Ahrensburg. Die Freizeitbeschäftigung aus Finnland sieht auf den ersten Blick aus wie ein Spiel für Kinder. Dabei haben es die Regeln in sich.
Steckenpferde sind etwas für kleine Kinder – das galt zumindest in der Vergangenheit. Doch inzwischen schwingen sich auch immer mehr Jugendliche und sogar Erwachsene in den imaginären Sattel. Was im ersten Augenblick für skurrile Bilder im Kopf sorgt, ist in Wirklichkeit eine eigene Sportart mit komplexen Regeln: Hobby-Horsing nennt sich der Trendsport, der inzwischen auch im Kreis Stormarn angekommen ist. Auf dem Barghof in Ahrensfelde etabliert sich gerade eine Gruppe, die sich künftig regelmäßig zum Training treffen möchte.
Die Idee kam von Wienke Struve, die den Barghof gemeinsam mit ihren Eltern Heino und Regina Wriggers führt. „Eigentlich bin ich über meine Tochter und eine Freundin von ihr mit dem Thema Hobby-Horsing in Berührung gekommen“, erzählt die Ahrensburgerin. Fasziniert fasste Struve den Gedanken, ein kleines Turnier auf die Beine zu stellen.
Beim Trendsport Hobby-Horsing reiten die Teilnehmer auf Steckenpferden
„Es sollte nichts Großes werden, wir haben im Freundeskreis meiner beiden Töchter herumgefragt, ob jemand Lust dazu hätte“, erinnert sich Struve. Mit zehn bis 15 Teilnehmerinnen hatte sie gerechnet, letztlich waren – wohl durch Mundpropaganda – am Turniertag Ende August mehr als 30 Reiterinnen aus dem gesamten Kreisgebiet am Start. „Es waren ganz unterschiedliche Altersgruppen, vom Kindergarten- bis ins Teenageralter“, sagt Struve. Für die Ahrensburgerin ein Erfolg, den sie in Zukunft gern wiederholen möchte.
„Hobby-Horsing kommt ursprünglich aus Finnland“, weiß Lotta, die schon seit mehreren Jahren dabei ist. Die 13-Jährige, die auch auf echten Pferden auf dem Barghof reitet, ist durch Youtube-Videos auf dem Trendsport gekommen. Seit 2010 begannen in Finnland immer mehr Jugendliche, ihre eigenen Steckenpferde zu entwerfen und Wettkämpfe zu veranstalten. „In Skandinavien gibt es regelmäßig Turniere“, erzählt sie. Und das keineswegs nur für Kinder. „Bei den meisten Wettkämpfen darf man erst ab 13 oder 14 mitmachen“, sagt Lotta.
Die Sportler müssen Reiter und Pferd in einem darstellen
Doch wie funktioniert der Trendsport eigentlich? „Es ist wie richtiges Reiten, nur dass wir eben auf Steckenpferden reiten“, erklärt die 13-Jährige. Dabei absolvieren die Teilnehmer die verschiedenen Disziplinen wie Dressur, Springen und Geländeritt. „Das ist richtig anstrengend“, sagt Lotta, die selbst schon bei Wettkämpfen teilgenommen hat.
Das Schwierige dabei: Die Sportler müssen Reiter und Pferd in einem sein. Mit den Füßen und Beinen gilt es, die dynamischen Schritte des Pferdes zu imitieren, während mit Oberkörper, Kopf und Armen die elegante Pose eines Reiters gehalten werden muss. Dazu müssen die Steckenpferd-Reiter die Bewegungsabläufe der unterschiedlichen Dressurübungen auswendig kennen. Die Mädchen – Jungs gibt es in der Gruppe sehr zum Bedauern von Wienke Struve noch nicht – müssen schließlich wissen, was gefordert ist, wenn es heißt „Auftraben“ oder „Pirouette“.
Beim SV Hamberge gibt es für den Trendsport eine eigene Sparte
„Technik, Haltung und Bewegung fließen in die Bewertung ein“, sagt Wienke Struve und ergänzt: „Ein Funken Fantasie gehört natürlich auch dazu.“ Neben der sportlichen Betätigung, zu der das Hobby-Horsing anrege, ist für die Ahrensburgerin ein großer Pluspunkt, dass auch Kinder und Jugendliche, die keinen Zugang zu einem eigenen Pferd haben, so mit dem Reitsport in Kontakt kommen können. „Nicht alle Familien können sich ein echtes Pony oder Reitunterricht leisten“, sagt Struve.
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Während eine feste Trainingsgruppe auf dem Barghof noch dabei ist, sich zu formieren, ist man im hohen Norden Stormarns schon weiter: Beim SV Hamberge gibt es schon seit 2019 eine eigene Sparte für die Trendsportart. Zuletzt konnten Interessierte das Reiten auf den Steckenpferden beim Sportfest des Kreissportverbands Stormarn in Bad Oldesloe Anfang September ausprobieren.
Die Steckenpferde werden von einigen Herstellern für bis zu 400 Euro verkauft
In Finnland, dem Heimatland des Hobby-Horsing, gibt es längst regionale und nationale Meisterschaften. Mit der Deutschen Hobby-Horse-Trainer-Vereinigung hat sich inzwischen aber auch hierzulande ein Lobby-Verband gegründet. Als Ziele gibt die Vereinigung unter anderem die Etablierung eines einheitlichen Regelwerks für die Disziplinen Dressur, Distanzritt, Springen, Mächtigkeitsspringen und Western, die Einführung einer bundesweiten Rangliste und die Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten für Trainer und Punktrichter an.
Für Lotta ist das Hobby-Horsing neben dem sportlichen Aspekt inzwischen auch zur kreativen Freizeitbeschäftigung geworden. Die 13-Jährige näht sich und ihren Freundinnen selbst ihre eigenen Steckenpferde. Und nicht nur das: Unter dem Namen „Blue Horses“ verkauft die Nachwuchs-Unternehmerin ihre Kreationen auch auf eBay – ein lohnendes Geschäftsmodell. „Auf Instagram werden die Pferde von einigen Herstellern schon für 400 Euro verkauft“, weiß Lotta, auch wenn für sie der Spaß im Vordergrund stehe.
Die 13-Jährige hat inzwischen verschiedene Schnittmuster entwickelt
Inzwischen hat die 13-Jährige verschiedene Schnittmuster entwickelt. Es gibt große, kleine, braune, schwarze und graue Hobby-Horses. Einige sind echten Tieren vom Barghof nachempfunden. Und jedes hat natürlich einen Namen. „Blitz“ heißt zum Beispiel das Pferd, das jetzt die siebenjährige Tilda reitet – weil es auf besonderen Wunsch seiner jungen Reiterin eine blitzförmige weiße Färbung zwischen den Augen hat. Mit diesem Namen ist ihm eine große Zukunft als Turnierpferd ganz bestimmt sicher.