Bargteheide. Stresstest nicht bestanden: Am Bahnhof ist die entscheidende Stelle nicht barrierefrei. Ein Rollstuhlfahrer schafft es nicht.

Der Spalt ist nur eine Handbreit. Tausende von Fahrgästen bemerken ihn gar nicht. Aber für Andreas Reigbert und andere Menschen mit Behinderung machen die knapp 20 Zentimeter den Unterschied: Der Bargteheider hat Multiple Sklerose und kann nicht mehr gehen. Er ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Auch auf die Bahn. Aber er kommt nicht rein. Jener Spalt, der sich zwischen den Bahnsteigen des Bargteheider Bahnhofs und den Waggons auftut, ist für Andreas Reigbert und sein E-Mobil unüberwindbar.

„Solange einen das nicht selbst betrifft, macht man sich keine Gedanken“, sagt der 53-Jährige. „Das ging mir ganz genauso.“ Nach einem häuslichen Unfall und einem Oberschenkelhalsbruch vor zweieinhalb Jahren hat sich die Situation für ihn dramatisch verändert. Zu Fuß geht nichts mehr. Aber mit dem E-Mobil eben auch nicht alles.

Das Risiko, dass das E-Mobil kaputtgeht, ist zu hoch

„Dabei hat sich schon so viel positiv verändert“, sagt Andreas Reigbert. 2008 kam die Elektrifizierung der Bahnstrecke und mit ihr die Rampe, die ausgefahren werden kann, um Rollstuhlfahrer an Bord zu nehmen. Das funktioniert auch – aber eben nicht in Bargteheide. „Ich habe es ein, zwei Mal probiert und dann aufgegeben“, sagt der Bargteheider. „Der Bahnsteig ist einfach zu niedrig ist, und der Winkel der Rampe deswegen zu steil.“ So bilde sich an der Knickstelle eine Kuppe. „Und über die komme ich nicht rüber“, sagt Andreas Reigbert. „Jedenfalls nicht, ohne aufzusetzen.“ Das Risiko, dass sein E-Mobil kaputtgeht oder die Rampe bricht, will der Bargteheider nicht eingehen. Rund 3500 Euro hat sein Gefährt gekostet. Wie teuer die Zug-Rampe ist, weiß er nicht. Und er will es auch gar nicht erst erfahren. Er nimmt lieber einen Umweg in Kauf.

Im Bus funktioniert die Rollstuhlrampe problemlos

„Im Bus funktioniert das mit der Rampe. Also nehme ich den Bus und fahre nach Ahrensburg“, sagt Reigbert. In Ahrensburg funktioniere es dann auch mit der Zug-Rampe, weil die Bahnsteige dort höher liegen. 17 Minuten fährt er mit dem Bus. 20 Minuten Wartezeit kommen dazu. Denn der Zug fährt alle 30 Minuten, der Bus aber nur einmal in der Stunde. So kostet den Bargteheider die Extra-Tour locker 40 Minuten – auf dem Rückweg natürlich auch. Und das alles, obwohl er einen Bahnhof direkt im Ort hat.

„An den Wochenenden ist es besonders schlimm“, sagt der 53-Jährige. „Am Sonnabend fährt der letzte Bus von Ahrensburg nach Bargteheide um 19.45 Uhr, am Sonntag schon um 18.45 Uhr.“ Freunde besuchen oder ins Theater gehen ist für den Bargteheider ohnehin kompliziert. Aber wenn der Rückweg nicht gesichert ist, ist es nicht schwierig, sondern unmöglich. Reigbert: „Und ein Spezialtaxi kostet. Es gibt auch nicht viele. Deswegen fahren sie auch nicht immer.“ Andreas Reigbert ist genervt. „Aber ich will nicht jammern. Ich will mich engagieren.“

Warten auf Antwort vom Kieler Verkehrsminister

So hat er dem Kieler Verkehrsminister Reinhard Meyer geschrieben. Die erste Zeile lautet: 150 Jahre Bahnhof Bargteheide – leider immer noch nicht barrierefrei!“ Dem Ausrufezeichen folgt ein Fragezeichen: Warum wurde in Bargteheide noch nichts getan? Man müsse die Bahnsteige nur an dem kurzen Stück, an dem Waggons mit Rampe halten, etwas erhöhen.

Ist das so? Auf Abendblatt-Nachfrage sagt eine Bahn-Sprecherin: „Eine Erhöhung würde nicht reichen. Der Bahnsteig müsste auch verbreitert werden.“ Im Übrigen sei ein solcher Einzelfall immer bedauerlich. Aber die gesetzlichen Vorgaben verlangten einen barrierefreien Zugang in einem Radius von sechs Kilometern. Und das sei mit dem Ahrensburger Bahnhof gegeben.

In den Ohren des Bargteheiders klingt das wie Hohn. Der Diplom-Politologe, der in führender Position bei der Arbeitsagentur und sogar im Kanzleramt tätig war, will dranbleiben und nun in der städtischen AG für Menschen mit Behinderungen mitarbeiten. Die will das Thema auf seine Anregung jetzt auf die Agenda nehmen.

Was haben Sie erlebt?

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