Ahrensburg. Partei stellt ambitioniertes Paket vor. Von anderen Fraktionen hagelt es Kritik. Wie Sozialdemokraten das Klimaziel erreichen wollen.
Bis 2035 – und damit zehn Jahre eher als der Bund – soll die Stadt Ahrensburg klimaneutral sein. Dieses ehrgeizige Ziel soll die Stadtverordnetenversammlung nach dem Willen der SPD beschließen. Bislang hat Ahrensburg, im Gegensatz zu anderen Städten wie Bad Oldesloe oder Bargteheide, kein eigenes Klimaschutzziel festgeschrieben. Das wollen die Sozialdemokraten mit ihrem Antrag nun ändern – und setzen damit zugleich ein erstes Thema im beginnenden Kommunalwahlkampf.
„Wir haben zu lang darauf gewartet, dass uns von der Bundes- und der EU-Ebene Maßnahmen vorgegeben werden“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Jochen Proske. „Es ist Zeit, dass wir als Stadt Ahrensburg selbst aktiv werden und unsere Hausaufgaben machen.“ Wenn von oben nichts passiere, müsse der Impuls eben von unten kommen, ergänzt der SPD-Stadtverordnete und Vorsitzende des Bau- und Planungsausschusses, Markus Kubczigk. „Die Maßnahmen, die derzeit auf Bundesebene diskutiert werden, sind zu kurz gegriffen, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.“
SPD will Ahrensburg bis 2035 klimaneutral machen
Das Maßnahmenpaket, welches die SPD vorschlägt, ist ambitioniert. Bis zum 31. Dezember 2035 soll der öffentliche Sektor in Ahrensburg, darunter Verwaltung, Schulen und städtische Eigenbetriebe, eine ausgeglichene Treibhausgasbilanz aufweisen. Dazu sollen mehrere Zwischenziele festgeschrieben werden: Bis Ende 2025 soll die Schlossstadt ihre Emissionen um 20 Prozent mindern, bis Ende 2027 soll der Rückgang gegenüber dem aktuellen Ausstoß 40 Prozent betragen. Bis Ende 2029 ist eine Minderung um 55 Prozent, bis Ende 2031 um 70 Prozent und bis Ende 2033 um 85 Prozent vorgesehen.
Die Zwischenziele sollen verbindlich sein und regelmäßig evaluiert werden, ob sie erreicht wurden. Wird eine Etappe um mehr als fünf Prozent verfehlt, soll die Verwaltung den Stadtverordneten gegensteuernde Maßnahmen vorschlagen. Neben der Verpflichtung für den öffentlichen Sektor möchte die SPD, dass möglichst auch Privathaushalte und Unternehmen bis 2035 klimaneutral wirtschaften. „Hier können wir als Kommune keine Vorgaben machen, sondern müssen mit Anreizen arbeiten“, sagt Proske.
Energiesparen, regenerative Energiequellen und Mobilitätswende
In dem zweiseitigen Antrag präsentieren die Sozialdemokraten einen umfangreichen Katalog mit Maßnahmen, wie die ambitionierten Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Die Kernpunkte sind die Einsparung von Energie, die verstärkte Nutzung regenerativer Energiequellen und das Vorantreiben der Mobilitätswende. Den Klimaschutz möchte die Partei zur „obersten Priorität des Verwaltungshandelns“ machen.
Im öffentlichen Sektor fordert die SPD, dass sämtliche Vorhaben der Stadt künftig vor der Beschlussfassung auf ihre Konsequenzen für den Treibhausgasausstoß hin untersucht werden sollen – auch, wenn das im Ergebnis bedeutet, dass einige Projekte nicht mehr in der geplanten Form umsetzbar wären. „Müssen wir künftig wegen des Klimaschutzes auf Dinge verzichten? Die ehrliche Antwort lautet ja“, sagt Proske. Es sei eine Illusion anzunehmen, dass Klimaneutralität erreichbar sei, ohne etwas zu verändern.
Projekte sollen vor Beschlussfassung auf Klimafolgen geprüft werden
Die Verwaltung soll dazu während der Beratung in den Ausschüssen verpflichtend eine Klimabilanz vorlegen müssen. Alle politischen Entscheidungen sollen auf die Emissionsvermeidung ausgerichtet werden. Zur Not möchten die Sozialdemokraten zur Bewältigung des zusätzlichen Arbeitsaufwandes auch neue Stellen im Rathaus schaffen oder auf externe Berater zurückgreifen.
Im Bereich der Bau- und Abfallwirtschaft will die SPD Ahrensburg zur „Zero-Waste-Stadt“ machen, mit einer Kreislaufwirtschaft und der Verwendung nachhaltiger, recyclingfähiger Baustoffe. „Wir müssen uns auch intensiver mit Grauer Energie befassen“, sagt Bela Randschau, Spitzenkandidat der SPD für die Kommunalwahl. „Wir müssen uns fragen, ob es wirklich immer notwendig ist, neu zu bauen oder ob es nicht ökologisch sinnvoller sein kann, Bestandsgebäude zu sanieren.“ Besonders in Beton und Stahl sei bei der Herstellung viel Energie geflossen.
Busverkehr soll enger getaktet und Linien neu zugeschnitten werden
Die Verwaltung soll nach dem Willen der Sozialdemokraten unter Beteiligung von Fachöffentlichkeit und Zivilgesellschaft ein Energie- und Klimakonzept ausarbeiten, in dem Maßnahmen definiert werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Um die Ahrensburger zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen, möchte die SPD in einen massiven Ausbau des Busnetzes investieren. „Dazu gehört es, die Taktung zu verbessern, aber auch, die Linien neu zuzuschneiden und aufzuteilen“, sagt Kubczigk. Es könne nicht sein, dass Bürger erst eine Stadtrundfahrt machen müssten, wenn sie mit dem Bus zum Wochenmarkt wollten. „Der Komfort, den ein eigenes Auto bietet, muss durch einen attraktiven ÖPNV ausgeglichen werden“, so Kubczigk. Dazu gehörten kurze, direkte Busverbindungen.
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Die SPD möchte das Papier im April in der Stadtverordnetenversammlung zur Abstimmung stellen. Doch aus den anderen Fraktionen gibt es schon jetzt Kritik. Der Vorwurf: Die Sozialdemokraten handelten allein aus wahlkampftaktischen Gründen. „Inhaltlich sind die Ansätze richtig, aber da fehlen noch ganz viele Informationen“, kritisiert die Grünen-Fraktionsvorsitzende Nadine Levenhagen. „Was kostet das? Welche Maßnahmen kann und soll die Stadt konkret unternehmen?“ All das sei vollkommen unklar.
FDP wirft Sozialdemokraten „durchschaubares Wahlkampfmanöver“ vor
„Man kann nicht einfach irgendwelche Ziele festlegen, ohne dass man um die Konsequenzen weiß“, sagt Levenhagen. „Wir wollen, dass sich zuerst der neue Klimaschutzmanager mit dem Antrag befasst“, sagt sie. Dieser soll seine Stelle zum 1. April antreten. Das Thema Klimaschutz sei zu wichtig, um jetzt unvorbereitet im Wahlkampf darüber zu entscheiden. „Wir werden deshalb beantragen, die Beratung über das Thema zu vertagen“, kündigt die Fraktionschefin der Grünen an.
Ähnlich kritisch äußert sich Thomas Bellizzi, Vorsitzender der FDP-Fraktion. „Wir können gar nicht absehen, welche Folgen ein solcher Beschluss für Ahrensburg hätte“, warnt er und wirft der SPD ein „durchschaubares Wahlkampfmanöver“ vor. Andere wichtige Projekte, etwa der Neubau von Schulen und Kitas, könne ausgebremst werden.
Wählergemeinschaft hält Maßnahmen für unrealistisch
Peter Egan, Fraktionschef der Wählergemeinschaft WAB bezweifelt, dass der SPD-Antrag überhaupt umsetzbar wäre. „Bei vielen Dingen haben wir gar keine rechtliche Befugnis und unser Einfluss als Stadt auf das Handeln der Bürger ist ohnehin begrenzt“, sagt er. „Niemand ist gegen Klimaschutz, aber ich halte das für unrealistisch.“ Die SPD entwerfe lieber wohlklingende Konzepte, als konkrete, einzelne Maßnahmen voranzubringen, kritisiert Egan. So habe die Partei den Antrag der WAB für einen Solarpark an der Autobahn 1 nicht mitgetragen.
Ob der SPD-Antrag eine Mehrheit findet, ist also mehr als ungewiss. CDU und Linke wollten das Papier noch nicht kommentieren. Man habe sich in der Fraktion noch nicht beraten, heißt es. SPD-Fraktionschef Jochen Proske jedenfalls weist die Kritik, der Antrag sei Wahlkampftaktik, entschieden zurück. „Wir haben uns bewusst entschieden, ihn vor Beginn der heißen Wahlkampfphase zu stellen“, sagt er. Die Fraktion habe lang daran gearbeitet und ihn vorgelegt, sobald er fertig gewesen sei. „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren“, sagt Proske. Nach der Kommunalwahl müssten sich die Ausschüsse zunächst neu konstituieren, dann sei Sommerpause. „Diese Monate haben wir nicht.“