Ahrensburg. Wie viel Kinder von Asylbewerbern heute erstmals zum Unterricht an den Stormarner Schulen erscheinen, wissen die Behörden nicht.
Am ersten Tag des neuen Schuljahres werden heute vor einigen Schulen in Stormarn Kinder und Jugendliche stehen, die bisher in keinem Schulentwicklungsplan berücksichtigt worden sind, weil mit ihnen bis vor Kurzem auch niemand gerechnet hat: Flüchtlinge. Sie sollen, ja sie müssen in den regulären Schulbetrieb integriert werden. Und das ist insbesondere wegen der schlechten Planbarkeit eine große Herausforderung. „Wie viele Flüchtlingskinder wirklich zu uns kommen, wissen wir erst am Montagmorgen, wenn sie bei uns vor der Tür stehen“, sagt etwa Thomas Gehrke, Konrektor der Gemeinschaftsschule Am Heimgarten in Ahrensburg.
Der Hintergrund: In Deutschland gilt für alle Kinder die Schulpflicht. Auch für die von Asylbewerbern. Die täglich steigende und schwer vorherzusagende Zahl an Flüchtlingen macht es den Behörden aber schwer, die schulpflichtigen unter ihnen zu erfassen. In der vergangenen Woche waren 1467 Flüchtlinge in Stormarn registriert. Eine bislang einmalig im Juni dieses Jahres erstellte Statistik führt 142 Flüchtlingskinder unter 14 Jahren in Stormarn auf, die einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben oder als schulpflichtig eingestuft sind. Doch das kann eben nur ein ungefährer Wert sein. Verlässliche Zahlen gibt es schlicht nicht.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich am heutigen Montag wohl viele Flüchtlinge in einer Schule melden werden – aber kein Wort Deutsch sprechen. „Gerade für die schnelle Integration von Flüchtlingskindern ist die deutsche Sprache aber eine wichtige Voraussetzung“, sagt Ulrike Meyborg, Flüchtlingsbeauftragte der Stadt Bargteheide und des Amtes Bargteheide-Land. Um diese Integration zu leisten, gibt es in Stormarn vier sogenannte DaZ-Zentren. DaZ ist eine Abkürzung, die für Deutsch als Zweitsprache steht. Dort kümmern sich Pädagogen um die intensive Förderung aller ausländischen Kinder.
Die Gemeinschaftsschule Am Heimgarten ist für alle schulpflichtigen ausländischen Kinder der fünften bis zehnten Klassen mit Förderbedarf in Deutsch im Umfeld Ahrensburgs zuständig. Großhansdorf, Bargteheide, Trittau, Ammersbek – alle umliegenden Städte und Gemeinden schicken ihre Kinder, die vor einem Besuch einer Regelschule die deutsche Sprache lernen müssen, nach Ahrensburg. Die Grundschüler werden entsprechend im DaZ-Zentrum an der Ahrensburger Grundschule am Schloss und an der Stadtschule Bad Oldesloe unterrichtet.
Suche nach speziell geschulten Pädagogen läuft sehr langsam an
Vor den Sommerferien besuchten 70 Flüchtlingskinder das DaZ-Zentrum Am Heimgarten. Wie viele es an diesem Montagmorgen sind, ist bis zuletzt unbekannt gewesen. Elfjährige sitzen neben Fünfzehnjährigen, Kinder aus Afghanistan neben Kindern aus Eritrea, Serbien und Syrien. Mindestens 20 Kinder gehen in eine Klasse, ihnen steht nur ein Pädagoge zur Verfügung. „Die Suche nach speziell ausgebildeten Kollegen läuft nur sehr langsam an“, sagt Konrektor Gehrke. Neben der sprachlichen Qualifikation müssten die Lehrer auch mit teils stark traumatisierten Kindern umgehen können. „Leider reagiert das Land nur, statt vorausschauend zu planen“, kritisiert er. An der Ahrensburger Schule stehen dem DaZ-Zentrum drei hauptamtliche Lehrer zur Verfügung, fünf bis zehn Kollegen arbeiten stundenweise zu. An der Oldesloer Stadtschule sind es sechs Pädagogen, die sich schwerpunktmäßig um die DaZ-Förderung kümmern.
In den Basiskursen werden die Schüler bis zu 27 Stunden pro Woche unterrichtet. Dabei steht ausschließlich das Erlernen der Deutschen Sprache auf dem Stundenplan. In den Aufbaukursen werden später auch Fächer wie Mathematik, Geschichte und Erdkunde unterrichtet. Sind die Flüchtlingskinder sprachlich fortgeschritten, können sie schrittweise in reguläre Schulklassen integriert werden.
Für die Schülerinnen und Schüler, die oftmals noch kein Wort Deutsch sprechen oder verstehen, wird der Schulbesuch schnell zu einem Abenteuer. „Von Bargteheide aus fahren die Kinder mit dem Bus zur Schule“, sagt Ulrike Meyborg. „Schulschluss und Buszeiten sind nicht aufeinander abgestimmt, sodass Wartezeiten von 50 Minuten entstehen.“ Aus Bargteheide werden sich voraussichtlich mindestens 46 Kinder auf den Weg nach Ahrensburg machen. Für den Schulweg zur Grundschule nach Bad Oldesloe gibt es in der Anfangszeit noch einen Bus, der die Kinder abholt.
Auch die räumliche Unterbringung kann mit steigenden Flüchtlingszahlen zum Problem werden. In Bad Oldesloe wurden bereits zwei Klassen ausgelagert, die Schule hat weiteren Raumbedarf angemeldet. „Ich bin sicher, dass das Problem schnell gelöst wird“, sagt Sabine Prinz, Schulleiterin der Stadtschule. „Das Thema DaZ hat größte Priorität.“ In der vergangenen Woche meldeten sich dort 14 Flüchtlingskinder zum Deutschunterricht an. „Uns ist klar, dass es in näherer Zukunft noch mehr werden können.“ Bislang werden 40 DaZ-Kinder an der Stadtschule unterricht.