Reinbek. Wie könnte sich die Stadt in nächster Zeit verändern? Bürgermeister Björn Warmer erklärt im Abendblatt seine Herausforderungen.

Zumindest ein Wunsch geht für Björn Warmer 2015 noch in Erfüllung. Ende des Jahres wird Reinbeks Bürgermeister zum zweiten Mal Vater. Und beruflich? Der 40-Jährige wartet einen Moment, holt tief Luft. Wünsche hat er viele. „Vor allem aber, dass sich die Politik über Ziele einig wird“, sagt der Jurist. Nur dann kann er der Stadt einen roten Faden aufzeigen, von dem er kurz vor seinem Amtsantritt im September vergangenen Jahres im Interview mit der Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn gesprochen hatte. „Ziel ist, dass es uns gelingt, Reinbek in den kommenden Jahren eine endgültige Form zu geben.“ Es sei noch ein langer Weg. Baustellen gibt es viele. Zu den wichtigsten führte Warmer das Abendblatt während eines Stadtspaziergangs und sprach über den Stand verschiedener Projekte.

Stadtentwicklung

Junge Familien, die vergeblich eine Wohnung suchen und ältere Menschen, die sich nach kleinen Unterkünften sehnen – damit wird der Bürgermeister immer wieder konfrontiert. Er spricht von Mehrgenerationenquartieren, um dieses Problem anzugehen. Nur wo? „Es gibt hier viele Tabus, Stadtteile wollen ihre städtebauliche Eigenständigkeit behalten.“ Zudem seien in Reinbek zahlreiche Weichen auf Strukturerhalt gestellt, so der Verwaltungschef. „Man könnte über die Stadt auch sagen: Sie schläft, meine Schöne.“ Derartiges Denken behindert Warmer bei seinen Plänen. Deshalb wünscht er sich ein integriertes Stadtentwicklungskonzept. Bis 2020 sei das eines der wichtigsten Projekte. „Wenn man in Zusammenhängen planen will, dann geht es nur so.“ Seine Vision von Stadtentwicklung ist eine dynamische. „Allerdings halte ich es da wie Fußballtrainer Otto Rehhagel mit der kontrollierten Offensive.“

Bevölkerung

Björn Warmer und Ina Vanessa Skorka-Müller von der Buchhandlung Erdmann
Björn Warmer und Ina Vanessa Skorka-Müller von der Buchhandlung Erdmann © HA | René Soukup

Reinbek ist angesagt. Viele Menschen wollen dort leben, 26.700 sind es derzeit. Die Stadt verfügt über eine gute Infrastruktur, zählt allein 19 Kindertagesstätten. Auch hat sie ein Schwimmbad, ein Krankenhaus, Gymnasium sowie Gemeinschaftsschule und eine S-Bahnstation. Hinzu kommen Dutzende Vereine und Verbände, die für eine hohe Lebensqualität sorgen. Warmer sieht die Stadt mittelfristig um 2700 Menschen wachsen: „Das Erreichen der 30.000-Einwohner-Marke ist realistisch.“

Baugebiete

Im Stadtteil Neuschönningstedt am Oher Weg sollen in zwei Jahren bis zu 240 Wohneinheiten mit einem Mix, der alle Bevölkerungsgruppen anspricht, entstehen: Geschosswohnungen zur Miete, einige von ihnen öffentlich gefördert, Eigentumswohnungen in Stadtvillen sowie Doppel- und Reihenhäuser. 35 Millionen Euro kostet das Projekt. Warmer blickt auf das Feld, wo die Gebäude realisiert werden sollen. „Wir benötigen vor allem kleinere Wohnungen. Der Siedlungsdruck ist hoch.“ Abhilfe soll 2016 an der Fontanestraße mit Reihenhäusern und einem Mehrfamilienhaus geschaffen werden, 38 Wohneinheiten sind es dort. Zwischen Königstraße und Am Salteich ist ein Wohngebiet mit 33 Grundstücken für Einzel- und Doppelhäuser geplant, ebenfalls im kommenden Jahr. Warmer: „Mit ist wichtig, die Bevölkerung bei Bauvorhaben eng in die Diskussion einzubinden.“ Über das Holzvogtland im Stadtteil Schönningstedt sagt er: „Das Ding ist so verbrannt, dass sich da keiner mehr heranwagt. Aber über dieses Areal sollten wir mal reden.“ Die Politik wollte dort bereits vor 16 Jahren Wohnungen entstehen lassen. Die Reinbeker stellten sich gegen das Projekt. Beim Bürgerentscheid votierten 69,5 Prozent gegen die Bebauung.

Rathaussanierung

Abendblatt-Redakteur René Soukup mit  Bürgermeister Björn Warmer vor dem Rathaus
Abendblatt-Redakteur René Soukup mit Bürgermeister Björn Warmer vor dem Rathaus © HA | Birgit Schücking

Beim Gang durch Schönningstedt bleibt Warmer kurz vor dem Einkaufszentrum in der Sachsenwaldstraße stehen. „Warum nicht in dieser Umgebung ein Rathaus bauen“, sagt er. Es klingt mehr nach einer Frage. Doch ein Neubau scheint nicht realistisch, zu schlecht ist die finanzielle Lage der Stadt. Sie ist mit rund 30 Millionen Euro verschuldet. SPD-Fraktionschef Volker Müller kann sich jedenfalls nicht vorstellen, dass es für den Neubau eine politische Mehrheit gibt. Wahrscheinlich läuft es auf eine häppchenweise Sanierung hinaus. Modernen Anforderungen entspricht das Haus aus den 70er-Jahren nicht mehr: So könnten die Fassaden gedämmt 50 Prozent Energie einsparen. Auch ist das Mobiliar in etlichen Büros ein Sammelsurium aus mehreren Jahrzehnten, Teppiche haben ihren Zenit überschritten. „Ich wünsche mir eine motivierende Arbeitsumgebung, in einigen Bereichen ist das nicht der Fall“, so Warmer. „Deshalb sollte das Thema 2019 konkret werden.“

Schulzentrum Mühlenredder

Das Schulzentrum Mühlenredder ist sanierungsbedürftig
Das Schulzentrum Mühlenredder ist sanierungsbedürftig © HA | René Soukup

An der Gemeinschaftsschule im Schulzentrum am Mühlenredder gibt es jetzt eine gymnasiale Oberstufe. Die Bildungseinrichtung mit seinen 600 Schülern ist stark sanierungsbedürftig, wegen des neuen Angebots werden mehr Räume benötigt. Schon jetzt müssen auf dem Gelände zwei Container für den Unterricht aufgestellt werden. Warmer: „Und in den kommenden drei Jahren wird die Schülerzahl weiter wachsen.“ Das Investitionsvolumen beziffert er auf mehrere Millionen Euro. „Frühestens 2017 soll es losgehen.“

Neues Feuerwehrgebäude

Wenn der Startschuss für die Sanierung der Schule erfolgt, könnte auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Bau des Feuerwehrhauses auf dem Grandplatz schon abgeschlossen sein. Vor Kurzem hatte die Arbeitsgemeinschaft Jan Derveaux und Rimpau & Bauer Architekten aus Berlin den Architekturwettbewerb für das Projekt gewonnen. Warmer hofft, im kommenden Jahr mit dem Bau zu beginnen. Die teilweise zweigeschossige Wache mit 2800 Quadratmetern Nutzfläche soll rund 4,5 Millionen Euro kosten. Als Ausgleich für den Grandplatz soll die TSV einen Kunstrasenplatz direkt vor der Sporthalle bekommen. Warmer will das Thema jetzt in die Ausschüsse bringen. „Der Verein braucht Planungssicherheit, ich unterstütze das Projekt.“ Dass die TSV an den Baukosten beteiligt wird, möchte er nicht.

Flüchtlinge

Reinbek steht beim Thema Flüchtlinge vor einer enormen Herausforderung, muss nach Ahrensburg die meisten von ihnen aufnehmen. Derzeit leben rund 160 Hilfesuchende in der Stadt. Ursprünglich sollten es am Jahresende 269 sein. Nachdem der Bund die Prognose erhöht hat, muss sich Reinbek auf bis zu 100 weitere Flüchtlinge einstellen. Derzeit baut die Stadt jeweils sechs Mobilheime am Freizeitbad und südlich der Feldstraße mit Platz für 50 Personen – das reicht aber nicht. Im Rathaus steht das Thema auf der Agenda ganz oben. Einmal pro Woche tagen die Führungskräfte. Vor allem geht es um neue Standorte. Diese wird Warmer den Parteien jetzt vorschlagen. Über die Forderungen von Kommunalpolitikern, zeitnah Wohnungen für Flüchtlinge zu bauen, sagt er: „Ich halte das für eine intelligente Lösung.“

Gewerbe

Amandus Kahl, der Rowohlt-Verlag oder auch Peek & Cloppenburg – das sind nur einige namhafte Unternehmen, die in Reinbek Gewerbesteuern zahlen. Knapp 20 Millionen Euro nimmt die Stadt so pro Jahr ein. Der Papiergroßhändler E. Michaelis & Co möchte im Gewerbegebiet Haidland expandieren. Eine Initiative hatte ein Bürgerbegehren dagegen gestartet und die nötige Anzahl an Unterschriften gesammelt. Zu einem Bürgerentscheid wird es vorerst aber nicht kommen, da der Aufstellungsbeschluss für den B-Plan aufgehoben wurde, um zwei weitere Firmen, die auf der Fläche ebenfalls bauen möchten, nicht zu verprellen. Im Herbst soll es zwei separate Aufstellungsbeschlüsse geben. „Wir müssen mit der Initiative wieder ins Gespräch kommen. Es ist wichtig, dass Michaelis vorankommt“, sagt Warmer. Neue Gewerbegebiete werde es in der Stadt nicht geben.

Zukunft des FC Voran Ohe

Seit Jahren klagt der FC Voran Ohe über den Sanierungsstau auf seiner Sportanlage, zudem reichen die Hallenkapazitäten für den 1400 Mitglieder starken Dorfverein nicht aus. Im Gespräch ist nach wie vor ein Umzug auf ein städtisches Grundstück an der Ecke Haidkrugchaussee/Am Sportplatz gegenüber dem Kalksandsteinwerk im Ortsteil Neuschönningstedt. Doch die Auflagen der Landesplanungsbehörde sind hoch. Sie verlangt von der Stadt ein Sportstättenentwicklungskonzept, weil sich die Fläche im Außenbereich befindet. Das kostet Zeit. Und die hat der Verein eigentlich nicht, ein Aufnahmestopp ist nicht ausgeschlossen. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass Ohe eine Sportstätte hat, die Perspektive bietet“, sagt Warmer. Dort müsse es eine Veränderung geben. Also genau das, was sich Warmer in vielen Bereichen für Reinbek wünscht.