Stapelfeld. Bund will Verbrennung von Abfall per Gesetz verteuern. Entsorger protestieren. Kunden in Stormarn müssten mehr zahlen.

Nach Erdgas, Heizöl, Strom und Lebensmitteln droht den Stormarnern eine weitere deutliche Preissteigerung: die der Müllentgelte. Die Bundesregierung möchte das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) auf Abfälle erweitern und schon nächstes Jahr 900 Millionen Euro einnehmen. Die CO2-Abgabe müssen zunächst Müll­ver­bren­nungs­an­la­gen (MVA) wie die in Stapelfeld zahlen. Diese geben die Kosten an Entsorgungsgesellschaften wie die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) weiter. Am Ende bekommen Kunden höhere Rechnungen.

Der Bundesrat hat der Gesetzesänderung zugestimmt, obwohl sein Wirtschafts- und Umweltausschuss die Verschiebung auf 2025 empfohlen hatte. Der Bundestag hat den Entwurf Ende September beraten, dort steht die Abstimmung noch aus. „Aktuell planen wir bei der Entgeltkalkulation zweigleisig“, sagt AWSH-Sprecher Torben Müller. Da man die finale Abstimmung im Bundestag zur CO2-Bepreisung von Abfall abwarten müsse, seien zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen zur künftigen Entgelthöhe möglich.

Restmüll und Sperrmüll würden teurer werden

Das Gesetz hätte Auswirkungen auf die Preise sowohl von Restmüll als auch von Sperrmüll. Über die Genehmigung der AWSH-Kalkulation für 2023 stimmt der Stormarner Kreistag im Dezember ab.

Das Unternehmen EEW Energy von Waste, das in der Stapelfelder MVA und 16 weiteren Anlagen jährlich rund fünf Millionen Tonnen Abfall verbrennt, kritisiert den Plan scharf. „In der jetzigen Situation wäre es völlig falsch, wenn Deutschland vorprescht, denn wir brauchen in Europa gleiche Rahmenbedingungen“, sagt der Stapelfelder MVA-Geschäftsführer Morten Holpert. Die EU arbeite bereits an der Aufnahme einer CO2-Bepreisung ins Europäische Emissionshandelsgesetz.

Experten befürchten mehr Müllexporte ins Ausland und illegale Entsorgung

Höhere Abfallentgelte für Privathaushalte und Unternehmen heizten die Inflation zusätzlich an. „Außerdem sind mehr Abfallexporte und illegale Entsorgung zu befürchten“, so Holpert. Ein EEW-Sprecher nennt dazu ein Beispiel aus Baden-Württemberg: Dort habe der Schwarzwald-Baar-Kreis einen Rest- und Sperrmüllauftrag in die Schweiz vergeben. In der Begründung heißt es unter anderem, dass die Verwertungsanlagen in Deutschland möglicherweise künftig in die CO2-Besteuerung einbezogen werden, „was mit nicht unerheblichen Mehrkosten verbunden wäre“. In der Schweiz sei dies bis mindestens 2030 nicht zu erwarten.

„Solche Ausweichbewegungen führen auch dazu, dass erhebliche Wärmepotenziale verloren gehen“, sagt Holpert. Die deutschen Anlagen könnten folglich weniger Strom und Fernwärme liefern, was gerade in der heutigen Energiekrise kontraproduktiv sei.

Mehrere Verbände fordern einheitliche europäische Lösung

Sogar dem Klimaschutz steht der Gesetzentwurf laut EEW entgegen, da er dem Verursacherprinzip widerspreche. Die MVA-Betreiber hätten keinen Einfluss auf die angelieferten Abfallmengen, die deshalb auch nicht kleiner werden könne.

Einen Verzicht auf nationale Alleingänge und eine einheitliche europäische Lösung fordern auch der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) und die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland (ITAD), die mehr als 80 Anlagen mit zusammen mehr als 90 Prozent der Behandlungskapazität vertritt. Ähnlich positioniert sich der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE).

Klimaschutz- und Energieausschuss des Bundestags berät als Nächstes

Komplett gegensätzlich beurteilt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) mit seinen knapp 1000 Mitgliedern den Gesetzentwurf. Nach seiner Einschätzung dürften Müllverbrennungsanlagen von der Energiekrise profitieren und könnten aus den Gewinnen eine CO-Bepreisung ausgleichen. Weil Energieverkauf lukrativ und die Verbrennung aktuell günstig sei, seien Sortieranlagen nicht mehr wettbewerbsfähig. Einigen drohe die zeitweise oder gänzliche Abschaltung. „Die Abfallmengen zur Sortierung sind stark zurückgegangen, und es herrscht ein wahrer Verteilungskampf über den Preis“, sagt BVSE-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock.

Als Nächstes berät der Klimaschutz- und Energieausschuss des Bundestags über den Gesetzentwurf. Abgeordnete der Regierungskoalition haben bereits erkennen lassen, das eine Verschiebung auf 2024 denkbar wäre.

Eine dreiköpfige Durchschnittsfamilie zahlt im Kreis Stormarn aktuell knapp 164 Euro jährlich für die Müllabfuhr. Rund zwei Drittel der Gesamtkosten entfallen auf die graue Tonne für den Restabfall. Ein Single-Haushalt mit wenig Restmüllaufkommen kommt auf rund 78 Euro jährlich. Die Entgelte der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) zählen deutschlandweit zu den niedrigsten.

Der Bund rechnet bei der Aufnahme von Abfällen ins Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEGH) für 2023 mit 900 Millionen Euro Mehreinnahmen. Der Verbraucher müsse mit einer Gebührenerhöhung von bis zu 13 Prozent rechnen.