Ahrensburg. „Verschandelung der Innenstadt“: Ahrensburger Bürger und Politiker kritisieren Auswahl der Geschäfte und Parkplatz-Fehlplanungen.

Die Nachricht, dass die Billigläden Kik und Tedi an den Lindenhof ziehen, hat am Wochenende in Ahrensburg große Diskussionen ausgelöst. In den sozialen Netzwerken zeigen sich viele Bürger entsetzt, äußern in etlichen Kommentaren ihre Enttäuschung. „Schlimmer und peinlicher geht’s wirklich nicht, traurig für Ahrensburg“, schreibt eine Einwohnerin bei Facebook. Ein anderer kommentiert: „Die Stadt wird immer unattraktiver.“

Kik und Tedi sollen „langfristige Mietverträge“ unterschrieben haben

Wie berichtet, wollen der Textildiscounter Kik und der Schnäppchenmarkt Tedi im September in dem neuen Wohn- und Geschäftshaus eröffnen. Sie haben nach Angaben des Investors „langfristige Mietverträge“ unterschrieben und sollen als Ankermieter im Erdgeschoss auf jeweils rund 520 Quadratmeter Verkaufsfläche ihre Billigwaren anbieten.

„Schade“, sagt die Ahrensburgerin Edda Koops (65), die beim Sonntagsspaziergang mit ihrem Mann Jürgen (67) am Lindenhof vorbeiläuft. „Bis vor ein paar Jahren hatte die Innenstadt noch eine hohe Qualität.“ Das Paar hat an der Manhagener Allee die Konditorei Koops betrieben, mittlerweile sind beide im Ruhestand und verfolgen die Entwicklung in der City mit Sorge. Es sei zwar gut, dass es Einkaufsmöglichkeiten für den schmalen Geldbeutel gebe, so Edda Koops: „Man fragt sich aber doch, ob Kik und Tedi die richtigen Läden für das Ahrensburger Publikum sind.“

Supermärkte lehnten Standort wegen fehlender Parkplätze ab

Die Ladenflächen im Lindenhof in Ahrensburg sind vermietet.
Die Ladenflächen im Lindenhof in Ahrensburg sind vermietet. © HA | Janina Dietrich

Innerhalb der Politik hat die Neuigkeit den erbitterten Streit über das 30-Millionen-Euro-Projekt neu entfacht. 2016 war das Vorhaben von CDU und Grünen mit knapper Mehrheit auf den Weg gebracht worden. Während der Planungszeit hatte es im Stadtparlament zwei Lager gegeben. Kontrovers diskutiert wurde vor allem das Thema Parken, denn durch die Bebauung sind rund 70 öffentliche Stellplätze am Lindenhof weggefallen. In der Tiefgarage unter dem Haus gibt es nun zwar wieder eine ähnlich hohe Anzahl, die aber nur für die Mieter ist.

„Wir haben von vornherein bemängelt, dass die Kalkulation des Investors nicht funktionieren kann“, sagt Peter Egan, Fraktionschef der Wählergemeinschaft WAB. „72 Parkplätze für mehr als 60 Wohnungen, dazu noch Büroräume und Einzelhandelsflächen – das ist einfach zu wenig.“ Marco Daedelow bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass fehlende Parkplätze ein Grund dafür gewesen seien, dass er trotz zweieinhalbjähriger Suche keinen Nahversorger für den Lindenhof gewinnen konnte. Er vertritt als Geschäftsführer der Qcoon Real Estate GmbH die Interessen des Investors und Bauherren Curata aus Karlsruhe. „Die großen Supermarktketten haben rund 70 öffentliche Parkplätze gefordert, das konnten wir nicht bieten.“

Egan hätte sich einen Supermarkt oder ein bekanntes Bekleidungsgeschäft wie H & M oder Zara an dem Standort gewünscht. „Läden, die eine gewisse Kundenfrequenz auslösen“, wie er sagt. „Das jetzige Resultat ist wirklich schade. Das Lindenhof-Gebäude ist schön geworden. So etwas hat es nicht verdient.“

FDP gibt der Stadtverwaltung Mitschuld an der Entwicklung

Thomas Bellizzi (FDP)
Thomas Bellizzi (FDP) © HA | Cornelia Hansen

Thomas Bellizzi, Fraktionschef der FDP, spricht von einer „Verschandelung der Innenstadt“. Er sagt: „Das sind Läden, die die Welt nicht braucht. Das Niveau unserer City fällt ins Bodenlose.“ Die Nachricht müsse ein Warnsignal für alle sein. „Wir müssen jetzt dringend Gegenmaßnahmen ergreifen.“ Mit dem Städtebaufördergeld müsse der Bereich um Rondeel und Hamburger Straße so aufgewertet werden, dass die inhabergeführten Geschäfte weiterbestehen können. Seiner Ansicht nach ist auch die Stadtverwaltung Schuld an der Entwicklung am Lindenhof. Er sagt: „Das Bauamt hat die Pläne des Investors immer wieder verteidigt, hat versucht, das Projekt der Politik zu verkaufen. Es hieß, Parkplätze seien nicht nötig.“

Das Parkplatz-Thema beschäftigt auch das Ehepaar Koops. Die Stadt sei mittlerweile zu stark zugebaut, findet Edda Koops. Parkplätze seien rar. „Erst mal sollten die leerstehenden Flächen vermietet werden, bevor neue entstehen.“ Zum Shoppen fahren die Ahrensburger deshalb in das Alstertal-Einkaufszentrum nach Hamburg.

Jochen Proske (SPD) spricht von „keiner erfreulichen Entwicklung“ für Ahrensburg. „Die Vorstellung der Projektbefürworter, mit dem Lindenhof einen Brückenschlag in die Innenstadt zu schaffen und diese dadurch weiterzuentwickeln, ist gescheitert.“ Die beiden Mieter seien für dieses Vorhaben nicht geeignet. Viele Bürger hätten sich einen Elektromarkt gewünscht, auch ein neues Lebensmittelgeschäft wäre seiner Ansicht nach in Bahnhofsnähe sinnvoll gewesen. „Aber das funktioniert alles nicht ohne Parkplätze.“ Ali Haydar Mercan (Linke) sagt, ihm seien die Geschäfte relativ egal. „Ich bin da leidenschaftslos, denn ich verstehe nicht, wie man so ein Projekt überhaupt machen konnte.“

CDU will die Auswahl der Läden nicht kommentieren

Und was sagen CDU und Grüne, die das umstrittene Bauprojekt auf den Weg gebracht haben, zu der Entwicklung? CDU-Fraktionschef Detlef Levenhagen will die Läden nicht kommentieren. „Die Politik hat darauf keinen Einfluss“, sagt er. „Das ist nicht unser Gebäude, sondern die Entscheidung des Vermieters.“

Susanna Hansen (Die Grünen)
Susanna Hansen (Die Grünen) © HA

Susanna Hansen (Grüne) saß zum Zeitpunkt der Projektberatungen noch nicht im Ahrensburger Stadtparlament. Sie gibt aber zu, dass sie andere Vorstellungen bezüglich der Geschäfte hatte. „Ganz ehrlich: Mit der Wahl bin ich nicht glücklich“, sagt sie. „Ich hätte mir etwas Hochwertigeres gewünscht, zum Beispiel einen Brautmodeladen.“ Auch einen Supermarkt, wie anfangs vom Investor in Aussicht gestellt, hätte sie sich an dem Standort gut vorstellen können.