34,5 Hektar davon gehören der Familie Albrecht aus Lütjensee. Es ist sein See, sagt Klaus Albrecht - und das schon seit 95 Jahren.
Ein leichter Wind weht über das Wasser, lässt kleine Wellen an den Holzsteg plätschern. Fünf Boote, angebunden an Holzpflöcken, dümpeln im Rhythmus der Wellen vor sich hin. Es ist 8 Uhr am Morgen, Klaus Albrecht steht auf dem Steg und blickt hinaus aufs Wasser. Er hat ein paar Brotkrumen dabei, für die Fische. Das macht er fast jeden Morgen so. Es ist sein See. „Seit 95 Jahren gehört der Lütjensee der Familie Albrecht“, sagt Albrecht und wirft ein Stück Brot nach dem anderen ins Wasser.
34,5 Hektar groß ist der Albrechtsche See, der zu den größeren in Stormarn zählt. Alle zusammen bringen es nach Angaben der Wasserbehörde des Kreises auf eine Wasserfläche von 264 Hektar. Hinzu kommen Bäche und Gräben, deren Größe allerdings in Kilometern Länge gemessen wird. Sagenhafte 1500 Kilometer sind es, das haben die Mitarbeiter in der Wasserbehörde auch ermittelt.
Zahlen und Fakten rund ums Wasser
„Ich liebe meine Schützlinge, auch wenn ich schon gar nicht mehr hier am See wohne und arbeite“
Plötzlich rührt sich etwas im Wasser zu Klaus Albrechts Füßen. Ein kleiner Schwarm von Fischen macht sich an den Brotkrumen zu schaffen, die auf der Wasseroberfläche schwimmen und nur langsam untergehen. Zwei Fische lassen ihre Flossen kurz aus dem Wasser blitzen. Es sieht so aus, als begrüßten sie ihren Freund. Albrecht sagt: „Ich liebe meine Schützlinge, auch wenn ich schon gar nicht mehr hier am See wohne und arbeite.“ Er blickt hinter sich. Auf das Restaurant Fischerklause.
„Noch vor sechs Jahren habe ich hier gearbeitet. Jetzt führt meine Tochter Claudia mit ihrem Mann Gerhard Retter den Betrieb. Nach 37 Jahren ist mal Schluss“, sagt Albrecht, schmunzelt und schaut sich sogleich suchend um. „Cora“, ruft er laut. Eine sieben Jahre alte Münsterländer Hündin schießt um die Ecke, wedelt mit dem Schwanz, läuft auf ihr Herrchen zu und bellt. Ihr folgt ein Mann im blauen Overall, es ist Hausmeister Jürgen Hermann. Die beiden Männer begrüßen einander.
Gemeinsam fahren sie zwei- bis dreimal pro Woche auf den See und fangen frischen Fisch, den die Hotelgäste später verzehren werden. Oder aber sie machen einfach nur eine kleine Bootsfahrt – „weil es so schön ist“. Dieser Tag ist so einer, frischen Fisch haben sie nämlich schon am Vortag gefangen. „Wir beide genießen immer wieder den wundervollen Blick vom Boot auf das Ufer und den Wald“, sagt Albrecht und steuert auf ein kleines Boot mit Außenbordmotor zu, von dem der grüne Lack ein bisschen abblättert.
Großvater kaufte den See 1920 für umgerechnet 70.000 Euro
Im Jahr 1920 hat sein Großvater Johannes Albrecht für 20.000 Mark das Gewässer von der Stadt Wandsbek, die damals noch Stormarns Kreisstadt war, gekauft. Das entspräche heute etwa 70.000 Euro. Albrecht steigt vorsichtig in das wackelnde Fischerboot, Cora ist schneller und springt mit einem großen Satz hinein. „Sie weiß ganz genau was jetzt kommt“, sagt ihr Besitzer verschmitzt. Auch Jürgen Hermann, der gelernter Fischer ist, gesellt sich dazu und setzt sich neben den Motor. Dann zieht er an der Anlasserschnur, zwei-, dreimal mit voller Kraft. Dann tuckert das Boot los.
Klaus Albrecht sitzt entspannt auf der Bank am Bug. „Mein Opa war leidenschaftlicher Angler. Er hat sich den See gekauft, um Fische zu fangen. In einer kleinen Hütte verkaufte er Aale, Brassen, Schleie und Hechte.“ Während Klaus Albrecht in seinen Erinnerungen herumkramt, lächelt er und seufzt kurz auf. Sein Blick wandert umher, einmal rund um den See. „1943 wurde ich in einem Hamburger Krankenhaus geboren, meine Eltern wohnten zu der Zeit aber schon im Wohnhaus am Lütjensee. Ich habe hier eine tolle Kindheit verbracht.“
Cora gefällt der Ausflug. Sie macht es sich ganz vorn an der Bootspitze bequem, genau neben ihrem Herrchen. Das Boot ist schnell, nach wenigen Minuten ist die Seemitte erreicht. Das Restaurant wirkt nun ganz klein, wie es da am Ufer liegt.
Albrecht sagt: „Das Fischrestaurant gibt es seit 1949. Mein Vater Robert Albrecht hat zuerst ein 80 Quadratmeter großes Wochenendhäuschen gebaut, in dem er dann ein Restaurant einrichtet hat. Von Beruf war er eigentlich Elektroingenieur, aber Gastronom aus Berufung.“ Der Gastraum hatte anfangs 20 Plätze. Oft drängten sich jedoch bis zu 30 Besucher in den kleinen Raum. Kunden waren damals vor allem die Ärzte aus dem nahe gelegenen DRK-Krankenhaus. Aber auch Angler gesellten sich gern dazu. Und natürlich viele Ausflügler. „Die Fischerklause war so beliebt, dass mein Vater schon nach vier Jahren anbauen ließ.“ 1956, 1959 und 1968 folgten die nächsten Erweiterungen.
15 Aquakulturbetriebe befriedigen die Nachfrage nach Fischen
„Heute hat das Restaurant 90 Plätze, und im Sommer kommen 100 weitere auf der Terrasse und 60 im Bootshaus hinzu“, sagt Albrecht und streichelt Cora über den Kopf. Hausmeister Hermann holt seinen Fischerfreund in die Gegenwart zurück und sagt: „Schauen wir mal, ob noch alles in Ordnung ist.“
Zwölf Fischarten sind im Lütjensee zu Hause
Mittlerweile bricht die Sonne ein wenig durch die Wolken. Beide Männer schauen sich um, das Wasser ist ruhiger geworden. Klaus Albrecht sagt: „In den vergangenen Jahren ist das Problem mit den Kormoranen größer geworden. Immer mehr Fische werden von diesen Vögeln gefressen.“ Entsprechend schlecht ist der Aalfang im vergangenen Jahr ausgefallen: nur 13 Kilogramm. In diesem Jahr konnten bisher immerhin schon 40 Kilogramm Aal gefischt werden. Jedes Jahr abwechselnd werden 2000 Satzaale oder Hechte in den Lütjensee eingesetzt. „Ein Kilogramm Satzaale sind ungefähr 70 bis 80 Stück“, sagt Klaus Albrecht. Um die Aale aus dem Wasser zu holen, hat der gelernte Koch zwölf Reusen im Einsatz. Das sind aus Netzen gebaute Fangkörbe, die mit Ködern bestückt und auf dem Seeboden abgelegt werden. Ihre Funktion erklärt Hausmeister Hermann: „Die Aale gelangen durch die Öffnung an der Frontseite in den Innenraum der Reuse. Den können sie aber nicht mehr verlassen.“
Im Kreis Stormarn gibt es insgesamt 35 Fischarten in den Gewässern. Zwölf davon sind im Lütjensee heimisch. Auch wenn Klaus Albrecht und Jürgen Hermann an diesem Tag keinen Fisch fangen, können sie es nicht lassen, mit ihrem Boot noch eine Runde auf dem Lütjensee zu drehen. „Ich bin froh, diesen See zu haben“, sagt Albrecht. Er lehnt sich zurück, schweigt und genießt.