Glinde. Schulentwicklungsplan sagt Rückgang voraus, die Realität beweist vielerorts das Gegenteil. Das erschwert die Planung in den Kommunen.
Zum Schuljahr 2013/2014 gab es 60 Anmeldungen für die erste Klasse. Ein Jahr später waren es 98, und im kommenden Sommer werden voraussichtlich 92 sein. Die Grundschule Tannenweg in Glinde spiegelt einen allgemeinen Trend in Stormarn wider: Von Jahr zu Jahr schwanken die Zahlen mitunter stark. Viele Schulen im Kreis haben genau damit ein Problem. Der Blick in die Zukunft ist schwierig, sie wissen nicht, worauf sie sich einstellen müssen.
Um die Entwicklung der Schülerzahlen für die kommenden Jahre prognostizieren zu können, werden Geburten- sowie Bevölkerungszahlen herangezogen. Die geben Aufschluss darüber, wie stark einzelne Schulen im Kreis vermutlich wachsen oder schrumpfen werden. Zumindest hat auf genau diesem Wege das Schulamt im Jahr 2014 seinen aktuellen Schulentwicklungsplan entworfen. Er sagt voraus, dass es in fünf Jahren 19 Prozent weniger Schüler in Stormarn geben wird. Dann wären es noch rund 7000 statt jetzt etwa 8500 Grundschüler. An den Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ginge die Zahl der Schüler von derzeit mehr als 17.000 auf 14.500 zurück.
Schulentwicklungsplan berücksichtigt kurzfristige Entwicklungen nicht
Doch nicht mit in diesen Plan einbezogen ist beispielsweise die Erschließung von Neubaugebieten. „Der Plan kann auf lange Sicht zuverlässige Prognosen geben, aber kurzfristige Entwicklungen sind nicht erkennbar“, sagt Wilhelm Hegermann, Fachbereichsleiter für Jugend, Schule und Kultur beim Kreis. Seiner Meinung nach gibt es auf lange Sicht eine Rückläufigkeit bei den Schülerzahlen. Doch sei Stormarn immer noch ein wachsender Kreis, und für die nächsten Jahre werde es aufgrund der steigenden Geburten- sowie Bevölkerungszahlen keinen Rückgang geben.
Was denn nun? „Im kommenden Schuljahr werden voraussichtlich 2160 Kinder eingeschult, das sind rund 50 Schüler weniger als im Vorjahr“, sagt Schulrätin Kirsten Blohm-Leu. An den weiterführenden Schulen zeigt sich folgendes Bild: Bisher gibt es an den Gymnasien nur eine Anmeldung mehr als im Vorjahr, insgesamt sind es 952. Die Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe erwarten momentan etwa 60 Neuzugänge. „Jedoch ist diese Zahl nur vorläufig, denn viele Eltern melden ihre Kinder immer erst an einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe an. Als Zweitwunsch wird dann eine Schule ohne Oberstufe ausgesucht. Die Anmeldephase ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Blohm-Leu. Die Schülerzahlen an den Gemeinschaftsschulen im Kreis Stormarn steigt hingegen. Aber auch nur, weil eine Verschiebung stattfindet: Die Gemeinschaftsschule Reinbek wechselt zum neuen Schuljahr zu einer Gemeinschaftsschule mit Oberstufe.
In Bargteheide steigt die Zahl der Schüler
Dass aber nicht überall im Kreis weniger Schüler angemeldet werden, zeigen beispielsweise die drei Grundschulen in Bargteheide. Seit 2013 steigen hier die Anmeldezahlen. An der Emil-Nolde-Schule wurden vor drei Jahren 49 Kinder eingeschult, im Jahr 2014 waren es 59, und für den bevorstehenden Sommer werden es um die 80 Erstklässler sein. Ein Grund für diese Zunahme sind die Neugebiete „An der Kornmühle“, „An der Trabrennbahn“, „Am Südring“ und „Am Krögen“ in der Stadt. Trotz der rasanten Steigerung hat bisher keine Grundschule in Bargteheide Probleme. „Unsere Grundschulen sind zum Glück groß genug“, sagt Miriam Scheib von der Stadt Bargteheide. Eventuell werde aber ab 2016 der Einzugsbereich für die Schulen anders zugeschnitten, um mehr Kinder auf die Johannes-Gutenberg-Schule zu schicken, denn sie ist die größte und hat die größten Kapazitäten. Schulleiter Jörg Peters bestätigt, dass es momentan keine Probleme durch die steigenden Schülerzahlen gibt. „Falls doch, müssen Fachräume zusätzlich als Klassenräume genutzt werden. Doch die Zahlen schwanken so sehr, dass wir nicht für die Zukunft planen können“, so Peters.
Freie Schulwahl macht die Planung nicht leichter
Vor wirklichen Problemen steht hingegen die Grundschule Wiesenfeld in Glinde, dort sind die Schwankungen ähnlich groß wie am Tannenweg. Im Schuljahr 2013 gab es hier 76 Neuanmeldungen, im Jahr 2014 waren es aufgrund der Erschließung des Neubaugebiets „Alte Wache“ rund 100, und für das kommende Jahr werden um die 80 Schüler erwartet. „Wir haben damit zu kämpfen, dass Prognosen nur noch schwer machbar sind. Zwar kann man sich an Geburten- und Bevölkerungszahlen orientieren, aber die Erschließung von Neubaugebieten und die freie Schulwahl erschweren eine zuverlässige Prognose“, sagt Schulleiter Klaus Willenbücher. Da helfe auch nicht der Blick in den Schulentwicklungsplan des Kreises. Der wird zwar alle drei Jahre erneuert. Doch was darin außer Neubaugebieten auch nicht berücksichtigt wird: In Schleswig-Holstein herrscht seit 2007 die freie Schulwahl.
„Eltern können frei entscheiden auf welche Schule sie ihr Kind schicken möchten“, sagt Willenbücher. Es sind nur noch Empfehlungen, die von der Stadt oder der Gemeinde ausgesprochen werden. Diese beziehen sich dann auf bestimmte Einzugsgebiete von Schulen. Der Grundschule Wiesenfeld fehlt für das kommende Schuljahr ein Klassenraum. „Wir können einen Raum von der Wilhelm-Busch Förderschule bekommen“, sagt Willenbücher. Für das Schuljahr 2016/17 gibt es eine andere Lösung. Die benachbarte Gemeinschaftsschule Wiesenfeld wird saniert, und die Grundschule erhält dann vier neue Klassenräume. „Ein Container war keine Lösung, denn dafür gibt es keinen Platz mehr auf dem Schulgelände. Ein eigener Neubau sei ebenfalls nicht denkbar, da die Entwicklung der Schülerzahlen nicht konstant vorhersehbar sei. Für die nächsten zehn Jahre sieht der Schulleiter an seiner Grundschule einen Zuwachs an Schülern, danach gebe es wahrscheinlich wieder einen Abwärtstrend.
Die Ammersbeker Grundschule Bünningstedt hatte im Jahr 2014 wie viele andere Schulen im Kreis einen besonders starken Zulauf. „Der Geburtenjahrgang 2008 war sehr stark“, sagt Andrea Freitag vom Statistischen Bundesamt Nord. Schulleiterin Birgit Graumann-Delling kennt noch einen weiteren Grund für die schwankenden Schulzahlen: „Schulen brauchen mittlerweile ein eigenes Profil und ein eigenes Konzept. Wir sind im Jahr 2013 zu einer offenen Ganztagsschule geworden.“ Die Eltern entschieden sich nicht mehr immer für die am nächsten liegende Grundschule, sondern suchten sich die mit dem für sie passenden Konzept aus.