Lübeck/Bargteheide. Richter verurteilt Täter Sven S. zu Höchststrafe. Er hatte seine Ex-Freundin erschossen. Prozess große Belastung für die Eltern.
Als der Vorsitzende Richter das Urteil gegen den Mann verkündet, der ihnen ihre geliebte Tochter für immer genommen hat, bleiben Michael und Bettina Thiessenhusen zumindest äußerlich ruhig und gefasst. Wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen wird Sven S. am Donnerstag zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt – und das bereits zum zweiten Mal. „Sie werden für lange Zeit im Gefängnis sitzen“, sagt Richter Kai Schröder in Richtung des Bargteheiders. Es herrscht Stille in Saal 315 des Landgerichts Lübeck.
Die Dritte Große Strafkammer gelangt damit zu der gleichen Überzeugung wie die vorherigen Richter: Der 37-Jährige hat seine Ex-Freundin unter einem Vorwand in seine Wohnung an der Alten Landstraße gelockt und sie dort mit drei Schüssen hingerichtet, weil sie sich endgültig von ihm trennen wollte.
Richter kontert absurde Vorwürfe gegen die Polizei
Dass das Gericht für diese Erkenntnis 15 neue Verhandlungstage benötigte und alle Zeugen noch einmal aussagen mussten, ist einem Formfehler geschuldet. Wegen einer Unstimmigkeit zwischen dem Protokoll der Hauptverhandlung und der schriftlichen Urteilsbegründung hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das erste Urteil aus dem Jahr 2017 wieder aufgehoben, gab damit der Revision des Angeklagten statt.
Vor allem für die Eltern des Opfers eine enorme Belastung. Denn sie mussten sich nun ein weiteres Mal mit den schlimmsten Stunden ihres Lebens auseinandersetzen. „Wir kommen seit drei Jahren nicht zur Ruhe“, sagt Sveas Vater Michael Thiessenhusen dem Abendblatt. Nach dem ersten Urteil Ende 2017 hatte sich das Ehepaar geschworen, nie wieder einen Fuß in das Gerichtsgebäude zu setzen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs machte das Vorhaben zunichte. Denn Svea zuliebe wollten die Eltern auch beim neuen Prozess dabei sein.
Zur Urteilsverkündung sind auch mehrere Freundinnen von Svea gekommen. Sie alle hören, wie sich der Vorsitzende Richter mit deutlichen Worten an den Angeklagten wendet: „Sie haben Svea vorsätzlich getötet, weil sie sich endgültig von Ihnen trennen wollte und das in einer SMS deutlich gemacht hatte“, sagt Kai Schröder. Die Beweislage am Tatort sei eindeutig gewesen, die Staatsanwaltschaft habe den Sachverhalt in ihrem Plädoyer zutreffend bewertet. Mit dem ersten Schuss aus seinem Revolver habe der Bargteheider Svea am Arm getroffen, sie sei zu Boden gestürzt. Dann habe er sie aus kurzer Nähe mit zwei weiteren Kugeln erschossen.
Verurteilter nimmt Urteil regungslos zur Kenntnis
Für eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit, wie sie die Verteidigung angeführt hatte, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. „Die Tat war viel zu überlegt und geplant, genauso wie die anschließende Flucht. Das hätte niemand im Drogenrausch geschafft“, sagt Schröder. Svea sei völlig arg- und wehrlos gewesen. „Sie wäre niemals in die Wohnung gegangen, wenn sie gewusst hätte, dass der Angeklagte dort ist.“ Denn dieser hatte der Familie und ihr in den Monaten zuvor das Leben zur Hölle gemacht, hatte sie bedroht und verfolgt.
Sven S. nimmt das Urteil und die Ausführungen regungslos zur Kenntnis. Sein Blick ist die meiste Zeit auf den Tisch vor ihm gerichtet, nur selten wandert er hinüber zum Richter. Der mehrfach vorbestrafte Gerüstbauer hatte die Tat zwar gestanden, bis zuletzt aber behauptet, sie sei „ein Unfall“ gewesen. Um diese Theorie zu stützen, erhob er während des Prozesses immer wieder Manipulationsvorwürfe gegen die Polizei. Er sorgte mit zahlreichen Beweisanträgen für Verzögerungen und warf den Ermittlern vor, den Tatort zu seinem Nachteil verändert zu haben.
„So einen absurden Blödsinn habe ich hier noch nie gehört“, so der Richter. „Das ist eine Verunglimpfung der Polizei, der ich hier entschieden entgegentreten will.“ Das Gericht hält seine Aussagen zum Tatablauf für erfunden. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass Sie die Tat nicht wahrhaben wollen. Aber das ändert nichts daran, dass sie wahr ist.“ Nach dem Ende der Verhandlung umarmen die Eltern die Freundinnen von Svea. Doch Erleichterung empfinden sie nicht, betonen die Thiessenhusens. Denn mit dem Urteil sind sie nicht zufrieden. „Wir sind überrascht, dass das Gericht keine besondere Schwere der Schuld festgestellt hat“, sagt Michael Thiessenhusen. Die Dritte Große Strafkammer sah dafür laut Richter Schröder keine Anhaltspunkte.
Eltern hoffen, dass das Urteil schnell rechtskräftig wird
Das bedeutet: Nach 15 Jahren könnte Sven S. wieder auf freien Fuß kommen, wenn ein Sachverständiger zu der Einschätzung kommt, dass er keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. „Da er schon drei Jahre in U-Haft gesessen hat, wäre das schon in zwölf Jahren“, sagt Michael Thiessenhusen.
Für Sveas Eltern war der neu aufgerollte Prozess nur schwer zu ertragen – insbesondere wegen des Verhaltens des Angeklagten. „Er hat alle Register gezogen. Dass jemand vor Gericht den Tathergang so verdrehen darf und so eine Bühne bekommt, um sich zu präsentieren, das war sehr belastend“, sagt Michael Thiessenhusen. Deshalb seien sie auch vielen Prozesstagen ferngeblieben. „Er hat die Tat bis heute nicht eingestanden. Das ist für mich das Schlimmste.“
Seine Frau Bettina belastet vor allem, dass „immer noch nicht Schluss ist“. Denn die Verteidigung hat bereits angekündigt, auch dieses Mal Revision einzulegen. Das bedeutet: Der BGH wird den Fall wieder prüfen. „Wir hoffen, dass das Urteil so schnell wie möglich rechtskräftig wird, damit wir endlich abschließen können“, sagt Michael Thiessenhusen. Beim letzten Mal seien sie von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs völlig überrascht worden. „Das war wie ein Schock.“