Stapelfeld. Ministerpräsident Daniel Günther kam zur Grundsteinlegung. Was er dabei hatte – und wie sein Urteil über den Neubau ausfällt.

Für die neue Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeldsind rund 100 Bauarbeiter im Einsatz. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. „Der Bau wächst jeden Tag rund fünf Meter in die Höhe“, sagte Projektleiter Felix Ranseder bei der Grundsteinlegung. Der Betreiber EEW Energy from Waste investiert mehr als 220 Millionen Euro in das Müllheizkraftwerk (MHKW) und die Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage (KVA). Die Anlagen sollen Ende 2024 in Betrieb gehen.

Weil das MHKW so energieeffizient arbeitet, gibt es sogar einen Zuschuss vom Land Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) griff nicht nur bei der symbolischen Grundsteinlegung zum Hammer, sondern überreichte auch einen Förderbescheid über bis zu 7,85 Millionen Euro. „Ich finde es großartig, was hier entsteht“, sagte Günther. „Das passt perfekt zu unserer Landesstrategie. Schließlich wolle Schleswig-Holstein bis 2040 das erste klimaneutrale Industrieland sein.

MVA Stapelfeld verdoppelt Stromproduktion bei gleicher Verbrennungskapazität

Das Kraftwerk, das unter anderem den Restmüll der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg verbrennt, liefert jährlich 225.000 Megawattstunden Strom und 250.000 Megawattstunden Fernwärme. Das ist bei gleicher Verbrennungskapazität (bis zu 350.000 Tonnen jährlich) wie die jetzige, 1979 eingeweihte Anlage beim Strom mehr als eine Verdoppelung. Derzeit versorgt das Kraftwerk rechnerisch 32.000 Haushalte der Region mit nachhaltig erzeugtem Strom aus Abfall. Ab 2024 werden es mehr als 64.000 sein. Und bei der Fernwärme ist noch Potenzial für bis zu 400.000 Megawattstunden.

Das Land fördert konkret drei technische Komponenten der geplanten Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, die die Energieausbeute deutlich verbessert: einen Wasser-Dampf-Kreislauf, eine Turbine und einen luftgekühlten Kondensator. Der Gesamtnutzungsgrad der Anlage erhöht sich damit auf bis zu 61 Prozent. Laut einer Studie des Umweltbundsamts erreichen die in Deutschland betriebenen Müllverbrennungsanlagen einen durchschnittlichen Nutzungsgrad von 44,6 Prozent.

Projektleiter Felix Ranseder (M.) erläutert Ministerpräsident Daniel Günther (CDU, roter Helm), wie der Neubau vorankommt.
Projektleiter Felix Ranseder (M.) erläutert Ministerpräsident Daniel Günther (CDU, roter Helm), wie der Neubau vorankommt. © Harald Klix

Dieser Neubau leistet einen wertvollen Beitrag zur Erreichung unserer ehrgeizigen Energiewende- und Klimaschutzziele in Schleswig-Holstein“, sagte Ministerpräsident Günther. „Dank hocheffizienter Energiegewinnung spart die neue Anlage rund 73.700 Tonnen CO2 pro Jahr.“ Über die Einspeisung ins Fernwärmenetz von HanseWerk Natur werden auch Unternehmen im nahen Gewerbegebiet und mehr als 90 Prozent der Privathaushalte in Stapelfeld versorgt.

In der Klärschlammverbrennung wird der seltene Rohstoff Phosphor zurückgewonnen

In der separaten Klärschlammverbrennung kann der knappe Rohstoff Phosphor zurückgewonnen werden. Er wird anderem in der Landwirtschaft eingesetzt, um Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen. Für Bernard Kemper, Vorsitzender der Geschäftsführung der EEW-Gruppe, ist das ein Musterbeispiel für Kreislaufwirtschaft. „Damit tragen wir nicht nur dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, unsere Ackerflächen künftig vor den im Klärschlamm enthaltenen Schadstoffen zu schützen, sondern verwandeln ihn in eine wertvolle Ressource und Energiequelle“, sagte er.

So ähnlich soll die fertige Anlage aussehen.
So ähnlich soll die fertige Anlage aussehen. © EEW Energy from Waste

Kemper erinnerte daran, dass EEW sich 2015/16 „sehr ernsthaft“ mit der Frage beschäftigt habe, die 1979 eröffnete und 1997 erweiterte „Mülle“ sogar stillzulegen. „Heute würde niemand mehr Mülle sagen, sondern von thermischer Abfallverwertung und Energieerzeugung sprechen“, so Kemper. Letztlich habe sich das Unternehmen für den Neubau entschieden, der im Werk auch langfristig bis zu 85 Arbeitsplätze sichert.

Anlagen versorgen die Region sicher mit Strom und Fernwärme

„Abfall ist eine der wenigen Ressourcen, über die Deutschland verlässlich verfügt. Diese Ressource im Sinne des Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutzes stofflich, chemisch oder thermisch nachhaltig zu verwerten ist eine wesentliche gesellschafts- und wirtschaftspolitische Aufgabe unserer Zeit,“ sagte Bernard Kemper. „EEW gewinnt aus Abfällen Recyclingrohstoffe wie Eisen und Mineralien und wandelt die in den Resten enthaltende Energie in Strom und Fernwärme für die Region.“ Der Neubau schaffe langfristige Ent- und Versorgungssicherheit für Schleswig-Holstein und die Metropolregion Hamburg.

Joachim Manns, Mitglied der EEW-Geschäftsführung, ging noch mal auf Schleswig-Holsteins erste Klärschlammverbrennung ein. Sie kann bis zu 32.500 Tonnen Trockensubstanz im Jahr aufnehmen und damit etwa die Hälfte der landesweiten Gesamtmenge. „Bei der Trocknung wird viel Energie benötigt, die aus der Müllverbrennung kommt“, sagte Manns. Und Schwermetalle, Arzneimittelrückstände oder Mikroplastik landeten nicht mehr ungefiltert auf den Feldern. Manns: „Bei Temperaturen von mehr als 850 Gard Celsius werden sämtliche bakteriellen und biologischen Gefahrstoffe vernichtet.“

Stapelfelds Bürgermeister drängt auf Ausbau der Autobahnanschlussstelle

Stapelfelds Bürgermeister Jürgen Westphal (Wählergemeinschaft) erläuterte, dass seine Gemeinde Anfang der 1980er-Jahre mit der Fernwärme ein „Leuchtturmprojekt“ auf den Weg gebracht habe. „Jetzt wird ein weiteres Kapitel der Mülle geschrieben“, sagte er. Die Kommunalpolitik stelle bereits den B-Plan für das Areal der Altanlage auf, die später abgebaut wird. Und auch die Feuerwehr werde bis 2024 für mögliche neue Herausforderungen aufgerüstet.

Den Vertretern der Landesregierung gab Westphal noch einen Auftrag mit auf den Weg. „Machen Sie Druck, dass der Ausbau unserer A-1-Anschlussstelle und der Landesstraße 222 endlich vorankommt“, sagte der Bürgermeister. Bereits im September 2020 war ein Vertrag über den Ausbau der Autobahnrampen und der Alten Landstraße unterzeichnet worden.

Baustellenkamera: Auf der Homepage www.energie-zukunft-stapelfeld.de ist der Fortschritt beider Anlagen zu verfolgen. Außerdem gibt es Infos zum Projekt.