Ahrensburg . Steigende Unfallzahlen: Das Risiko fährt für Biker in Stormarn immer mit. Wie sicher sind die Wege? Teil 1 des Abendblatt-Radwege-TÜV.

Die Radfahrer gehen auf die Straße: Jüngst demonstrierten Biker in Bargteheide, weil sie von der miserablen Infrastruktur für Radverkehrsanlagen im Kreis Stormarn genervt sind. Die Bürgerinitiative BASTA, SPD und Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) Stormarn e.V. hatten die Aktion organisiert. Die Fahrradfahrer warben für ein besseres Miteinander im Straßenverkehr und kritisierten, dass Radwege fehlen und sich in einem schlechten Zustand befinden. Außerdem vermissen sie im ganzen Kreis eine großzügige und angemessene Fahrradinfrastruktur und gute Markierungen auf den Wegen.

„In Stormarn mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, kann vor allem in den großen Kommunen wie Trittau und Ahrensburg zum Risiko werden“, warnt Jürgen Hentschke, stellvertretender ADFC-Kreisvorsitzender in Stormarn. SPD-Politiker Peter Anklam, ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Radverkehr in Bargteheide, sieht das ähnlich: „Das Gefahrenpotenzial in Stormarn ist nicht zu unterschätzen.“

Radfahren liegt in Deutschland weiter im Trend

Jürgen Hentschke, ADFC-Stormarn, stellvertretender Kreisvorsitzender
Jürgen Hentschke, ADFC-Stormarn, stellvertretender Kreisvorsitzender © HA | Lea Pölkow

Wie gefährlich Radfahren im Kreis Stormarn ist, will das Abendblatt in einem großen Radwege-TÜV erkunden. In Kooperation mit dem Stormarner ADFC-Kreisverband nimmt das Abendblatt gezielt Wege und Fahrrad-Klima in ausgewählten Kommunen unter die Lupe und kommt auch mit Verkehrsteilnehmern und Politikern vor Ort ins Gespräch. Stationen sind in den nächsten Wochen Ahrensburg, Ammersbek, Bad Oldesloe, Bargteheide, Barsbüttel, Glinde, Großhansdorf, Oststeinbek, Reinbek, Reinfeld und Trittau. Besonders vorbildliche Kommunen erhalten symbolisch sechs Fahrräder, die schlechtesten müssen sich mit einem Fahrrad begnügen. Gemeinsam mit dem ADFC hat das Abendblatt fünf Prüfkriterien entwickelt, zu denen unter anderem die Sicherheit auf Radwegen, an Kreuzungen und die Qualität der Fahrbahn gehören (siehe unten).

Radfahren liegt in Deutschland weiter im Trend. 76 Prozent der Deutschen fahren Rad, heißt es in der ADFC-Radreiseanalyse. 36 Prozent aller Fahrten werden zu Freizeitzwecken zurückgelegt und 22 Prozent für Einkäufe. 14 Prozent der Fahrten sind Arbeitswege. Vor allem E-Bikes erfreuen sich wachsender Beliebtheit und verzeichnen hohe jährliche Zuwachsraten.

Ahrensburg: 57 Fahrradunfälle im vergangenen Jahr

Der Anteil von E-Bikes am Gesamtfahrradmarkt beträgt inzwischen 19 Prozent, heißt es beim Zweirad-Industrie-Verband. Prognosen liegen bei immerhin 35 Prozent. Die Bereitschaft mit dem Fahrrad zu fahren, hänge allerdings ganz wesentlich davon ab, ob die Menschen sich auf den Straßen sicher fühlten, räumt das Bundesverkehrsministerium ein. Gerade im Kreis Stormarn ist das Sicherheitsgefühl bei den Bikern nicht so stark ausgeprägt. Während in der fahrradfreundlichen Stadt Münster gut 35 bis 40 Prozent der Einwohner regelmäßig mit dem Rad unterwegs sind, liegt der Anteil im Kreis Stormarn nach ADFC-Angaben bei gerade mal 13 bis 15 Prozent. Die meisten lassen also ihr Rad lieber zu Hause. „Obwohl Radfahren weiter im Trend liegt, ist die Infrastruktur in Stormarn nicht mitgewachsen“, sagt ADFC-Experte Jürgen Hentschke. Polizeistatistiken dokumentieren, wie häufig Fahrradfahrer zu Opfern von Verkehrsunfällen werden. „Die Anzahl der getöteten und verletzten Radfahrer auf Schleswig-Holsteins Straßen bewegt sich seit Jahren auf einem erschreckend hohen Niveau“, sagte ein Sprecher des Landespolizeiamtes in Kiel. Ein Viertel aller verletzten oder getöteten Verkehrsteilnehmer seien Radfahrer. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Zu den häufigsten Konflikten zwischen Verkehrsteilnehmern komme es an Kreuzungen und Einmündungen.

Nach Angaben der Polizeidirektion Ratzeburg ereigneten sich im vergangenen Jahr allein in Ahrensburg 57 Fahrradunfälle. In Bad Oldesloe stieg diese Zahl von 38 (im Jahr 2015) auf 50 (2017), in Reinbek im gleichen Zeitraum von 22 auf 31 und in Oststeinbek von acht auf elf. In Trittau kam ein Radfahrer im September 2016 ums Leben. Ein Lkw-Fahrer hatte ihn beim Abbiegen übersehen. „Trittau ist die schlimmste Stadt für Radfahrer im Kreis Stormarn“, sagt Jürgen Hentschke, der selbst jedes Jahr rund 4500 Kilometer mit dem Fahrrad unterwegs ist. Er fordert eine sichere und übersichtliche Führung des Radverkehrs auf den Straßen, Tempo 30 im Stadtgebiet (ausgenommen die Hauptverkehrsachsen) sowie mehr Rücksichtnahme unter allen Verkehrsteilnehmern. „Die Einhaltung und Kontrolle der Straßenverkehrsordnung würde für erheblich sicheren Ablauf des Straßenverkehrs sorgen“, sagt Hentschke. Seit Jahren arbeiten Städte und Gemeinden im Kreis daran, die Radwegesituation zu optimieren. „Eine Verbesserung hat in den letzten Jahren in Ahrensburg definitiv stattgefunden“, sagt Imke Bär, Sprecherin der Stadt Ahrensburg. Bei den Planungen für neue Straßen und Reparaturen rückten die Radfahrer vermehrt in den Focus.

Vorzeigeprojekt könnte Radschnellweg nach Hamburg werden

Zum Vorzeigeprojekt könnte ein 8,5 Kilometer langer Radschnellweg von Ahrensburg nach Hamburg werden (wir berichteten). „Die Machbarkeitsstudien für diese und weitere Trassen rund um Hamburg befinden sich derzeit in einer europaweiten Ausschreibung“, sagte Marion Köhler, Sprecherin der Metropolregion Hamburg. „Die Entscheidung ist für den Spätsommer geplant. Wir rechnen also damit, dass die Arbeit daran im September beginnen wird.“

Die hohe Qualität und Sicherheit dieser „Fahrradautobahn“ (komplett asphaltiert, bis zu vier Meter breit) dürfte für viele Radfahrer in Stormarn Ansporn sein, sich mal wieder für eine längere Strecke entspannt auf den Sattel zu schwingen. Denn holprige Radwege gibt es bekanntlich genug.

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Liebe Leser, welche Erfahrungen haben Sie als Radfahrer im Kreis Stormarn gemacht? Was muss verbessert werden? Wo sind besonders gute Strecken? Schreiben Sie uns per E-Mail an die Adresse stormarn@abendblatt.de

Die Serie:

1. Ammersbek 2. Ahrensburg 3. Glinde 4. Bargteheide 5. Trittau 6. Bad Oldesloe 7. Barsbüttel 8. Großhansdorf 9. Oststeinbek 10. Reinbek 11. Reinfeld

Die Testkriterien:

1. Was wurde im vergangenen Jahr für den Radverkehr getan? 2.Sicherheit auf Radwegen, an Kreuzungen und die Qualität der Fahrbahn. 3. Respekt für die Teilnehmer am Straßenverkehr. 4. Gibt es Fahrradstraßen, Fahrradstreifen und Schutzstreifen? 5. Wie gut sind die Radwege beschildert?