Ahrensburg. Zahlen der Aus- und Einsteiger in Stormarn sollen mit der neuen Linie massiv ansteigen. Dafür müssen auch die Kommunen tätig werden.
Durch die neue S-Bahnlinie 4 von Hamburg nach Bad Oldesloe könnte sich die Zahl der Bahnfahrer in Stormarn vervielfachen – davon gehen, wie berichtet, Experten in ihren Prognosen aus. Entsprechende Gutachten haben ergeben, dass sich im Vergleich zur jetzigen RB 81 die Zahl der Fahrgäste insgesamt verdreifachen wird. Auch für die einzelnen Stationen in Stormarn haben die Gutachter ermittelt, von wie vielen Ein- und Aussteigern sie künftig genutzt werden. Besonders stark soll die Zahl der Nutzer in Ahrensburg steigen. Nicht nur die bestehenden Bahnhöfe würden häufiger genutzt, hinzu kommt die völlig neue Station Ahrensburg-West, die für die S 4 neu gebaut wird. Statt heute 8400 sollen künftig 15.400 Ein- und Aussteiger in der Schlossstadt die Stationen nutzen.
Der Abendblatt-Bericht über diese Entwicklung hat für Diskussionen gesorgt - und einige Fragen aufgeworfen. Die wichtigsten wollen wir beantworten:
Wer hat die Prognose erstellt und wie wurde dabei vorgegangen?
Die Verkehrsprognosen erstellt ein Gutachter des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur im Rahmen der „standardisierten Bewertung“. Dieses Gutachten wurde vom Land Schleswig-Holstein beauftragt, da es bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur Grundlage ist für die Investitionsentscheidung. Die Ein- und Aussteigerprognosen beziehen sich auf das Jahr 2030 („Prognosehorizont“).
Wie können die Bahnhöfe dieses Wachstum bewältigen?
Nach Angaben der Bahn wurde ein Zwischenstand des Prognose-Gutachtens bereits während der Vorbereitungen für das Planfeststellungsverfahren zur Verfügung gestellt, um die Stationen entsprechend dimensionieren zu können. Die prognostizierten Zahlen der Ein- und Aussteiger seien daher bereits Grundlage der Planung, die Stationen würden für diese Zahlen bemessen und ausgelegt.
Wie werden die Fahrgäste zum Bahnhof kommen? Und wo sollen sie gegebenenfalls parken?
Die Gestaltung des Bahnhofsumfeldes, also auch die Einrichtung von Parkplätzen, Fahrradstellplätzen und sonstigen Mobilitätsangeboten, ist laut eines Bahnsprechers Aufgabe der Kommune, also der Städte und Gemeinden oder des Kreises. Die müssen auch die Kosten tragen. Allerdings, so der Bahnsprecher, gewährt das Land über den Nahverkehrsverbund (Nah.SH) Fördermittel. Neben Auto und Fahrrad spielt hier der Busverkehr eine Rolle. Entsprechende Linien und Taktungen zu den Bahnhöfen müssen in den nächsten Jahren entwickelt werden. Ahrensburgs Bauamtsleiter Peter Kania geht auch davon aus, dass sich bis zur geplanten Fertigstellung der S 4 (frühestens 2027) durch die Entwicklung der Fahrzeuge und neue Mobilitätskonzepte „noch einiges tun wird“. Er verweist zum Beispiel auf ein Projekt in Stuttgart, wo in einem Parkhaus bereits „fahrerloses Einparken“ praktiziert wird. Dort navigieren die Autos selbstständig in die Parkbuchten und können enger abgestellt werden. Dadurch werden etwa 20 Prozent mehr Stellplätze geschaffen.
Wie ist die Situation in Ahrensburg?
Die Stadt beschäftigt sich laut Bauamtsleiter Peter Kania bereits seit Längerem mit den Auswirkungen der neuen S 4. „Grundsätzlich haben wir den Vorteil, dass Ahrensburg mehr Ein- als Auspendler hat“, so Kania. Das bedeutet, dass die Mehrzahl der Fahrgäste die Ahrensburger Stationen zum Aussteigen nutzt und insoweit in der Regel keine Parkmöglichkeiten benötigt. Dennoch muss sich die Stadt auch auf steigende Einsteigerzahlen einstellen. Dazu gibt es laut Kania bereits den Beschluss, das Park-and-Ride-Parkhaus Alter Lokschuppen aufzustocken. Dies soll in Zusammenhang mit dem geplanten Bau des Kinos auf dem Gelände des jetzigen Edeka-Marktes umgesetzt werden. „Wir streben die Aufstockung um zwei Etagen an“, so Kania.
Zusätzliche Abstellplätze für Fahrräder entstehen bereits an der Ladestraße. Auch das seit Langem geplante Fahrradparkhaus ist weiterhin im Gespräch. Allerdings, so Kania, steht die Errichtung auch in Zusammenhang mit dem Bau von neuen Lärmschutzwänden. „Wenn wir die von der Bahn vorgesehenen sechs Meter hohen Wände nicht verhindern können, würden wir stattdessen dort lieber ein solches Gebäude errichten.“ Dort, wo künftig die neue S-Bahnstation Ahrensburg-West entstehen soll, gibt es derzeit einen P+R-Parkplatz für die U-Bahn-Fahrgäste. „Dort könnten wir die Zahl der Plätze mit einer mehrstöckigen Parkpalette verdreifachen“, so Kania.
Wie ist die Situation in Bargteheide?
Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht sieht die urbane Mobilität im Wandel. Der Besitz eines eigenen Autos verliere für viele Menschen immer mehr an Relevanz. „Die Stadt Bargteheide beschäftigt sich seit Längerem auf regionaler und überregionaler Ebene mit diesem Thema.“ Eine engere Taktung der Bahn werde sehr befürwortet.
Kruse-Gobrecht verweist auf die beiden bereits durchgeführten Stadtdialoge zur Gestaltung des Bahnhofsumfelds unter Beteiligung der Bürger. Dabei sei der Bedarf an weiteren Park-and-Ride sowie Bike-and-Ride-Plätzen erkannt worden. „Ein Fachbüro ist beauftragt, den zusätzlichen Bedarf genau zu ermitteln. Der Planungsausschuss habe bereits grundsätzlich beschlossen, die P+R-Anlage östlich der Bahn zu erweitern und zusätzliche Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu schaffen. „Hierfür sind vor einer Umsetzung noch weitere grundsätzliche Beratungen und Beschlussfassungen auf kommunalpolitischer Ebene erforderlich, insbesondere unter dem Aspekt sich verändernder Mobilität“, sagt Kruse-Gobrecht.
Beim Busanschluss habe sich bereits etwas getan: „Um allen Bahn-Pendlern, die nach Bargteheide kommen, die Anbindung an die örtlichen Gewerbegebiete zu erleichtern, hat die Stadt im Zusammenschluss mit ortsansässigen Firmen den innerörtlichen Buspendelverkehr ins Leben gerufen.“ Dieser starte zum Ende dieses Jahres. „Zusätzlich zur Gewerbebuslinie wird auch das Anrufsammeltaxi mit über 30 neuen Haltestellen im Stadtgebiet das ÖPNV-Angebot optimieren.“ Es fahre künftig von montags bis freitags von 7 bis 22 Uhr und sonnabends von 8 bis 18 Uhr im Stundentakt.
Fahrgäste erleben bereits heute häufig die Situation, dass die Züge wegen besetzter Gleise beispielsweise nicht in den Hauptbahnhof einfahren können. Können die bestehenden Gleise die neue S 4 ohne Weiteres aufnehmen?
Der Hamburger Hauptbahnhof kann nach Angaben des Bahnsprechers auf den Gleisen 1/2 und 3/4 (S-Bahn) die Züge der S 4 aufnehmen. Im Vorfeld der S-4-Planungen wurden dazu Betriebssimulationen durchgeführt (einschließlich Störfall-Simulationen), die den Betrieb von künftig acht (heute sechs) Linien untersucht haben. Ergebnis: Der Bahnhof und die Bahnsteige sind für die Züge im 2,5-Minuten-Takt ausreichend dimensioniert. Daher sind im Rahmen der S 4 keine Baumaßnahmen am Hauptbahnhof geplant.