Reinbek. Krebserregendes Gift zwingt Schüler und Lehrer der Gemeinschaftsschule zum Umzug. Viele fühlen sich inzwischen überfordert.
Dort, wo sonst Mathe und Deutsch auf dem Stundenplan stehen, werden Kisten gepackt. Bürgermeister Björn Warmer hat Teile der Gemeinschaftsschule am Mühlenredder nach dem Asbest-Alarm wieder freigegeben. „Die Staubmessungen haben ergeben, dass sämtliche Proben unbelastet sind“, so der Verwaltungschef. Das betreffe auch Räume, in denen Asbestfasern nachgewiesen wurden. Und jene Räume, die generell nicht belastet waren.
Rund 1500 Kartons werden verpackt und verladen
Nun hat eine bisher einzigartige Umzugsaktion begonnen. Mitarbeiter der Spedition Jan Bode helfen an dem Ort, an dem bis vor Weihnachten noch rund 700 Schüler unterrichtet worden waren. Tische, Stühle, Schulbücher, Hefte, das gesamte Inventar aus dem unbelasteten Gebäudeteil müssen in Kisten verpackt und auf Lastwagen verladen werden. 1500 Kartons werden es am Ende sein, schätzt Kolonnenführer Reinhold Timm, der schon in den vergangenen Tagen mit fünf Kollegen 700 Kisten gepackt hat – jede beschriftet mit dem Namen der jeweiligen Klasse. Bestimmungsort: die Ausweichquartiere der Schüler, unter anderem die ehemalige Fritz-Specht-Schule in Wentorf.
Container müssen teilweise neu hergestellt werden
Turnbeutel, Hefte und Bücher aus dem mit Asbest belasteten „roten Bereich“ werden von einer Spezialfirma gereinigt, durch eine Schleuse getragen und dann wieder an die jungen Besitzer übergeben. Die Verwaltung arbeitet mit Hochdruck daran, Container zu beschaffen, in denen die Schüler künftig unterrichtet werden sollen. Problem: „Bis auf wenige Ausnahmen müssen alle Container neu produziert werden“, sagt der Bürgermeister. Wenn alles glatt läuft, werden zumindest die Kinder der Amalie-Sieveking-Schule im Laufe des Februars ihre Container auf dem Gelände der Grundschule Klosterbergen beziehen können.
Stadt zieht sogar Experten der Bundeswehr zu Rate
Trotz aller Geschäftigkeit steht die Ursache für den Asbest-Alarm immer noch nicht fest. Mittlerweile hat die Stadt Experten der Bundeswehr hinzugezogen, steht in Kontakt mit der Architektenkammer. „Wir sind für jeden Tipp, für jeden Ansprechpartner dankbar“, so Warmer. Ihm, seinen Mitarbeitern, den Schülern, Lehrern und Eltern verlangt die Krise einiges ab. „Es brennt an allen Ecken und Enden, es herrscht Unruhe auf allen Ebenen“, sagt Olaf Bienengräber, Schulleiter der Amalie-Sieveking-Förderschule. Lehrer sieht er zum Teil gar nicht mehr – sie unterrichten an anderen Standorten. Pausen gibt es kaum. Zu viel muss organisiert werden, damit der Unterricht überhaupt noch ansatzweise normal ablaufen kann.
Einige der Lehrer sind in Sorge um ihren Arbeitsplatz
Auch Dirk Böckmann, Schulleiter der Gemeinschaftsschule, und sein Kollegium sind nervlich am Anschlag. „Für uns ist die Situation nicht tragbar“, sagt er. Als die Lehrer am ersten Schultag nach den Ferien noch nicht mal einen WC-Container vorgefunden hätten, sei der Frust groß gewesen. „Zu ertragen ist das nicht mehr“, sagt Böckmann, der die Krise bisher mit großem Organisationstalent und Besonnenheit meisterte. Dass eine ganze Schule, die bisher 95 Schulräume zur Verfügung hatte, sich lange Zeit auf 44 Container wird begrenzen müssen, bereitet ihm Kopfzerbrechen. „Wir haben es in den vergangenen drei Jahren geschafft, die Schule mit der Einführung der Oberstufe groß zu machen. Die ganze Arbeit war umsonst“, sagt Böckmann.
Asbest-Alarm könnte sich auf Anmeldezahlen auswirken
Nicht wenige Kollegen hätten Angst um ihren Arbeitsplatz. Die Befürchtung sei groß, dass der Asbest-Alarm zu geringeren Anmeldezahlen für die fünften Klassen führt, dann weniger Lehrer benötigt werden. Diese Abwärtsspirale wollen die Eltern verhindern. „Gerade weil die Situation so schwierig ist, müssen alle Lehrer bleiben“, sagt Melanie Koss, Vorsitzende des Schulelternbeirats. Derzeit erreichen sie viele Anrufe besorgter Eltern. Diese fragen sich, wie ihre Kinder unter diesen Bedingungen einen guten Abschluss machen oder den Sprung in die Oberstufe schaffen sollen. „Es geht um Abschlüsse. Ohne hat man im Leben keine Chance“, sagt Melanie Koss.
Im jüngsten Sozial- und Schulausschuss hat sie der Politik verdeutlicht, was in den Betroffenen vorgeht. Melanie Koss: „Die Eltern haben keine Kraft mehr. Es muss etwas getan werden, schließlich geht es um unsere Kinder.“