Pölitz. Bürgermeister von Pölitz beklagt katastrophalen Zustand der Landesstraße 88. Ministerium sieht aber keine Priorität.

Mehr als 5300 Autos müssten täglich auf der Landesstraße 88 durch die Ortsteile Krummbek und Schmachthagen unterwegs sein, damit sie saniert wird. Der Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr (LBV) zählte jedoch nur etwa ein Achtel davon. Auch eine „Netzwerkfunktion“ erfüllt die Straße nicht. Dass es deshalb kaum Hoffnung auf eine neue Fahrbahn gibt, will Martin Beck, Bürgermeister der Gemeine Pölitz, nicht mehr hinnehmen. Mit einem Brandbrief wandte er sich jetzt an das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie. In dem Schreiben weist er detailliert auf unübersehbare Probleme hin: herausgebrochener Asphalt, tiefe Schlaglöcher, regelrechte Krater am Straßenrand.

Der LBV hat die L 88 in Kategorie zwei eingestuft. Das bedeutet, dass keine erhaltenden Maßnahmen vorgesehen sind. „Dort fahren täglich nur ungefähr 700 Autos, und sie verbindet keine zentralen Orte miteinander“, sagt Jens Sommerburg, Leiter der Niederlassung in Lübeck. Mit der Einteilung will das Verkehrsministerium einen über Jahrzehnte angehäuften Sanierungsstau abbauen. Pressesprecher Harald Haase sagte zum Abendblatt, eine Prioritätensetzung sei zwingend erforderlich, „um zu vermeiden, dass stets nur derjenige Bürgermeister zum Zuge kommt, der am lautesten um Hilfe schreit“.

Vor zwei Jahren entwurzelte ein Sturm 70 Linden

Vor zwei Jahren fielen 70 Linden auf die Fahrbahn
Vor zwei Jahren fielen 70 Linden auf die Fahrbahn © Dorothea Benedikt

Damit will Martin Beck sich jedoch nicht abfinden. „Es stimmt, dass die L 88 keine viel befahrene Strecke ist. Trotzdem ist sie doch eine Straße und soll benutzt werden“, sagt er. Besonders ärgerlich ist für ihn und seine Gemeinde, dass auch nach einem Sturmschaden im Jahr 2015 nicht grundlegend saniert wurde. Windböen hatten 70 der namensgebenden Linden entwurzelt, die tiefe Löcher in den Asphalt rissen. Diese wurden damals lediglich aufgefüllt.

Heute verwandelt sich die Fahrbahn der Lindenallee jeden Tag mehr in einen Flickenteppich. „Ein großes Problem sind die vielen Schlaglöcher“, meint Beck. „Bei Regen ist kaum zu erkennen, wie tief sie sind.“ Mehrere Bürger beklagen bereits Schäden an ihren Fahrzeugen. Außerdem ist die Straße an einigen Stellen sehr schmal, so dass Autofahrer bei Gegenverkehr auf den unbefestigten Fahrbahnrand ausweichen müssen. Ein Risiko, besonders bei hoher Geschwindigkeit. Eine offizielle Begrenzung gibt es nicht, theoretisch wären 100 km/h erlaubt. Auch das sieht Beck kritisch. Ein schwerer Unfall ist ihm zwar nicht bekannt, einmal blieb jedoch ein Linienbus stecken, der auf dieser Strecke hauptsächlich Schulkinder befördert.

Die Straße wird als Ausweichstrecke bei Stau auf der Autobahn genutzt

Zuletzt hat sich die Situation noch dadurch verschlechtert, dass die Straße als Ausweichstrecke bei Stau oder Sperrungen auf der Autobahn 1 genutzt wurde. Offiziell führt die Umleitung dort nicht entlang, viele Auto- und Lkw-Fahrer wurden von ihren Navigationssystemen trotzdem auf die L 88 geführt.

Mittlerweile vergehe kaum ein Tag, an dem er nicht auf den desolaten Zustand der Straße angesprochen werde, sagt der Bürgermeister. Ihm sind jedoch die Hände gebunden. Denn die Lindenallee ist eine Landesstraße. Deshalb jetzt der Hilferuf an das Ministerium.

Dort ist die Angelegenheit bekannt: „Es besteht für die L 88 objektiv dringender Sanierungsbedarf, die Randbedingungen lassen aber derzeit außer den betrieblichen Flickarbeiten keine weitergehenden Maßnahmen zu“, so Haase. Der Straßenaufbau, die Fahrbahnbreite und auch naturschutzrechtliche Bedingungen stünden einer grundhaften Erneuerung entgegen, es wäre ein planungsrechtliches Verfahren für einen Neubau notwendig. Für die umfangreiche Sanierung einer Straße mit so geringem Verkehrsaufkommen fehlten zudem schlicht die finanziellen Mittel.

Die Landesstraße gleicht einem Flickenteppich voller Löcher
Die Landesstraße gleicht einem Flickenteppich voller Löcher © HA | Friederike Deichsler

Claus Christian Claussen, Landtagskandidat der CDU, ist anderer Meinung: Das Geld sei vorhanden, werde aber an falscher Stelle ausgegeben. Die Prioritäteneinteilung hält er für „eine unglaubliche Fehlentscheidung“, spricht von „Mangelverwaltung“. „Die Landesregierung lässt geschaffene Infrastruktur einfach verfallen.“

Susanne Danhier dagegen, die für die SPD kandidiert, spricht sich für die Einteilung aus. „Die Prioritätenliste bringt mehr Transparenz“, sagt sie. „Früher war oft nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien die Mittel für Sanierungen vergeben wurden.“ Den Zustand der L 88 findet sie dennoch bedauerlich. „Ich würde mir wünschen, dass noch einmal Dynamik reinkommt und vielleicht doch etwas bewegt werden kann.“

Ex-Finanzminister Wiegard schaltet sich ein

Bisher hat sich an der Einstufung der Straße nichts geändert, bekräftigt Jens Sommerburg. Laut Ministeriumssprecher Haase seien daher in absehbarer Zeit keine Sanierungsmaßnahmen darstellbar. „Die Straße bleibt jetzt so wie sie ist und wird entsprechend der Aussagen im Zustandsbericht der Landesstraßen betrieben.“

Unterstützung für Martin Beck gibt es aus dem Landtag. Der CDU-Abgeordnete und ehemalige Finanz- und Innenminister Rainer Wiegard sagt: „In Stormarn wird das Geld verdient, dass an anderer Stelle ausgegeben werden kann. Im wirtschaftsstärksten Kreis, wo viel passiert, muss auch mehr getan werden.“ Auch als Landesvermögen müssten die Straßen erhalten werden. Wiegard hat den Brandbrief des Pölitzer Bürgermeisters zum Anlass genommen, ganz offiziell eine Stellungnahme von Verkehrsminister Reinhard Meyer zu fordern.