Bargteheide/Lübeck. Bundesgerichtshof gibt Revision im Fall der tödlichen Schüsse auf die Bargteheiderin Svea T. statt. Grund ist ein Fehler in der Urteilsbegründung.

Der Prozess um die tödlichen Schüsse auf die Bargteheiderin Svea T. muss neu aufgerollt und damit bereits zum dritten Mal von vorn begonnen werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden. „Das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 29. November 2017 wurde aufgehoben“, sagt BGH-Sprecherin Angela Haasters auf Abendblatt-Anfrage. Der Revision des Angeklagten wurde damit stattgegeben.

Der Grund ist nach Angaben des Landgerichts Lübeck ein Formfehler. „Laut BGH gibt es einen Widerspruch zwischen dem Protokoll der Hauptverhandlung und der schriftlichen Urteilsbegründung“, sagt Sprecher Stephan Bahlmann. „Die Formulierungen sind nicht 100-prozentig deckungsgleich.“ Deshalb sei der BGH zu der Einschätzung gelangt, dass das Urteil auf unzureichender Grundlage entstanden sei und habe es in Frage gestellt.

Mann soll im August seine Ex-Freundin erschossen haben

Die Folge: Das gesamte Verfahren wurde aufgehoben. Dutzende Verhandlungstage im vergangenen Jahr waren damit vergebens, müssen nun wiederholt werden. Die schriftliche Urteilsbegründung wird laut Bahlmann von allen Berufsrichtern der zuständigen Strafkammer unterschrieben, das Protokoll vom Vorsitzenden Richter – in diesem Fall Christian Singelmann.

Die Erste Große Strafkammer hatte unter seinem Vorsitz den Bargteheider Sven T. im November vergangenen Jahres zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt – wegen heimtückischen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenbesitz und dem Führen einer Schusswaffe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der damals 35-Jährige seine Ex-Freundin im August 2016 unter einem Vorwand in seine Wohnung gelockt und sie dort kaltblütig mit drei Schüssen hingerichtet hatte. Das Motiv: Der Mann hatte die Trennung nicht akzeptieren wollen.

Verhandlung muss vor neuer Strafkammer erfolgen

Sein Verteidiger legte Revision gegen die Entscheidung ein, sie wurde damit nicht rechtskräftig. Der Fall wurde an den Bundesgerichtshof weitergegeben. Dieser überprüfte das Urteil auf Rechtsfehler – und wurde fündig. „Die Sache wird zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen“, sagt Angela Haasters. Das bedeutet: Die Richter müssen ausgetauscht werden. Der Staatsanwalt und auch die Gutachter können aber dieselben bleiben.

Einen Termin für den neuen Prozess gibt es laut Bahlmann noch nicht. „Der BGH hat keine Frist vorgegeben, aber es wird voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres losgehen, denn solche Fälle sollen immer möglichst zügig bearbeitet werden“, sagt er. Der Angeklagte sitze seiner Kenntnis nach weiterhin in Untersuchungshaft – und werde dort wohl auch bis zum Prozessbeginn bleiben. Die Zeugen müssen dann alle noch einmal aussagen.

Erster Prozess wegen langjähriger Erkrankung geplatzt

Es wird der dritte Versuch werden, ein rechtskräftiges Urteil gegen Sven S. zu erwirken. Der erste Prozess im Frühjahr 2017 war wegen einer längeren Erkrankung des Verteidigers geplatzt. Das Verfahren musste mehr als drei Wochen unterbrochen werden. Die gesetzlichen Pflichten der Strafprozessordnung konnten dadurch nicht eingehalten werden. Mit einem neuen Verteidiger wurde der Prozess von August 2017 an wiederholt. Alle bereits vernommenen Zeugen mussten ein zweites Mal angehört werden, ebenso die Gutachter. Eine Qual für die Angehörigen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sven S. mit der brutalen Tat seinen Besitz- und Machtanspruch an Svea T. deutlich machen wollte. Der mehrfach verurteilte Straftäter hatte das Opfer und deren Familie zuvor mehrfach und massiv bedroht – auch mit dem Tod. Sven S. und Svea T. waren vier Jahre lang ein Paar gewesen, bevor sich die Bargteheiderin rund fünf Monate vor der Tat von ihrem Freund trennte. Weil die 28-Jährige Angst vor ihm hatte, erwirkte sie vor dem Amtsgericht in Ahrensburg sogar ein Kontaktverbot.

Verteidiger hatte Verurteilung wegen Totschlags gefordert

Am 12. August 2016 ging sie trotzdem für ihn einkaufen – offenbar aus Angst, der Angeklagte könne ihr oder ihren Eltern Gewalt antun, wenn sie seine Wünsche nicht erfüllte. Denn um den Einkauf hatte Sven S. sie vorher über sein Mobiltelefon gebeten. In der Nachricht schrieb er auch, dass er in Italien im Urlaub sei und erst am Tag darauf zurückkomme. Doch als Svea T. die Lebensmittel in die Wohnung bringen wollte, wartete ihr Ex-Freund bereits mit der Waffe auf sie. Nach der Tat wählte der damals 35-Jährige selbst den Notruf, forderte einen Krankenwagen an und gestand am Telefon die Tat. Anschließend flüchtete er mit der Schusswaffe, die er später in einen Tümpel in Bargteheide warf. Die Polizei konnte ihn einen Tag später auf einem Campingplatz in Ammersbek festnehmen, wo er sich verstecken wollte.

Sven S. hatte vor Gericht von einem Unfall gesprochen. Er hatte behauptet, die Schüsse hätten sich aus Versehen aus dem Revolver gelöst, als er sich das Leben nehmen wollte und seine Ex-Freundin ihn dabei überraschte. Sein Verteidiger hatte eine Verurteilung wegen Totschlags gefordert – und nicht wegen Mordes. Das Gericht hatte diese Ausführungen nicht geglaubt.

Für die Angehörigen gehen jetzt die Belastungen, die mit einem solchen Prozess verbunden sind, von vorn los. Nach dem Ende der letzten Verhandlung waren die Eltern und einige von Sveas Freundinnen in Tränen ausgebrochen, hatten sich umarmt. Sie waren erleichtert gewesen, dass der Prozess nach mehr als einem Jahr endlich ein Ende gefunden hatte, dass Sven S. eine hohe Strafe bekommen hatte. Doch nun müssen sie alles noch einmal durchleben.