Bargteheide. Karin Prien (CDU) stellt sich in Bargteheide den Fragen von Schülern, Eltern und Lehrern. Wie sie den Beruf attraktiver machen will.

Schleswig-Holsteins BildungsministerinKarin Prien sieht in der Rekrutierung von Nachwuchslehrkräften „die größte Herausforderung in der Bildungspolitik für die kommenden Jahre“. Ohne gut ausgebildete Pädagogen werde es nicht möglich sein, die Aufgabenstellungen, vor denen das sich wandelnde Schulsystem stehe, zu bewältigen, sagte die CDU-Politikerin am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in Bargteheide.

Die sechs Lions-Clubs aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg hatten zu dem Format unter dem Motto „Wie sieht die Zukunft unserer Schulen aus?“ ins Ganztagszentrum eingeladen. Schon nach kurzer Zeit kristallisierte sich heraus, welches Thema den Abend dominieren sollte: der dramatische Lehrermangel in einigen Regionen des Landes. Ende Januar hatte das Ministerium mehr als 200 unbesetzte Stellen im nördlichsten Bundesland gemeldet.

Lehrermangel: Das plant Schleswig-Holsteins Bildungsministerin

Prien betonte, dass Schleswig-Holstein im Vergleich mit anderen Bundesländern bei der Lehrerversorgung gar nicht so schlecht dastehe wie oft dargestellt. „Die Herausforderung liegt darin, die richtigen Lehrkräfte an die richtigen Schulen in den richtigen Regionen zu bringen“, so die CDU-Politikern. Pädagogen fehlten vor allem an den Grund- und Gemeinschaftsschulen sowie den Förderzentren. „An den Gymnasien stehen wir eher vor dem Problem, dass es in bestimmten Fächern zu wenige Lehrkräfte gibt.“ Betroffen seien insbesondere Naturwissenschaften wie Mathematik, Physik und das neue Pflichtfach Informatik, aber auch Musik.

Fertig ausgebildete Pädagogen zögen zudem bevorzugt in bestimmte Regionen. „Viele Absolventen möchten im Umkreis von 30 Kilometern um ihren Studienort in Flensburg oder Kiel unterrichten“, sagte die Ministerin. Formal könne sie die Lehrkräfte als Beamte zwar versetzen. „Aber in der Realität sagen die Betroffenen dann: Das machst du nicht, sonst gehe ich woanders hin.“

Land möchte Pädagogen Weiterbildung in bestimmten Fächern ermöglichen

Welche Möglichkeiten bleiben der Politik also, um eine ausreichende Versorgung mit Lehrern überall im Land sicherzustellen? „Einerseits werden wir dazu kommen müssen, besser zu steuern, welche Lehrkräfte an welchen Hochschulen studieren“, sagte Prien. Die Schwierigkeit dabei sei jedoch, dass sich nicht so einfach Vorgaben machen ließen. „Wir können die Bewerber nur ermutigen, und da müssen wir Wege finden“, so die CDU-Politikerin. Außerdem müssten die Lehramts-Anwärter besser betreut werden, um die Abbrecherquote zu reduzieren. „Nötig wird es sein, das Grundschulstudium stärker zu dualisieren“, sagte Prien. Lehramtsstudenten könnten dann schon vor dem Examen den Schulalltag kennenlernen und im Unterricht eingesetzt werden.

Andres Zacharias-Langhans, Mittelstufenleiter am Kopernikus-Gymnasium in Bargteheide, wünscht sich, dass Lehrkräfte stärker entlastet werden.
Andres Zacharias-Langhans, Mittelstufenleiter am Kopernikus-Gymnasium in Bargteheide, wünscht sich, dass Lehrkräfte stärker entlastet werden. © HA | Filip Schwen

Um den Mangel in einzelnen Fächern zu bekämpfen, setzt Prien auf gezielte Fortbildungsangebote für vorhandene Pädagogen. Auf diese Weise sei es gelungen, 200 Lehrkräfte zusätzlich für das Fach Informatik auszubilden. „Wir prüfen zurzeit eine Weiterqualifikation auch für andere Fächer“, sagte die Ministerin. Ziel sei es auch, die zahlreichen Pädagogen, die aus der Ukraine nach Schleswig-Holstein geflohen seien und vielfach bereits als Assistenzlehrer eingesetzt würden, durch Weiterqualifikation dauerhaft im Schuldienst zu halten.

Die Ministerin verweist auf bereits umgesetzte Maßnahmen

Die Bildungsministerin verwies auf die Schritte, die die Landesregierung bereits in der Vergangenheit unternommen habe, um den Lehrermangel zu bekämpfen. „Wir haben 2019 die Besoldung für Grundschullehrkräfte erhöht, eine Maßnahme, über die in Hessen jetzt erst diskutiert wird“, so Prien. Das Land habe die Zahl der Studien- und Referendariatsplätze erhöht, sei regelmäßig auf Berufsmessen, um um Nachwuchs zu werben.

„Wir haben die Möglichkeiten für ein Freiwilliges Soziales Jahr an Schulen erweitert, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass junge Menschen, die ein solches absolvieren, mit hoher Wahrscheinlichkeit den Lehrerberuf ergreifen.“ Bai alldem sei aber zu bedenken, dass die Maßnahmen erst mittelfristig zu Entlastung führten. „Wenn sich jetzt mehr junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden, sind sie erst in sechs bis sieben Jahren an den Schulen“, so Prien.

Prien will Schuldienst weiter für Quereinsteiger öffnen

Vielen der im Publikum Anwesenden, darunter viele Eltern und Lehrer, reichten die Zusagen der Ministerin nicht aus. Susanne Braun-Speck aus Reinfeld, Referentin für digitale Bildung und selbst Mutter, forderte, der Zugang zum Schuldienst für Quer- und Seiteneinsteiger ohne klassisches Lehramtsstudium müsse erleichtert werden. „Wir müssen den Lehrerberuf weiter öffnen, und es wird diese Öffnungen geben“, versicherte Prien. „Ich halte aber nichts davon, in großem Maße Personen einzustellen, die nicht über die notwendige Qualifikation verfügen“, stellte die CDU-Politikerin klar. Es gehe nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität.

Mehrfach wurde der Wunsch nach mehr Unterstützung für die Lehrkräfte im Schulalltag geäußert. „Wir brauchen Entlastungsmöglichkeiten“, appellierte etwa Andres Zacharias-Langhans, Mittelstufenleiter am Kopernikus-Gymnasium in Bargteheide. „Ich mache meinen Job wirklich gern“, sagte er, „aber viele Dinge, die wir als Lehrer übernehmen müssen, gehen inzwischen über die normalen Arbeitsanforderungen hinaus.“

Kommunen fordern mehr Geld für Schulsozialarbeit

Dagmar Danke-Bayer, Stadtverordnete der Grünen in Bad Oldesloe, forderte, das Land müsse sich stärker an der Schaffung und Finanzierung zusätzlicher Stellen für die Schulsozialarbeit beteiligen. „Viele Lehrer sind überlastet, weil sie Aufgaben übernehmen, für die sie nicht ausgebildet sind“, sagte die Politikerin, die dem Bildungs-, Kultur- und Sportausschuss der Kreisstadt angehört. „Die Schule ist für viele Kinder auch am Nachmittag zum Lebensmittelpunkt geworden, das können die Lehrer nicht auffangen“, betonte sie und ergänzte: „Die Schulleiter kommen auf Knien zu uns und bitten um weitere Stellen.“

Bei der Finanzierung sieht Danke-Bayer das Land in der Pflicht. „Wir können das als Kommune allein nicht wuppen“, sagte sie und rechnete vor, dass Bad Oldesloe im laufenden Schuljahr für 15 Schulsozialarbeiter rund 644.000 Euro ausgegeben habe. „Von Kreis und Land haben wir nur etwas mehr als 87.000 Euro bekommen“, so Danke-Bayer. 2021 hatten sich bereits mehr als 150 Städte und Gemeinden mit einer gemeinsamen Resolution an die Landesregierung gewandt und Unterstützung verlangt.

Dagmar Danke-Bayer, Stadtverordnete der Grünen in Bad Oldesloe, fordert mehr finanzielle Unterstützung für die Schulsozialarbeit.
Dagmar Danke-Bayer, Stadtverordnete der Grünen in Bad Oldesloe, fordert mehr finanzielle Unterstützung für die Schulsozialarbeit. © HA | Filip Schwen

Prien erteilt Forderung nach stärkerer Beteiligung des Landes Absage

Der Forderung nach mehr Geld erteilte Prien jedoch eine Absage. „In der Sache, dass wir mehr Schulsozialarbeit benötigen, bin ich Ihrer Meinung“, sagte die Ministerin. Das Land habe aber vor allem die Aufgabe, die Versorgung mit Lehrkräften sicherzustellen, und die sei bereits ein Kraftakt. „Alles andere fällt unter die Zuständigkeit der Schulträger“, so Prien, die „keine Hoffnungen wecken“ wollte, dass finanziell mehr vom Land zu erwarten ist.

Bei der umfangreichen Debatte zum Lehrermangel blieb wenig Zeit für andere Themen. Kurz skizzierte die Bildungsministerin die anderen, aus ihrer Sicht, drängenden Herausforderungen für das Schulsystem. Um den Rückstand infolge der Schulschließungen aufzuholen, werde die Landesregierung weitere 29 Millionen Euro für das Programm „Aufholen nach Corona“ bereit stellen. Jüngste Studien hätten gezeigt, dass die Leistungsstandards in Deutsch, Mathematik und Englisch unter den Viertklässlern sich weiter verschlechtert hätten. „Eine dramatische Entwicklung, die ich so nicht hinnehmen werde“, sagte Prien. Um dem entgegenzuwirken, möchte die CDU-Politikerin zudem künftig verstärkt Kitas und Eltern ins Boot holen.

Schulen sollen mehr Freiraum bei der Unterrichtsgestaltung bekommen

Um auf das sich wandelnde Schulsystem zu reagieren, möchte die Landesregierung den Schulen ab dem Jahr 2024/25 mehr Freiraum und Unterstützung zur Erprobung innovativer Unterrichtsformen erhalten. Die rechtliche Grundlage dazu soll, nach dem Vorbild Dänemarks, eine sogenannte Experimentierklausel schaffen. Und zuletzt versprach Prien auch, die Digitalisierung der Schulen weiter voranzutreiben.