Ahrensburg/Lübeck. Familienvater aus dem Kosovo vor dem Landgericht Lübeck. Wie Ermittler ihm auf die Spur kamen und wie die Opfer leiden.

Vor dem Landgericht Lübeck hat am Montag der Prozess gegen einen 47 Jahre alten Kosovaren begonnen, der für eine Serie von Wohnungseinbrüchen in Ahrensburg im vergangenen Winter verantwortlich sein soll. Die Staatsanwaltschaft legt dem Mann 16 Taten zwischen Ende Dezember 2022 und Anfang Februar 2023 zur Last.

Die Polizei hatte den 47-Jährigen am 10. Februar im Ahrensburger Schlosspark festgenommen. Dabei fiel auch ein Warnschuss, als der Mann sich den Beamten widersetzte. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Der Kosovare räumte in einer von seiner Verteidigerin verlesenen Erklärung gleich zu Beginn einen Großteil der Taten ein.

Prozess: 47-Jähriger soll für Einbruchserie in Ahrensburg verantwortlich sein

An fünf Einbrüche im Januar und Februar 2023 könne er sich nicht mehr erinnern. Als Tatmotiv gab der Vater von zwei Kindern, der kaum Deutsch spricht und vor Gericht von einer Dolmetscherin für die albanische Sprache unterstützt wurde, finanzielle Not an.

Laut Staatsanwaltschaft wählte der 47-Jährige meist Erdgeschoss- oder Hochparterre-Wohnungen in Mehrfamilienhäusern für die Einbrüche aus, selten auch solche im ersten Stock. Lediglich in einem Fall war demnach ein Einfamilienhaus Ziel des Angeklagten. Tatorte befanden sich an der Hagener Allee, der Bogenstraße, der Kirschplantage, der Hansdorfer Straße, der Hamburger Straße, am Wulfsdorfer Weg, am Helgolandring, am Vogteiweg, am Buchenweg sowie an den Straßen An der Schlossgärtnerei und Am Neuen Teich.

Schmuck und Bargeld im Wert von einigen Tausend Euro entwendet

In zwölf Fällen soll der Angeklagte ohne Beute geblieben sein, in den anderen nahm er Schmuck, Bargeld und mehrere Jeanshosen im Gesamtwert von einigen Tausend Euro mit. Die Anklage lautet auf schweren Wohnungseinbruchdienstahl in vier Fällen sowie zwölffachen versuchten Einbruchdiebstahl.

Bei den Einbrüchen soll der 47-Jährige stets nach demselben Muster vorgegangen sein. Tatzeit war fast immer der frühe Abend, zwischen 18 und 19 Uhr. „Im Winter ist es dann schon dunkel und der Täter sieht, ob Licht brennt und jemand zu Hause ist“, sagte ein Ermittler der Kriminalpolizei Ahrensburg vor Gericht. Sei es in der Wohnung dunkel, sei sie für die Kriminellen interessant. „Diebe sind keine Räuber, die wollen rein und möglichst schnell und unerkannt wieder raus“, so der Kriminalbeamte.

80 Prozent der Terrassentüren lassen sich mit Schraubenzieher aufhebeln

Über die Balkon- oder Terrassentür versuchte der Angeklagte, in das Gebäude einzudringen, indem er diese mit einem Schraubenzieher aufhebelte. Dabei soll der Familienvater teilweise derart brachial vorgegangen sein, dass er die Tür vollständig aus den Angeln hob, sodass die Bewohner sie später im Wohnzimmer liegend vorfanden.

Mal habe der Täter nur wenige Versuche benötigt, bis die Tür nachgegeben habe, in einigen Fällen aber auch bis zu 20 Mal ansetzen müssen, so der Beamte, der für die Spurensicherung an mehreren Tatorten verantwortlich war. „80 Prozent der gewöhnlichen Terrassentüren bekommt man mit einem Schraubenzieher irgendwann auf“, sagte der Polizist.

81-Jähriger ertappte den Angeklagten in seinem Wohnzimmer

Gelangte der 47-Jährige hinein, durchsuchte er sämtliche Räume. Teilweise wurde der 47-Jährige gestört und musste unverrichteter Dinge flüchten, etwa als er am 12. Dezember 2022 in eine Wohnung an der Bogenstraße eingestiegen war. Der 81 Jahre alte Bewohner und seine Lebensgefährtin hielten sich da gerade im Schlafzimmer auf. „Ich habe Krach gehört, als würde jemand Möbel verrücken und bin dann ins Wohnzimmer, um nachzusehen“, sagte der Senior vor Gericht. Als er das dunkle Zimmer betreten habe, sei der Einbrecher sofort über den Balkon geflüchtet.

Für die Kriminalpolizei sei schnell klar gewesen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Serientäter handelt. „Die Spurenlage und der Modus Operandi haben das nahegelegt“, so der Beamte. Die Hebelspuren an den Tatorten hätten übereingestimmt, was auf die Verwendung des gleichen Werkzeugs hindeute.

Schraubenzieher hinterlassen einen einzigartigen Abdruck

„Alle Schraubenzieher hinterlassen einen einzigartigen Abdruck, selbst wenn sie neu und baugleich sind“, erklärte der Ermittler. Zudem seien im Umfeld mehrerer Wohnungen dieselben, auffälligen Schuhabdrücke in Form eines Union Jack gefunden worden. Laut Gericht wurden auch DNA-Spuren sichergestellt. Ein Labor habe schließlich die Übereinstimmung der Abdrücke an den Türen mit einem Schraubenzieher bestätigt, den der Angeklagte bei seiner Festnahme bei sich geführt habe, so der Kriminalpolizist.

Wie diese gelang, schilderte ein anderer Ermittler vor dem Lübecker Landgericht, der als Zivilpolizist in Ahrensburg eingesetzt war. Eine entscheidende Rolle spielten demnach die Aufnahmen einer Überwachungskamera, die in einer der Wohnungen installiert war und den 47-Jährigen während des Einbruchs gefilmt hatte.

Polizist muss den 47-Jährigen mit einem Warnschuss stoppen

Seit es wiederholt zu Einbrüchen im Raum Ahrensburg gekommen sei, seien verstärkt getarnte Beamte im Stadtgebiet präsent gewesen. „Auf einem Wanderweg am Reeshoop habe ich die Person von den Videoaufnahmen wiedererkannt. Kollegen haben dann versucht, ihn im Bereich des Schlossparks festzunehmen“, so der Polizist.

Der 47-Jährige habe sich heftig gewehrt und zunächst losreißen können. „Ich habe ihm den Weg abgeschnitten und als er dann versucht hat, wieder zu fliehen, nach vorheriger Ansage einen Warnschuss abgegeben.“ Daraufhin habe sich der Angeklagte widerstandslos festnehmen lassen.

Betroffene schildern vor Gericht psychische Folgen der Einbrüche

Vor dem Landgericht sagten am Montag auch mehrere von den Einbrüchen Betroffene aus. Dabei wurde deutlich, welche psychischen Folgen die Taten für die Bewohner haben. Eine 31-Jährige gab an, sie fühle sich seit dem Einbruch in ihrer Eigentumswohnung so unwohl, dass sie nun umziehe. „Ich kann da einfach nicht mehr sein, deshalb verkaufe ich die Wohnung“, sagte sie. Eine 45-Jährige entschied sich nach eigenen Angaben, den geplanten Umzug vorzuziehen, weil sie sich nicht mehr sicher gefühlt habe.

Eine andere Zeugin erzählte, sie habe nach der Tat monatelang nicht richtig schlafen können. „Ich bin seit dem Einbruch sehr misstrauisch gegenüber anderen Menschen geworden“, so die 63-Jährige. Eine 51-Jährige schilderte, sie habe noch Wochen später Schwierigkeiten gehabt, die eigene Wohnung zu betreten. „Immer wenn ich bei der Arbeit war, habe ich mir vorgestellt dass gerade jemand in meiner Wohnung ist“, sagte die Frau.

Das Verfahren wird am Montag, 18. September, fortgesetzt. Das Landgericht hat insgesamt drei weitere Verhandlungstage bis Anfang Oktober angesetzt.