ihren Optimismus, den Ausbau der 20 Kilometer langen Strecke zwischen Hamburg-Hasselbrook und Ahrensburg-Gartenholz stoppen zu können, zieht die Initiative auch aus dem Naturschutzgebiet Stellmoor-Ahrensburger Tunneltal. Die Gleise führen direkt am Rand des Areals entlang, das ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) der Europäischen Union (EU) ist. „Nach EU-Recht muss eine Verträglichkeitsprüfung erstellt werden“, so Schmidt. Falle diese negativ aus, müsse zwingend eine Alternative realisiert werden. „Wir werden notfalls einklagen, dass die Bahn eine Alternativplanung vorlegt.“

Der Vorsitzende Claus-Peter Schmidt (r.) und Mitglieder der Bürgerinitiative warben im November 2017 auch am Ahrensburger Bahnhof um Unterstützung für Klagen gegen die S4.
Der Vorsitzende Claus-Peter Schmidt (r.) und Mitglieder der Bürgerinitiative warben im November 2017 auch am Ahrensburger Bahnhof um Unterstützung für Klagen gegen die S4. © HA

Nach bisherigen Schätzungen kostet das Projekt rund eine Milliarde Euro. Über die Finanzierung verhandeln die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein mit dem Bund, der den Großteil übernehmen soll. Die S 4 soll bis Ahrensburg auf eigenen Gleisen rollen, damit die bestehenden für den Fern- und -Güterverkehr frei werden.

Gutachter prognostizieren täglich 120 Güter- und 170 Nahverkehrszüge

Genau das erzürnt die Bürgerinitiative. Sie befürchtet, dass spätestens mit Fertigstellung des Fehmarnbelttunnels nahezu pausenlos bis zu 835 Meter lange XXL-Güterzüge mit etwa 40 Waggons durch die Wohngebiete fahren. Gutachter prognostizieren täglich etwa 120 Güter- sowie gut 170 Nahverkehrs- und mehr als 20 Fernzüge.

Sechs Meter hohe Wände an der Trasse sollen die Anwohner vor Lärm schützen. Diese Mauern in der Innenstadt haben auch in Ahrensburg großen Protest ausgelöst. Bis zu sieben Jahre dauernde Großbaustellen und mögliche Enteignungen von acht bis elf Meter langen Grundstücksstreifen sind weitere Kritikpunkte der Bürgerinitiative, die die Hamburger Rechtsanwältin Suzan Goldschmidt beauftragt hat. Die Ausbaugegner wollen erreichen, dass die S-Bahn auf den bestehenden Gleisen fährt. Der Güter- und Fernverkehr sollte auf die sogenannte „A 1 der Schiene“ verlegt werden. Diese Gleise könnten parallel zur Autobahn Hamburg–Lübeck verlegt werden.

„Wir haben mit unserer Rechtsanwältin beschlossen, im Planfeststellungsverfahren unsere Alternative als Einwendung rechtlich geltend zu machen“, so Schmidt, der in Hamburg-Rahlstedt direkt an den Gleisen wohnt. Die Idee kommt in Orten an der A 1 allerdings überhaupt nicht an. So hat es in Barsbüttel heftigen Widerstand gegeben.

Der S-4-Ausbau ist in drei Planfeststellungsabschnitte (PFA) unterteilt. Von Hamburg-Hasselbrook bis zum Regionalbahnhof Ahrensburg sind auf 17 Kilometern zwei zusätzliche Gleise vorgesehen, auf den restlichen drei Kilometern bis Gartenholz ein Gleis. Fast 40 Tunnel und Brücken werden umgebaut, mehrere beschrankte Bahnübergänge fallen weg. In Hamburg entstehen die vier neuen Stationen Claudiusstraße, Bovestraße, Holstenhofweg und Am Pulverhof, in Stormarn kommt Ahrensburg-West hinzu.

Das Abendblatt beantwortet wichtige Fragen zum weiteren Vorgehen.


Wie weit sind die einzelnen Planfeststellungsverfahren? Sämtliche Unterlagen wurden beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) eingereicht. Der Erörterungstermin für Abschnitt 1 war im April 2018, das EBA arbeitet noch am Beschluss. Die öffentliche Auslegung für Abschnitt 2 erfolgt im zweiten Halbjahr 2019 und für Abschnitt 3 voraussichtlich 2020, so Peter Mantik, Bahnsprecher für die Projekte S 4 und Fehmarnbeltanbindung.


Wie ist der Ablauf für den Stormarner Abschnitt? Die Unterlagen werden wohl in Delingsdorf und im Ahrensburger Rathaus ausgelegt. Eine Auftaktveranstaltung und Marktstände zu Themen wie Schall, Erschütterung und Grunderwerb wird es voraussichtlich im Herbst 2019 geben. Bürger können während der Einwendungsfrist ihre Bedenken schriftlich geltend machen. „Die DB Netz AG als Vorhabenträgerin wird auf jede Einwendung antworten und Stellung beziehen“, so Mantik. Detaillierte Infos zum Verfahren stehen auf der Homepage www.s-bahn-4.de unter „Mediathek“.


Verzögert sich der Bau durch Klagen? In ähnlichen Fällen vergingen bis zu einer Entscheidung etwa drei Jahre. Beispielsweise hatte die Stadt Oberhausen gegen den Ausbau der Strecke nach Emmerich geklagt. Bahnsprecher Mantik ist zurückhaltend: „Voraussagen bezüglich möglicher Klageverfahren sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.“ Man gehe von einer rechtmäßigen Planung aus.


Wie können sich Stormarner informieren? Seit 2015 gab es in Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe Bürgersprechstunden. Im vergangenen Sommer war das Projektteam mit dem Infomobil in Ahrensburg unterwegs. Persönliche Gespräche werden ebenfalls angeboten. Ein Newsletter kann auf der Homepage abonniert werden.


Sind im Test befindliche Mini-Schallschutzwände eine Alternative zu sechs Meter hohen Mauern? Im schalltechnischen Gutachten wurden unterschiedliche Varianten untersucht, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, unter anderem auch Kombinationen mit niedrigen Wänden. „Die Varianten stellen jedoch keine ausreichende Alternative zu dem geplanten Schallschutzkonzept dar“, so Peter Mantik.


Wie ist der aktuelle Zeitplan?
Im Winter 2019/2020 sind vorbereitende Schritte (Grunderwerb, Grünschnitt/Rodungen, Umverlegungen von Gas-, Wasser-, Stromleitungen) geplant, um Ende 2020 mit dem Bau zu beginnen. Eine Teilinbetriebnahme bis Rahlstedt ist für 2025 geplant, der Rest folgt Ende 2027.


Wie weit ist die Finanzierung? Die Gespräche zwischen Bund und Ländern sind noch nicht abgeschlossen.


Was wird aus dem Regionalexpress zwischen Hauptbahnhof, Ahrensburg und Bad Oldesloe? „Die zukünftige S 4 wird nur die Regionalbahn RB 81 ersetzen“, sagt Mantik. Nach derzeitigem Stand werde der RE 8 weiterhin fahren.