Ahrensburg/Kiel. Innenministerium informiert Politik und Verwaltung über Vorgaben zum Flächennutzungsplan. Fehler können für die Stadt teuer werden.
Es war eine Art Nachhilfestunde in Rechtskunde, die für einige Ahrensburger Kommunalpolitiker bei einer vertraulichen Runde im Rathaus auf der Agenda stand. Dabei ging es um die Frage, ob, wo und wie stark Ahrensburg wachsen muss. Zu diesem Zweck reisten drei Vertreterinnen des Innenministeriums vergangene Woche aus Kiel an, um Abgesandten aller Fraktionen und Mitarbeitern der Baubehörde zu verdeutlichen, an welche Gesetze sich Verwaltung und Politik bei der Ausweisung des neuen Flächennutzungsplans (F-Plan) zu halten haben. Denn erfüllt die Stadt die Vorgaben des Landes nicht, verweigert Kiel die Genehmigung des allumfassenden Werkes, an dem ungezählte Fachleute seit dem Jahr 2011 arbeiten – und das bis heute schon Hunderttausende Euro verschlungen hat.
Verwaltung will Politik auf klare Vorgaben einschwören
Zum Hintergrund: Bereits im Frühjahr 2017 hatte die Landesplanungsbehörde Nachbesserungen bei den Entwürfen zum F-Plan gefordert, verlangte mehr Neubaugebiete. Auch soll der Plan bis 2030 ausgelegt sein, statt – wie bis dato vorgesehen – nur bis 2025. Ein Flächennutzungsplan ist das strategisch wichtigste Planungsinstrument einer Kommune. Er gibt vor, welche Areale bebaut werden dürfen, welche für Gewerbe infrage kommen, wo Grünflächen erhalten bleiben sollen. Wie viele Häuser eines Tages tatsächlich an welcher Stelle entstehen, darüber entscheiden jedoch Verwaltung und Politik allein.
Der Ahrensburger Bürgermeister, Michael Sarach, zeigt sich auf Anfrage „sehr verwundert, dass das Abendblatt Kenntnis von der interfraktionellen Sitzung hat“. Und sagt zur Sache: „Ich bin als Chef der Verwaltung verpflichtet, den Vorgaben nachzukommen. Insofern ist das für mich nichts Neues. Inhaltlich hat der Termin aber das bestätigt, was ich den Stadtverordneten schon seit Jahren zu vermitteln versuche.“ Er habe für Bauflächen im Norden der Stadt plädiert, die Mehrheit der Politik habe anders entschieden. Erst dann sei der Süden Ahrensburgs für Potenzialflächen ins Gespräch gekommen.
Klare Ansagen der Besucherinnen aus Kiel
Die Besucherinnen aus Kiel, die nach Abendblatt-Informationen auf Bestreben der Stadt nach Ahrensburg kamen, machten klare Ansagen. Zwar sichert Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes zu: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln …“ Aber Landesentwicklungs- und Regionalplan besagen eben auch: „Als Mittelzentrum im Verdichtungsraum um Hamburg und als Schwerpunkt für den Wohnungsbau auf der Siedlungsachse Hamburg–Bad Oldesloe muss Ahrensburg eine besondere Verantwortung für die Deckung des Wohnungsbedarfs übernehmen. Die Stadt ist zu einer – der zukünftigen Entwicklung angepassten – Ausweisung von Wohnbauflächen verpflichtet.“ Basta.
Dabei müssen verschiedene Faktoren wie das Bevölkerungswachstum berücksichtigt werden. So wurde den Politikern anhand von Schaubildern verdeutlicht, dass Kiel dem Kreis Stormarn mit mehr als 15.000 Neubürgern bis zum Jahr 2030 einen deutlich stärkeren Zuzug prognostiziert als etwa den Nachbarkreisen Herzogtum Lauenburg (plus 4290) oder Segeberg (plus 9460). Bei der Ausweisung von Flächen müsse bedacht werden, „bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, insbesondere für mittlere und untere Einkommensgruppen, Familien mit Kindern“.
Grüne und CDU wollen die City verdichten, SPD warnt andere
Im Regionalplan für Ahrensburg heißt es wörtlich: „Das Stadtzentrum soll zur Erweiterung von Flächen für Handel, Dienstleistung und Wohnen zu einer leistungsfähigen und attraktiven Stadtmitte ausgebaut werden. Die wohnbauliche Entwicklung soll schwerpunktmäßig Richtung Norden fortgeführt werden. Hierbei sollen die baulichen Verflechtungen zwischen Ahrensburg-Gartenholz und Teilen der Gemeinde Delingsdorf durch gemeindeübergreifende Planung unterstützt werden.“ Das jedoch sind echte Knackpunkte für CDU und Grüne.
So sagt Carola Behr, die für die CDU bei der Sitzung im Rathaus dabei war: „Ja, wir müssen die Vorgaben zur Wohnraumschaffung erfüllen. Aber unser Fokus liegt auf der Innenverdichtung. Und vor allem müssen wir erst einmal die nötige Infrastruktur schaffen, Straßen bauen und für Kita-Plätze sorgen.“ Erlenhof-Nord sei für die CDU keine Option. Gegen eine Festlegung auf Potenzialflächen östlich der Lübecker Straße in Richtung Delingsdorf spreche nichts. Christian Schmidt (Grüne) sagt, auch seine Partei bevorzuge eine Verdichtung in der City. Auch für ihn sei Erlenhof-Nord indiskutabel. Er wünsche sich, dass Verwaltung und Politik schnell eine gemeinsame Linie finden, um weitere Kosten für die Stadt zu vermeiden.
Uneinigkeit über den Weg zur Erfüllung der Soll-Vorgaben
Für die FDP widerspricht Fraktionschef Thomas Bellizzi. Er selbst war zwar nicht im Rathaus dabei, wurde aber von Parteifreund Olaf Falke informiert. Bellizzi sagt: „Die Vorgaben aus Kiel kennen wir seit einem Jahr. CDU und Grüne haben aber bisher vieles davon ignoriert, sogar öffentlich Gegenteiliges behauptet. Insofern freue ich mich über die klaren Ansagen.“ Ahrensburg müsse den Vorgaben folgen, „alles andere wären falsche Versprechen gegenüber den Wählern“. Zur von CDU und Grünen favorisierten Innenverdichtung sagt er: „Das wird niemals ausreichen, um die Vorgaben zu erfüllen.“
Ins selbe Horn stößt Hartmut Möller (SPD): „Mir ist an dem Abend klar geworden, dass Kiel einen unzureichenden F-Plan aushebeln kann. Wer die Wohnraum- und Bevölkerungsentwicklung vernachlässigt, muss sich nicht wundern, wenn der Plan später nicht genehmigt wird.“ Sein Parteikollege Jochen Proske ergänzt: „Insofern sollten sich die Damen und Herren von der CDU genau überlegen, ob sie weiter auf der Basis von Gesetzen oder von Wunschvorstellungen arbeiten wollen.“
WAB hält 2300 Einheiten bis zum Jahr 2030 für realistisch
Und wie denkt die Wählergemeinschaft WAB darüber? Peter Egan sagt: „Das Ministerium möchte das Wachstum im Hamburger Speckgürtel in vernünftige Bahnen lenken.“ Das sei nachvollziehbar. Er halte die Forderung, Ahrensburg solle die Voraussetzungen für 2300 neue Wohneinheiten bis zum Jahr 2030 schaffen, für realistisch. Egan weiter: „Uns muss klar sein, dass es sonst Probleme bei der Genehmigung gibt.“
Und genau das liegt wohl kaum im Interesse der Beteiligten oder dem der Bürger. Müsste die Stadt nachsitzen, wären zusätzliche Kosten die logische Folge. Die Verweigerung Kiels wäre zwar die einzige, gleichwohl aber die schärfste Sanktionsmöglichkeit – denn sie käme Ahrensburg teuer zu stehen.