Bargteheide. Am 1. August 1865 wurde der Bahnhof an der Strecke Hamburg-Lübeck eröffnet. Heute fährt fast ein Drittel der Einwohner mit der Bahn.

Die Bahn fährt. Nicht immer pünktlich. Und dann sind die Stormarner sauer. Aber was, wenn sie gar nicht fahren würde? Für die Menschen im Kreis ist das unvorstellbar. Man setzt sich rein – und los geht’s. Und das auf den heutigen Tag genau seit 150 Jahren. So lange verbindet die Bahn nun schon Hamburg mit Lübeck und damit Stormarn mit den beiden Hansestädten – und der großen weiten Welt. Dabei hätte nicht viel gefehlt, und aus dem Projekt wäre nichts geworden. Denn der Bau der Strecke war ein Politikum ersten Ranges und sorgte für internationale Verwicklungen.

„Die Dänen wollten die Verbindung nach Lübeck partout verhindern“, sagt der Bargteheider Bahnexperte Ingo Naefcke. „Die wollten ihre eigenen Interessen durchsetzen und ihre Ostseebahn von Altona nach Kiel schützen. Und Altona war damals dänisch und Dänemark eine Macht.“

Historie Pur: „Der Bahnhof in Bargteheide und die gesamte Gleisanlage sehen noch genauso aus wie vor 150 Jahren“

© Manfred Giese | Manfred Giese

Wenn Naefcke über die Bahn spricht, gibt es kein Halten mehr. Der Bargteheider kennt sich wie kein anderer in der Geschichte der Schiene aus. „Der Bahnhof in Bargteheide und die gesamte Gleisanlage sehen noch genauso aus wie vor 150 Jahren. Das ist Historie pur und gibt es sonst nirgends im Land“, sagt Naefcke und gerät ins Schwärmen. Dabei war Bargteheide ursprünglich gar nicht vorgesehen. Tremsbüttel sollte dabei sein. Aber dort wurde abgewinkt. So bekam Bargteheide den Zuschlag. Angesichts der Entwicklung der Einwohnerzahlen die richtige Entscheidung. Oder hat die Bahn die Entwicklung befördert?

„Das kann gut sein“, sagt Naefcke, der auch mal eben mit den zuständigen Stellen telefoniert, um für den Bau neuer Strecken zu sorgen. Zum Beispiel für die von Lübeck nach Stettin. „Ich bin eben ein absoluter Bahnfan. Und ich war 40 Jahre Busfahrer in Hamburg“, sagt der 76-Jährige. „Was den städtischen Verkehr angeht, gibt es für mich keine Geheimnisse mehr.“

So weißt der Bargteheider auch, wie die Geschichte mit den Dänen ausging – und die Geschichte der Bahn durch Stormarn anfing. „Preußen hat Druck ausgeübt. Und Österreich auch. Schließlich mussten die Dänen einlenken. Und als sie dann noch 1864 von Preußen und Österreichern geschlagen wurden, war die Sache endgültig klar.“

Wer hätte gedacht, dass der berühmte Sieg an den Düppeler Schanzen, bei dem es letztlich darum ging, dass die Dänen das Herzogtum Schleswig als selbstständige Einheit behandeln sollten, die Geschichte der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck streift. Eine Strecke, die heute täglich von rund 60.000 Menschen genutzt wird.

Der heutige Regionalexpress ist nicht schneller als die Hochleistungsdampfloks von früher

„Die Nachfrage ist in den vergangenen vier Jahren stark gestiegen“, sagt Bernhard Wewers, Geschäftsführer der Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH, die den Betrieb für die Bahn organisiert. Wewers: „Allein zwischen Ahrensburg und Hamburg fahren täglich rund 32.440 Menschen. Eine Zunahme um zehn Prozent.“

Der Anteil der Pendler ist dabei groß. In Bargteheide wären 5300 Berufstätige ohne die Bahn aufgeschmissen – das ist fast ein Drittel der Einwohnerzahl. Auf der gesamten Strecke machen die Pendler sogar zwei Drittel der Fahrgäste aus. „Deswegen sind seit 2009 morgens und abends zwei Sprinter nonstop auf der Strecke unterwegs“, sagt Wewers. „Die schaffen Hamburg-Lübeck in 42 Minuten.“

Naefcke ist nicht sonderlich beeindruckt. „Die Hochleistungsdampfloks von damals schafften die Strecke in 40 Minuten. Und zum Wenden brauchte man mit einer speziellen Technik nur vier Minuten. Das war gigantisch.“ Der heutige normale Regionalexpress sei mit 44 Minuten nicht schneller.

Auch Naefcke kommt wieder in Fahrt. „Die Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft, die die Strecke betrieb, war ein absolut innovatives Unternehmen“, sagt der Bargteheider voller Begeisterung. „1936 hat sie für den Schnellverkehr Doppelstockwagen eingeführt. Acht Stück. Zwei immer zusammen auf einem Drehgestell. Das sparte Kosten.“ Heute brauche man zwei Drehgestelle pro Wagen. Aber immerhin habe man die Anfang der 70er-Jahre abgeschafften Doppelstöcker 2005 wieder eingeführt.

Dass die Preußen den richtigen Riecher hatten, zeigt die Entwicklung. Die Strecke zwischen Hamburg und Lübeck ist zu einer Lebensader geworden. Wewers: „Und mit der nach Elmshorn die wichtigste in Schleswig-Holstein.“ Die erste im Norden ist sie allerdings nicht. Da hatten die Dänen dann doch den Sieg davongetragen und schon 1844 ihre Ostsee-Strecke nach Kiel eröffnet. Die nach Lübeck folgte 1865 und hat sich durchgesetzt.

1938 wurde die damals letzte deutsche Privatbahn verstaatlicht

„2008 wurde die Strecke elektrifiziert. Das zeigt, wie wichtig die Verbindung ist“, sagt der Sprecher der Bahn, Egbert Meyer-Lovis. Das 150-jährige Bestehen werde aber nicht gefeiert. Das würde dann doch ein bisschen viel werden. Auch Bernhard Wewers vom Nahverkehrsbund will lieber nach vorn schauen: „Es wäre sinnvoll, den 30-Minuten-Takt auch auf das Wochenende auszuweiten.“ Und die S 4 werde kommen. „Spät, aber sie wird kommen.“

Den 150. zu ignorieren, findet Ingo Naefcke traurig, den 30-Minuten-Takt auch am Wochenende einzuführen, dagegen goldrichtig, an die S 4 zu glauben, völlig unsinnig. Wie dieses Projekt ausgehen wird, ist offen. Das Ende der Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft wurde durch Nazi-Deutschland besiegelt. 1938 wurde die damals letzte deutsche Privatbahn verstaatlicht.