Bargteheide. Jetzt sitzt Andreas Reigbert in der Falle: Denn mit seinem Gefährt kommt er am Bargteheider Bahnhof auch nicht in den Zug.

Nun ist genau das passiert, was zu befürchten war: Es hat gekracht. Gestern, unmittelbar am Tag der Abendblatt-Berichterstattung über Andreas Reigbert und über die Tatsache, dass es für ihn unmöglich ist, im Bargteheider Bahnhof in den Zug zu gelangen, erreichte die Redaktion ein Anruf des an Multipler Sklerose Erkrankten. Von unterwegs.

Der Bargteheider saß in der Regionalbahn nach Hamburg, in seinem wahrscheinlich beschädigten E-Mobil. Beim Versuch, über die Rampe in den Waggon zu gelangen, hatte sein Gefährt aufgesetzt. Dabei wollte er wie immer mit einem Bus der Bahn-Tochtergesellschaft Autokraft nach Ahrensburg fahren, um dort sicher in den Zug zu gelangen. Aber das ging nicht. Reigbert: „Der Busfahrer hat mich nicht mitgenommen. Eine neue Vorschrift.“

Der Weg zum barrierefreien Bahnhof ist versperrt

Der Zugang zur Bahn bleibt Andreas Reigbert verwehrt. Die Rampe ist zu steil
Der Zugang zur Bahn bleibt Andreas Reigbert verwehrt. Die Rampe ist zu steil © HA | Martina Tabel

Beschädigt ist vermutlich auch die Rampe, über die der 53-Jährige in den Waggon gelangt war. Ob da noch eine Forderung wegen Sachbeschädigung kommt, wisse er nicht. „Der Zugbegleiter ist jedenfalls ziemlich sauer. In der Rampe sei eine Delle“, berichtete der Bargteheider per Telefon direkt nach dem Vorfall und rang dabei hörbar um Fassung. Er hatte gewusst, dass er mit seinem Gefährt auf der Rampe aufsetzen würde. Dass die Bahnsteige am Bargteheider Bahnhof zu niedrig sind und die Rampe deswegen zu steil ist. Dass er nur im barrierefreien Ahrensburger Bahnhof ohne Risiko in den Zug hätte gelangen können.

Aber es blieb ihm keine Wahl. Was dem Behinderten, der seit zweieinhalb Jahren nicht mehr laufen kann, überhaupt noch für eine Wahl bleibt, öffentliche Verkehrsmitteln zu benutzen, ist ungewiss: Andreas Reigbert sitzt in seinem Hilfsgefährt – und in der Falle. Denn jetzt ist für ihn nicht nur der Zugang zur Bahn in Bargteheide verwehrt, sondern auch der Zugang zum Bus und damit auch der Einstieg in den Zug in Ahrensburg.

Der Bahn die Kosten für ein Taxi in Rechnung stellen

„Ich bin gespannt, was passiert, wenn ich zurückkomme“, meldete sich Andreas Reigbert aus dem Zug. „Wenn mich der Bus auch in Ahrensburg nicht mitnimmt, muss ich ein Spezialtaxi anfordern.“ Er überlege, ob er die Kosten von rund 25 Euro der Bahn in Rechnung stelle. „Mit meinem E-Mobil kann ich zehn Kilometer in der Stunde fahren. Da komme ich nicht weit.“

Die Aussichten für den Bargteheider sind allerdings düster. „Es stimmt. Der Verband der Deutschen Verkehrsunternehmen hat im November 2014 die Empfehlung rausgegeben, künftig E-Scooter nicht mehr im Bus zu transportieren“, sagt Bahnsprecherin Sabine Brunkhorst. „Daran halten wir uns.“

Hintergrund sei eine vom Verband in Auftrag gegebene Studie, die auf die Gefahr beim Transport der Gefährte hinweise. „Sie haben alle unterschiedliche Maße und unterschiedlich hohe Schwerpunkte“, sagt die Bahnsprecherin. Es drohe die Gefahr, dass sie in der Kurve umkippen und sowohl der Behinderte als auch Fahrgäste verletzt werden könnten. Zumal die E-Scooter quer zur Fahrtrichtung stehen und der Platz im Bus begrenzt sei. Brunkhorst: „Sicherheit hat für uns oberste Priorität.“ Und natürlich sei die Haftungsfrage wichtig. „Das ist nur fair gegenüber dem Busfahrer.“ Fair ist für Andreas Reigbert ein Reizwort. Und er bekommt Rückendeckung vom Bargteheider Bürgermeister. „Langsam wird das skurril“, sagt Henning Görtz.

Ein elektrischer Rollstuhl würde 20.000 Euro kosten

Seit Jahren fordere die Stadt, dass der Bahnhof barrierefrei umgebaut werde. Görtz: „Wir erheben die Forderung bei der Fortschreibung des Regionalverkehrsplan jedes Jahr aufs Neue.“ Die stets selbe Antwort: Der Aufwand sei zu groß. „Dabei besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Görtz. „Warum kann man nicht eine mobile Rampe hinstellen oder im Zug mitführen?“ Das ginge nicht, denn dazu müsste der Bahnsteig verbreitert werden , erwidert Bahnsprecherin Brunkhorst und fügt hinzu: „Mobilität ja. Aber es gibt keine 100-prozentige Barrierefreiheit, Tag und Nacht und immer und überall.“

Nächste Woche kommt Andreas Reigbert von seiner Fahrt zurück. Wie es dann weitergeht, weiß er nicht. Ein elektrischer Rollstuhl wäre im Bus die erlaubte Alternative. „Aber die kosten rund 20.000 Euro. Ich weiß nicht, ob die Kasse das bezahlt. Und das Problem mit der Rampe und dem unmöglichen Zugang zur Bahn in Bargteheide, wäre damit immer noch nicht gelöst.“