Tatort St. Marien in Ahrensburg. Der Kaplan verging sich im Jahr 1975 an einem Zwölfjährigem. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt.
Ahrensburg. Der Skandal um den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche hat jetzt auch Ahrensburg erreicht. Nun hat ein Mann beim Erzbistum Hamburg schwere Vorwürfe gegen den früheren Kaplan der St. Marienkirche erhoben. 1975 sei der Mann im Pfarrhaus an der Adolfstraße von dem Geistlichen missbraucht worden. Das Erzbistum bestätigte den Fall am Dienstag auf Anfrage dieser Zeitung. Der Geistliche hat die Tat gestanden und wurde suspendiert.
Michael Grodecki, seit knapp zehn Jahren Pfarrer in Ahrensburg, zeigte sich am Dienstag erschüttert von dem, was damals in seiner Gemeinde geschah. Er kennt den Priester und sagt: "Noch vor einer Woche hätte ich für ihn meine Hand ins Feuer gelegt. Viele in der Gemeinde schätzten den ehemaligen Kaplan."
Kurz nachdem der anonyme Hinweis des Opfers beim Bistum eingegangen war, wurde der Fall der Staatsanwaltschaft in Lübeck gemeldet. Das bestätigt Oberstaatsanwaltschaft Klaus-Dieter Schultz auf Anfrage. Derzeit prüfe er den Fall. Nach den ihm vorliegenden Informationen hat der damalige Kaplan den Jungen 1975 mehrfach missbraucht. Und zwar sowohl in Ahrensburg bei den Vorbereitungen zu einem internationalen Pfadfindertreffen im norwegischen Lillehammer, als auch während der Reise nach Norwegen und bei der Nachbereitung in Hamburg.
Die Ermittlungsbehörden prüfen, ob der Fall strafrechtlich zu verfolgen ist. Denn nur schwerste Missbrauchstaten, die eine lebenslange Haft zur Folge haben, verjähren nach Angaben des Oberstaatsanwaltes erst 30 Jahre nach dem 18. Geburtstag des Opfers. Der Ahrensburger Pfarrer Grodecki wurde bereits am Wochenende über die Vorfälle informiert. In einer Mitteilung des Erzbistums an die Gemeinde heißt es: "Der Priester erkennt mit großer Scham die Schuld an." Bistumssprecher Andreas Herzig sagte: "Der Priester wurde mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert und in den Ruhestand geschickt."
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es weitere Opfer gibt. Bistumssprecher Andreas Herzig sagte: "Der Priester hat die Namen von vier weiteren Opfern bis ins Jahr 1984 genannt." Derzeit sei die Kirche nun auf der Suche nach den Männern.
In der katholischen Pfarrei Maria Hilfe der Christen in Ahrensburg war der Kaplan von 1970 bis Ende der 70-er Jahre beschäftigt gewesen. Bereits seit 1972 war er zusätzlich als Jugendpastor am Hamburger Graumannsweg im Amt. Später leitete er einen Jugendclub und arbeitete auch als Seelsorger für Schausteller auf dem Hamburger Dom.
Kaplane sind in vielen Gemeinden mit der Jugendarbeit betraut. In Ahrensburg gründete der nun suspendierte Geistliche Anfang der 70-er Jahre den Pfadfinderstamm "Camilo Torres" und baute ihn maßgeblich mit auf.
Noch bis vor ein paar Tagen war er als Priester an der Hamburger St. Joseph-Kirche auf St. Pauli im Amt. Dort informierte Domkapitular Ansgar Thim die Kirchenmitglieder über die Suspendierung. "Sünde gibt es überall", sagt der heutige Pfarrer von St. Marien, Michael Grodecki. Er müsse jetzt die Last des sündigen Kaplans gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Grodecki: "Aber ich bin froh, dass es herausgekommen ist."
Er habe die Tat des ehemaligen Kaplans zwar nicht für möglich gehalten. Aber: "Ich werde aber nicht dazu schweigen." Er wolle die Vergangenheit aufarbeiten: "Es wurde zu oft versucht, die Kirche zu schützen. Jetzt müssen wir einen Blick für die Opfer bekommen." Denn sie bräuchten alle erdenkliche Hilfe. Und der Geistliche ermutigt mögliche weitere Opfer, sich zu melden.
Dass Missbrauch, auch außerhalb der Kirche jemals komplett verhindert werden könne, das hält der Pfarrer für unwahrscheinlich. "Aber er kann begrenzt werden."
Dafür müssten präventive Maßnahmen getroffen werden. Bei Jugendfahrten der Kirche seien schon seit mehreren Jahren mehr männliche und auch weibliche Betreuer dabei als noch vor ein paar Jahrzehnten. Die Gremien seiner 5700 Mitglieder großen Gemeinde, zu der auch jeweils eine Kirche in Bargteheide und Großhansdorf gehören, wird Michael Grodecki umgehend mit einem Rundschreiben verständigen.
An der Adolfstraße in Ahrensburg arbeiten zurzeit sieben Erzieher in der Krippe und am kirchlichen Kindergarten. Michael Grodecki sagt: "Jugendarbeit gehört zur Kirche dazu." Bei der nächsten Messe am Sonntag, 15. Mai, um 9.30 Uhr will er die Vorfälle bekannt geben.
"Wir dürfen uns davon aber nicht lähmen lassen", sagt der Geistliche. Denn diese Missbrauchsfälle müssten ganz klar von der aktuellen Arbeit der Kirche getrennt werden. Und von dem, was die Kirche für die Gesellschaft geleistet hat und leistet.
In Stormarn ist es bereits der sechste Missbrauchsfall in der katholischen Kirche. Bereits im März war ein sexueller Übergriffe am Kloster Nütschau bekannt geworden, vier weitere im Kinderhaus St. Josef in Bad Oldesloe.