Reinbek. Reinbeker Verwaltung empfiehlt Einschnitte bei Geschwisterermäßigung an Schulen. Eltern müssten draufzahlen. Die Politik ist am Zug.

Dutzende Reinbeker Eltern sind empört. Ihr Ärger richtet sich gegen die Verwaltung. Die spricht sich dafür aus, Rabatte für die Betreuung von Kindern zu streichen. Konkret geht es um die Geschwisterermäßigung an den Offenen Ganztags- und den Betreuten Grundschulen: Für Kita-Kinder, deren ältere Geschwister von diesem Angebot Gebrauch machen, soll der 70-Prozent-Zuschuss demnach wegfallen. Auf die Eltern kämen erhebliche Mehrkosten zu, einige wären pro Jahr mit rund 4000 Euro extra belastet. Für finanzschwache Familien, die unter die sogenannte Sozialstaffel fallen, würde sich nichts ändern.

Eltern mit zwei Kindern müssten bis zu 2800 Euro mehr pro Jahr zahlen

Jan Fischer und seine vierköpfige Familie wären von der Neuregelung betroffen. Der 37-Jährige ist bei der Hochbahn angestellt. Sein Sohn Aleksi, 6, wird nach den Sommerferien die Betreute Grundschule Klosterbergen besuchen, während Bruder Matti, 4, einen Platz für 50 Stunden Betreuung pro Woche in der Kita Weltensegler am Mühlenredder hat. Bisher war Fischer, der zugleich Elternvertreter in der Kindertagesstätte ist, davon ausgegangen, 140 Euro pro Monat für Aleksis Betreuung und 110 Euro für dessen Bruder zu zahlen – zusätzlich Verpflegungsgeld. „Sollte die Ermäßigung wegfallen, sind für uns pro Monat 230 Euro Mehrkosten fällig“, sagt er. Auf das Jahr hochgerechnet also satte 2800 Euro.

„Es würde wieder den Mittelstand treffen“, klagt Fischer. Hier werde versucht, eine kalte Herdprämie einzuführen, die den Anspruch einer verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie konterkariere. Der Elternvertreter hatte die entsprechende Verwaltungsvorlage im Internet entdeckt und war aus allen Wolken gefallen. Sofort kontaktierte er Dutzende Eltern, sagt: „Wir sind alle sauer.“

Richtig auf Zinne ist auch Silvia Elfers, Mutter von drei Kindern und als wissenschaftliche Mitarbeiterin im öffentlichen Dienst beschäftigt. Sie hat mit ihrem Mann bereits einen Entschluss gefasst: Sollte die Geschwisterermäßigung an den Schulen gestrichen werden, wird die Familie Reinbek nach drei Jahren den Rücken kehren und wieder nach Hamburg ziehen. Elfers ältester Sohn soll im kommenden Jahr die Offene Ganztagsschule besuchen, die Zwillinge, 2, werden in der Krippe betreut. „Ich habe das genau durchgerechnet und bin bei 4000 Euro Mehrkosten.“ Das Ganze passe nicht zu einer modernen und weltoffenen Kommune, sagt die 39-Jährige.

Besonders bitter stößt vielen Eltern auch der Zeitpunkt der von der Verwaltung angedachten Änderung auf, immerhin sind es nur noch zwei Monate bis zum neuen Betreuungsjahr. Fischer: „Die Kinder sind verbindlich angemeldet, Eltern hätten nicht mehr die Möglichkeit zu reagieren.“

Auf die Geschwisterermäßigung an Schulen haben Eltern keinen Rechtsanspruch. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Leistung der Stadt Reinbek. Wie viele Eltern von einer Neuregelung betroffen wären, kann die Verwaltung nicht sagen. Nur diese Zahl nennt das Rathaus: 589 Kinder besuchen derzeit die Offene Ganztags- oder Betreute Grundschule. „Tendenz steigend“, sagt Dagmar Schmalfeldt, Leiterin des Amtes für Bildung, Jugend, Kultur und Sport.

Stadt rechnet mit Einsparpotenzial von 60.000 Euro im Jahr

Rund 250.000 Euro sind in 2013 für die Stadt wegen der Geschwisterermäßigung angefallen. Schmalfeldt: „Auch durch die Krippenplätze steigt die Summe.“ Die Politik habe die Verwaltung aufgrund der hohen Kosten aufgefordert, Vorschläge zu machen. Dem sei man nachgekommen. Das Einsparpotenzial für die Stadt bei der nun ins Spiel gebrachten Neuregelung schätzt die Amtsleiterin auf 60.000 Euro pro Jahr. Sie sagt: „Wir haben uns auch bei den Nachbarkommunen informiert. Dort wird mitunter gar keine Geschwisterermäßigung für den Schulbereich gewährt.“

In der Verwaltungsvorlage, mit der sich am heutigen Dienstag um 19.30 Uhr im Rathaus der Sozial- und Schulausschuss beschäftigt, sind vier Varianten aufgezeigt. Sie reichen von Beibehaltung der bisherigen Regel bis zur Streichung des Zuschusses für sämtliche Familien.

Elternvertreter Fischer hat auch im Namen vieler Mitstreiter am vergangenen Freitag eine E-Mail an die Verwaltung und die Politiker verschickt. Darin fordert er auf, „die geplanten Verschlechterungen bei der Geschwisterermäßigung zu stoppen“.

Gerd Prüfer (SPD) ist mit der von der Verwaltung präferierten Lösung nicht einverstanden. Er sagt: „Sie ist bedenklich und zu risikoreich. Ich kann dem nicht zustimmen.“ Die soziale Komponente sei zu wenig berücksichtigt. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Bernd Uwe Rasch wird der Empfehlung nicht folgen: „Das ist die schlechteste Variante.“ Der Liberale will einen eigenen Vorschlag in die Diskussion bringen. Zahlreiche Eltern werden am Abend gespannt zuhören.

Hier geht es zum Kommentar von HA-Redakteur René Soukup.