Stapelfeld. Genehmigungsbehörde lässt vorzeitigen Beginn für 150-Millionen-Euro-Projekt zu. Bis zu 400 Menschen arbeiten dort.
Auf Stormarns größter Baustelle für die nächsten Jahre wird jetzt gearbeitet. Die Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld hat mit dem Bau der neuen Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) und des neuen Müllheizkraftwerks (MHKW) begonnen. Die Genehmigungsbehörde, das schleswig-holsteinische Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), hat den vorzeitigen Start zugelassen, obwohl das Genehmigungsverfahren noch läuft.
Das Unternehmen EEW Energy from Waste investiert schätzungsweise mindestens 150 Millionen Euro. Bis zu 400 Arbeiter werden parallel auf dem Areal am Dorfrand in Sichtweite der Autobahn 1 im Einsatz sein. In der Anfangsphase sind es etwa 80 bis 90.
Spezialbohrgeräte setzen Hunderte Pfähle in die Erde
„Wir haben für die beschleunigte Umsetzung unserer Vorhaben die Zulassung vorzeitigen Beginns für die ersten Gründungsarbeiten erhalten“, sagt Morten Holpert, Technischer Geschäftsführer der EEW Stapelfeld GmbH. Gleichzeitig habe die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet. Zwei 30 Meter hohe Spezialbohrgeräte wurden bereits per Schwertransport herangeschafft und montiert. Sie setzen Hunderte Stützen in die Erde. „Die circa 20 Meter tiefen Bohrlöcher benötigen wir für die Gründungspfähle, die später das Fundament der Anlagen tragen“, sagt Projektleiter Jens Meinhold. Stahlbewehrung sorgt für zusätzliche Stabilität im Beton. Die Löcher werden in den Boden gedreht und nicht gerammt. „Das funktioniert im Prinzip wie beim Apfelentkernen“, sagt Morten Holpert.
Einen vorzeitigen Beginn kann die dem Umweltministerium in Kiel angegliederte Behörde laut Bundes-Immissionsschutzgesetz ermöglichen, wenn „mit einer Entscheidung zugunsten des Antragstellers gerechnet werden kann“ und „ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers (...) besteht“. Dieser verpflichtet sich außerdem, den früheren Zustand wieder herzustellen, sollte die Genehmigung in der Hauptsache wieder Erwarten doch versagt werden.
Ein Jahr Verzögerung lässt Baukosten wohl stark steigen
EEW ist optimistisch, den finalen Beschluss vom LLUR in diesem Sommer zu bekommen, wenn es keine weiteren coronabedingten Einschränkungen gibt. „Dann könnten wir die Anlagen bei einem reibungslosen Bauablauf im dritten Quartal 2023 in Betrieb nehmen“, sagt Morten Holpert.
Wegen Ergänzungen der Antragsunterlagen um ein weiteres Grundstück während der Bauzeit und der Auswirkungen der Corona-Pandemie liege das Großprojekt ein Jahr hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Damit dürften laut Branchenkennern nicht nur die Kosten deutlich steigen. Eine Inbetriebnahme nach 1. Januar 2023 führt auch zum Verlust von Nutzentgelten für die Stromeinspeisung.
Neuer Ofen liefert Strom für 57.000 Haushalte
Im Vergleich zur mehr als 40 Jahre alten MVA liefert der neue Ofen beim Verbrennen des Mülls doppelt so viel Strom: 200.000 Megawattstunden im Jahr. Das reicht, um rund 57.000 Haushalte zu versorgen. Hinzu kommen bei der Fernwärme 400.000 statt 250.000 Megawattstunden. An das Netz sind unter anderem die meisten Häuser in Stapelfeld und die nahen Gewerbegebiete angeschlossen.
Die Großbaustelle ist in Corona-Zeiten eine besondere Herausforderung. „Wir werden sie zu unserem laufenden Betrieb hundertprozentig abgrenzen“, sagt Morten Holpert. Zusätzlich soll eine eigene Teststation eingerichtet werden für alle Menschen, die das Gelände betreten wollen.
Baukamera überträgt Bilder zum Fortschritt im Internet
Eine Baukamera hat EEW schon installieren lassen. Die aktuellen Bilder sollen auch in die Internetseite zum Projekt (www.energie-zukunft-stapelfeld.de) integriert werden, damit jeder den Fortschritt verfolgen kann. Mit 3D-Visualisierungen lässt sich dann ein Blick auf das fertige Gebäude werfen.
Im vergangenen Herbst hatte das LLUR bereits Vorarbeiten erlaubt. Nach dem Aufstellen des Bauzauns war das Grundstück eingeebnet worden.
Aus dem Klärschlamm wird der Phosphor recycelt
Das neue Müllheizkraftwerk hat eine Jahreskapazität von bis zu 350.000 Tonnen Restmüll und ersetzt die MVA, die stillgelegt wird. Hinzu kommt eine getrennte Klärschlammverbrennung für 32.500 Tonnen Trockensubstanz (plus 2500 Tonnen Sicherheitspuffer beim Ausfall anderer Anlagen). Laut EEW ist die Auslastung über Vorverträge schon gesichert.
Aus der Verbrennungsasche wird der knappe Rohstoff Phosphor zurückgewonnen, was in zwei Schritten ab 2029 und 2032 auch gesetzlich vorgeschrieben ist.
1979 wird die MVA Stapelfeld als Gemeinschaftsprojekt der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg mit Hamburg in Betrieb genommen. 1996 kauft die Veba Kraftwerke Ruhr (VKR) AG die Anlage, die 2003 in EEW Energy from Waste aufgeht. 2012 steigt der schwedische Investor EQT mit ein. 2016 verkauft EQT die Gruppe für mehr als 1,4 Milliarden Euro an die chinesische Holding Beijing Enterprises. Die EEW-Anlagen in Deutschland (16), Luxemburg und den Niederlanden (je eine) beschäftigen 1150 Mitarbeiter.