Grosshansdorf. Schlot der geplanten Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld schrumpft von 110 auf 63 Meter – Gutachter erklärt es beim Erörterungstermin.
Warum ist der Schornstein der neuen Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeld nur noch 63 Meter hoch und nicht wie jetzt 110 Meter? Diese Frage, die sich viele Menschen im Umkreis der Anlage stellen, stand am zweiten Tag des Erörterungstermins zum geplanten 150-Millionen-Euro-Projekt in Großhansdorf im Mittelpunkt. Anwohner von Stapelfeld über Siek und Brunsbek bis Ahrensburg sorgen sich, dass auf ihren Grundstücken künftig mehr Schadstoffe niederrieseln.
Alexander Ropertz, Gutachter der Ingenieurgesellschaft Müller-BBM in Gelsenkirchen, erläuterte den rund 50 Zuhörern im Waldreitersaal die Berechnung. Grundlage ist die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft). Weitere Details habe die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) in einem speziellen Merkblatt vorgeschrieben. Ziel sei es, den „ungestörten Abtransport der Abgase sicherzustellen“.
Verschiedene Faktoren ergeben die Schornsteinhöhe
Erste Grundlage sei der Schadstoffausstoß, was zu einer emissionsbedingten Höhe von 18,70 Meter führe. Unter Berücksichtigung von Bebauung und Bewuchs ergäben sich 34 Meter. Außerdem müsse das nächste Gebäude am Schlot (die Rauchgasreinigung) berücksichtigt werden, was zu 41 Metern führe. Schließlich spielt noch das höchste Einzelgebäude auf dem Areal (das Kesselhaus) eine Rolle, wodurch sich die 63 Meter errechneten. Weitere Aspekte wie beispielsweise Geländeunebenheiten seien nicht relevant.
„Die Höhe ist nicht so einfach frei wählbar, für einen größeren Schornstein müsste es gute Gründe geben“, sagte Ropertz. Die lägen nach seiner Auffassung in Stapelfeld nicht vor. Nachdem Zuhörer an den ersten beiden Erörterungstagen mehrfach kritisiert hatten, dass die Planer im Auftrag von MVA-Betreiber EEW Energy from Waste arbeiteten, betonte Ropertz ausdrücklich, unparteiisch zu sein: „Wir sind ein unabhängiger Gutachter, national auch für Behörden und Kommunen tätig.“
Bürger aus Ahrensburg beschweren sich
Das beruhigte die persönlich Anwesenden der mehr als 600 Einwender kaum. „Der niedrigere Schornstein bedeutet, dass die Immissionen im engeren Umkreis mehr werden“, sagte Jürgen Siemers, Vorsitzender des Bürger- und Grundeigentümervereins Waldgut Hagen in Ahrensburg. Von einer 3,5-fachen Steigerung sprach Jan Furken, der ebenfalls im Süden der Schlossstadt wohnt. Ähnliche Proteste äußerten Bürger aus Brunsbek und Siek.
EEW-Anwalt Lutz Krahnefeld erläuterte, dass es sich um das einzig rechtssichere Verfahren handele. „Man könnte auch andersherum argumentieren: Es gibt sicher auch Menschen, die durch einen höheren Schornstein mehr belastet würden“, sagte er. Diese hätten gute Klagerechte, wäre der neue Schlot 70 oder 80 Meter hoch.
Genehmigungsbehörde schließt höheren Schornstein aus
Diese Einschätzung mochte Katrin Delfs von der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG!) Stapelfeld nicht nachvollziehen: „Ich bestehe auf Gleichbehandlung zu Leuten, die weiter weg wohnen!“ Vom Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) – Genehmigungsbehörde und Veranstalter der Erörterung – wollte sie wissen, ob es möglich sei, einen höheren Schlot zu fordern.
Der dortige Projektleiter Rainer Lau verneinte. Die TA Luft mache die Vorgaben. Vergleiche mit anderen Anlagen seien nicht möglich, es zählten immer die einzelnen Umstände.
Zusatzbelastung messtechnisch nicht nachweisbar
Gutachter Alexander Ropertz ergänzte, dass die Zusatzbelastung für die Region so gering sei, dass sie messtechnisch gar nicht nachweisbar sei. In seinem lufthygienischen Gutachten nannte er eine sogenannte Irrelevanzgrenze von drei Prozent. Die Abgaszahlen von neuem Müllheizkraftwerk (bis zu 350.000 Tonnen Jahreskapazität) und zusätzlicher Klärschlammverbrennung (32.500 Tonnen) seien deutlich niedriger.
Der Kieler Toxikologe Dr. Hermann Kruse versicherte einem Landwirt, dass er „auf jeden Fall“ weiter in der Region wohnen könne. Zugleich regte er als Sachbeistand des LLUR an, deutlich niedrigere „Vorsorgewerte“ statt Grenzwerte anzustreben. So seien beim „gefährlichsten Schadstoff“ Arsen, aber auch bei Chrom oder Benz(a)pyren hohe Gesamtbelastungen zu sehen. Zugleich regte Kruse an, mit sogenannten Bergerhoff-Geräten dauerhafte Messstellen einzurichten.
Fortsetzung des Erörterungstermins: Do. 12.12., 10.00, Waldreitersaal Großhansdorf, Barkholt 64