Bad Oldesloe/Trittau. Die Mitarbeiter der Tafeln in Stormarn registrieren eine Verdopplung der Bedürftigen. Ein Grund sei der vermehrte Flüchtlingsandrang.
Die Tafeln in Stormarn sind gefordert wie nie. Fast 4000 Bedürftige werden mittlerweile jede Woche von den Mitarbeitern in Ahrensburg, Barsbüttel, Glinde, Bad Oldesloe, Trittau und Reinfeld mit Lebensmitteln versorgt. Das sind fast doppelt so viele wie vor fünf Jahren. Grund für den vermehrten Andrang sei, da sind sich die Leiter der Tafeln in Stormarn einig, die zunehmende Zahl der Asylbewerber im Kreis.
Flüchtlinge erhalten weniger als Hartz-IV-Empfänger
Kommt ein alleinstehender Flüchtling nach Deutschland, bekommt er laut Regelsatz 362 Euro im Monat. Das sind 29 Euro weniger als ein Hartz-IV-Empfänger erhält. Davon muss alles bezahlt werden: Nahrung, Kleidung, Einrichtung sowie Anwaltskosten und Auslands-Telefonate. Andrea Dallek vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein sagt dazu: „Die Leistungen reichen nicht.“ Viele Flüchtlinge seien deshalb auf das kostenlose Angebot der Tafeln angewiesen.
Der drastische Anstieg der Kundenzahl stellt die fast 300 ehrenamtlichen Tafel-Mitarbeiter in Stormarn vor große Herausforderungen. Teilweise müssten die Lebensmittel rationiert werden, sagt Ursula Assmann, Leiterin der Trittauer Tafel. „Die Brote müssen wir durchzählen und teilweise durchschneiden, weil es uns an Brotspenden mangelt.“ Zudem fehle es oft an Milch.
Etwa 2000 Menschen kommen in die Tafel in Ahrensburg
Die Tendenz sei bei allen sechs Stormarner Tafeln gleich: Es kämen immer mehr bedürftige Kunden, gleichzeitig stagniere die Zahl der Warenspenden oder sei sogar rückläufig. Ursula Assmann: „Der Andrang ist, bedingt durch die vielen Flüchtlinge, stark gestiegen.“ Vor fünf Jahren seien jede Woche etwa 80 Kunden gekommen. „Mittlerweile versorgen wir rund 120 Familien.“ Die meisten seien Flüchtlinge aus dem arabischen Raum. In Ahrensburg nehmen laut Johannes Kelp, dem Leiter der Ahrensburger Tafel, derzeit etwa 2000 Menschen das Angebot wahr. Vor fünf Jahren seien es noch rund 1000 gewesen. Kelp: „Es kommen immer mehr Syrer.“
Irgendwann werden die Lebensmittel knapp
In Glinde ist die Zahl der Menschen, die das Tafelangebot nutzen, von 60 im Anfangsjahr 2007 auf mittlerweile 90 gestiegen. Nach Angaben von Paul Nowatzki, dem Vize-Vorsitzenden, seien allein im vergangenen Jahr zehn Flüchtlinge dazugekommen. Auch in Bad Oldesloe setzte sich der Großteil der Neuzugänge aus Asylbewerber zusammen. Tafelleiterin Claudia Franke: „Wir bekommen jede Woche zwei neue Anmeldungen von Flüchtlingen.“ Ingrid Dietel versorgt mit ihren 35 Helfern in Barsbüttel rund 350 Personen. Die 58-Jährige sagt: „Die meisten sind Flüchtlinge.“ Sie habe gehört, dass Barsbüttel bald 100 weitere Flüchtlinge aufnehmen werde. „Auf Dauer wird das unser größtes Problem werden“, befürchtet Dietel. „Irgendwann reichen die Lebensmittel nicht mehr aus, um alle zu bedienen.“
Nudeln, Butter und Käse sind rar
In Glinde könnte es in Zukunft ebenfalls zu Engpässen kommen. Paul Nowatzki sagt: „Bis jetzt haben wir immer alle Kunden zufriedenstellen können.“ Aber es werde immer weniger Ware eingesammelt. Viele Supermärkte verkauften fast abgelaufene Produkte zu einem reduzierten Preis, statt sie den Tafeln zur Verfügung zu stellen. „Es fehlt immer etwas anderes“, sagt Claudia Franke. Erfahrungsgemäß seien lange haltbare Produkte wie Nudeln und Konserven, aber auch Butter und Käse rar. Gemüse und Frischmilchprodukte würden dagegen in großen Mengen gespendet.
Claudia Franke und ihre ehrenamtlichen Helfer der Oldesloer Tafel mussten wegen der stark gestiegenen Kundenzahl zu besonderen Maßnahmen greifen: „Wir haben zwar zweimal pro Woche Ausgabe, aber jeder Haushalt darf nur einmal pro Woche das Angebot nutzen.“ Dieses Problem hat Ingrid Dietel in Barsbüttel nicht. Im Januar hätten zwei neue Supermärkte eröffnet, die überschüssige Lebensmittel abgeben würden. Dietel: „Wir holen zweimal in der Woche Lebensmittel ab.“ Die Tafelmitarbeiter fahren außerdem zu Bäckereien und Bauernhöfen.
Tafel legt fest, wer als bedürftig gilt
Das Tafelangebot dürfen Bedürftige nutzen. Dabei kann jede Tafel festlegen, wer als bedürftig gilt. Meist muss ein Nachweis, wie beispielsweise ein Hartz-IV-Bescheid, ein Bescheid über Sozialhilfe oder eine Aufenthaltsgestattung vorgelegt werden. Die Grundidee ist, dass Nahrungsmittel, die sonst im Müll gelandet wären, an bedürftige Menschen weitergegeben werden. (Janina Heinemann)