Ahrensburg. Am Ende bliebe im Kreis nur noch ein Gotteshaus übrig – aber “vielleicht geht der Erzbischof ja nochmal in sich“, hoffen die Gläubigen.

  • Die Katholische Kirche will fast alle Kirchen in Stormarn verkaufen
  • Die Pläne sind Teil einer großen "Immobilienreform" des Erzbistums Hamburg
  • Die Gläubigen hoffen nun darauf, dass Erzbischof Stefan Heße "noch einmal in sich geht"

Das Entsetzen unter Katholiken im Norden ist groß: Das Erzbistum Hamburg plant den Verkauf zahlreicher Kirchen in Stormarn. Laut Abendblatt-Informationen sollen fünf katholische Kirchen der Pfarrei St. Ansverus im Kreis in den kommenden Jahren aufgegeben werden: St. Vicelin in Bad Oldesloe, Heilig Geist in Großhansdorf, St. Marien in Reinfeld, St. Michael in Bargteheide und St. Marien in Trittau. In Stormarn soll nur der Standort in Ahrensburg erhalten bleiben, dazu im Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg Mölln und Ratzeburg.

Katholische Kirche: Verkauf "vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen"

„Vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen findet derzeit im gesamten Erzbistum Hamburg eine Immobilienreform statt“, sagte Diakon Tobias Riedel auf Nachfrage unserer Redaktion. Ziel sei es, den historisch gewachsenen, heute aber in vielen Fällen überdimensionierten Immobilienbestand dem aktuellen und künftigen Raumbedarf anzupassen. Riedel: „Gleichzeitig sollen durch die Reform finanzielle Mittel für seelsorgliche und karitative Projekte frei werden, die bisher für den Gebäudeunterhalt aufgewendet werden mussten.“

Seit April 2022 habe eine Arbeitsgruppe ein Immobilienkonzept für die Pfarrei St. Ansverus entwickelt. „Dabei wurde in Primär- und Sekundärimmobilien unterschieden: Während erstere für die kirchliche Arbeit auch künftig als unverzichtbar angesehen werden, sollen letztere bis 2030 umgenutzt oder verkauft werden“, so Riedel weiter. Welche der acht Standorte in welche Kategorie fallen, teilte der Diakon auf Nachfrage nicht mit. Doch aktuell wird das Konzept in Gemeindeversammlungen der Pfarreiöffentlichkeit mitgeteilt. So sickerten die konkreten Pläne an die Öffentlichkeit.

Gemeindemitglieder äußern sich schockiert über die Pläne

Gemeindemitglieder äußern sich gegenüber unserer Redaktion schockiert über die Pläne. Zwar sagte Riedel auf Nachfrage, dass der Immobilienbestand reduziert, aber keine Gemeinde aufgelöst werde und pastorale Mitarbeiter weiter an den Standorten präsent sein würden. Doch viele Katholiken sorgen sich trotzdem um das Gemeindeleben.

Auch die katholische Kirche St. Marien in Trittau soll der Reform zum Opfer fallen.
Auch die katholische Kirche St. Marien in Trittau soll der Reform zum Opfer fallen. © Elvira Nickmann

„Das Entsetzen ist groß, es gibt viel Ärger und Unverständnis“, sagt ein Oldesloer Gemeindemitglied, das anonym bleiben möchte. Veränderungen hätten sich zwar angebahnt. „Aber mit so einem Kahlschlag haben wir nicht gerechnet. Es ist eine Katastrophe.“ Gerade für die große St.-Vicelin-Kirche habe man auf den Erhalt gehofft. „Ohne sie steht das Gemeindeleben vor dem Aus.“

Kirche in Bad Oldesloe soll in wenigen Jahren aufgegeben werden

Laut Abendblatt-Informationen soll die St.-Vicelin-Kirche in Bad Oldesloe 2027 oder 2028 aufgegeben werden. Zumindest der katholische Kindergarten soll erhalten bleiben. In Reinfeld soll schon Anfang 2024 Schluss sein. „Ich kann nicht fassen, dass selbst die große Kirche in Bad Oldesloe zur Sekundärimmobilie deklariert wurde und aufgegeben werden soll“, sagt auch ein weiteres Oldesloer Gemeindemitglied.

„Das war ein Schock für die Katholiken im Norden Stormarns.“ Denn für diese sei die St.-Vicelin-Kirche der zentrale Treffpunkt gewesen. Knapp 3600 Mitglieder hat die Gemeinde. Laut Zensus waren 2011 16.650 Menschen im Kreis katholisch. Das sind knapp sieben Prozent der rund 245.000 Einwohnerinnen und Einwohner.

"Stormarn wird zum weißen Fleck auf der Landkarte"

Wie es für sie weitergeht, wenn in Stormarn nur noch der Standort Ahrensburg fortbesteht, ist ungewiss. „Es gibt keine guten Ausweichmöglichkeiten“, sind sich die Gemeindemitglieder einig. Bevor St. Vicelin 1968 eingeweiht wurde, fanden sich Katholiken im Oldesloer Kinder- und Jugendhaus St. Josef zusammen. „Da sollen sich künftig alle 3600 Mitglieder wieder einfinden. Ob das bautechnisch überhaupt realisierbar ist, weiß ich nicht“, sagt das Gemeindemitglied.

Die katholische St.-Vicelin-Kirche in Bad Oldesloe soll verkauft werden.
Die katholische St.-Vicelin-Kirche in Bad Oldesloe soll verkauft werden. © Juliane Minow

Die Nachricht über das drohende Aus der St.-Vicelin-Kirche habe die Gemeindemitglieder wie der Blitz getroffen. „Die Stimmung ist von Unverständnis, Misstrauen und Entsetzen geprägt“, so ein weiteres Gemeindemitglied. Problem: Katholiken aus Bad Oldesloe, Reinfeld, Großhansdorf, Trittau, Bargteheide und Umgebung müssen künftig wohl auf weiter entfernte Kirchen zurückgreifen, wenn sie ihren Glauben weiter aktiv ausleben wollen. Doch die sind mitunter sehr weit weg. Auch in Lübeck sollen Kirchen geschlossen werden. „Stormarn wird zum weißen Fleck auf der Landkarte“, sagt das Gemeindemitglied.

Befürchtung: Die Mitgliederzahlen könnten noch weiter zurückgehen

Die Befürchtung: „Nicht alle Menschen sind mobil. Ich habe schon von einigen gehört, dass sie so weite Strecken nicht auf sich nehmen wollen. Für sie ist der Gottesdienstbesuch damit vom Tisch.“ Das wiederum könne zu einem noch größeren Mitgliederschwund führen. „So macht die katholische Kirche sich selbst kaputt“, fürchtet das Gemeindemitglied. „Die Identifikation mit einer Gemeinde verdampft regelrecht. Kirche lebt davon, dass Christen zusammenkommen, dass man sich begegnet, gemeinsam betet, trauert und sich austauscht.“ Was aktuell passiert, sei ein Prozess der Selbstzerstörung.

Ähnlich erschüttert ist Doris Wendt, Mitglied der katholischen Kirchengemeinde Trittau. Sie sagt: „Unsere Kirche ist ein geweihter Ort, an dem die Gottesdienste und das gesamte Gemeindeleben stattfinden. Deswegen wäre es natürlich schrecklich, wenn das Kirchengebäude verkauft werden müsste.“ Doch für die Gemeinschaft hat Wendt Hoffnung: „Es wäre schmerzlich, jedoch wäre nicht alles so furchtbar, wie es jetzt erst einmal klingen mag. Denn wir bleiben als Gemeinschaft ja bestehen. Es gibt Ideen und Gespräche, wie wir das hier in Trittau weitergestalten könnten.“

Katholische Kirche: "Vielleicht geht der Erzbischof ja noch mal in sich"

In letzter Instanz beschlossen ist das Konzept noch nicht. Anfang Februar hat der Kirchenvorstand der Pfarrei St. Ansverus dem zugestimmt. Es wird nun Erzbischof Stefan Heße zur Genehmigung vorgelegt. „Wir hoffen auf eine Rückmeldung bis Ende Juni“, sagt der Ahrensburger Pfarrer Christoph Scieszka.

Zumindest einige Gemeindemitglieder haben noch einen Funken Hoffnung, dass der Kahlschlag abgewendet werden kann: „Vielleicht geht der Erzbischof ja noch mal in sich und guckt einfach mal auf die Landkarte.“