Elmshorn. Auf dem Reiterhof Dose in Elmshorn erlebt ein uraltes Spielzeug jeden Donnerstag seine Wiederauferstehung: das Steckenpferd.
Langsam traben die Kinder über den Parcours, die Zügel fest im Griff. „Jetzt aus dem Trab in den Galopp wechseln“, weist Trainerin Jane Langfeldt ihre Schützlinge an. Den Kindern macht es Spaß. Die Pferde zeigen hingegen keine Regung. Können sie auch nicht, denn sie sind aus Holz.
Schon immer sorgt Steckenpferd-reiten für Belustigung bei kleinen Kindern. Mittlerweile wurde es zur Sportart deklariert und heißt Hobby Horsing. Die Trendsportart kommt aus Finnland, hat sich dort bereits zu einem Turniersport entwickelt und findet auch in Deutschland immer mehr begeisterte Anhänger. Und es sind auch nicht mehr nur die Kleinen, die mit einem Pferdekopf am Holzstab zwischen den Beinen über den Boden hopsen. „Es macht einfach viel Spaß“ erzählt die 15-jährige Amal.
Regelmäßig trabt und galoppiert sie mit Jungen und Mädchen der Hobby Horsing-Gruppe des Teams Kinder- und Jugendarbeit der Stadt Elmshorn über den Reiterhof Dose an der Fuchsberger Allee. Insgesamt 20 Kinder und Teenager im Alter von drei bis 15 Jahren üben in der Reithalle oder draußen donnerstags von 16 bis 17 Uhr am aufgebauten Springparcours, was auch beim Reiten mit einem echten Pferd wichtig ist: bestimmte Sprünge und Dressurfiguren.
Erstmals angeboten hatten Karen Wöbcke und ihre Partnerinnen vom Reiterhof sowie vom Barmstedter Sportverein (BMTV) das Hobby Horsing in den Sommerferien voriges Jahr. Der Trendsport kam so gut an, dass sie einfach weitergemacht haben, so Wöbcke. „Uns ist es wichtig, den Kindern zu Corona-Zeiten etwas an der frischen Luft anzubieten. Hier können sie sich austoben, sich auch schmutzig machen, üben Schrittfolgen für die Dressur ein oder denken sich neue Choreographien aus – und das mit Abstand“, erklärt die Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit und schwingt sich auf „Mississippi“. „Ich mache immer mit. Das motiviert die Kinder“, erklärt sie später außer Atem.
Steckenpferde lassen sich aus Holz, Pappe, Stoff und Co. selbst anfertigen, Schnittmuster finden sich im Internet. Sie lassen sich fantasievoll gestalten und verursachen keine Folgekosten. Für Kinder ohne eigenes Pferdchen stehen am Reiterhof welche zum Ausleihen bereit. Es sind hellbraune Füchse, Rappen oder Schimmel mit Zaumzeug, mit Knopfaugen, wallender Mähne und weichen Nüstern, die geduldig auf ihre Reiter warten. Jedes sieht ein bisschen anders aus, jedes kann dank eines Soundsystems im Nacken Wiehern. Sie unterscheiden sich in Länge und Kopfgröße und haben noch keine Namen. Ganz im Gegensatz zu den acht großen und schlichten Holzexemplaren, die ebenfalls an der Wand lehnen. „Die hat mein Vater 1978 geschnitzt“, erzählt Reiterhof-Inhaberin Ulrike Dose-Dibbern.
„Damit haben wir früher Quadrillen mit verschiedenen Figuren einstudiert“. Daher sei dieser Sport für sie nicht ungewöhnlich – und diese Alternative zum Reitsport keinesfalls nur ein Kinderspiel, so Dose-Dibbern. Es sei anstrengend und fördere die Kondition, Koordination und Fantasie der Kinder. Zudem seien die Regeln beim Hobby Horsing die gleichen wie beim Reiten auf einem richtigen Pferd, erklärt die Reiterin.
Das sieht auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) so. Daher brachte der Arbeitskreis „Kleine Kinder, kleine Ponys“ der Vereinigung bereits im Dezember 2019 das Buch „Hobby Horsing“ auf den Markt, hübsch verpackt im praktischen Stoffbeutel inklusive kleiner Bürste, Malbüchlein und Siegerschleife.
Der Name kommt vom englischen „Hobbyhorse“ und bedeutet Steckenpferd. Zu einer populären Sportart mit Gymnastikelementen machte es aber erst die finnische Frauenbewegung. Im Land der tausend Seen reiten inzwischen Tausende Kinder und Erwachsene auf hölzernen Stäben. Es gibt richtige Wettkämpfe und regionale und nationale Meisterschaften. Der Dokumentarfilm „Hobby Horse Revolution“ der oscarnominierten finnischen Regisseurin Selma Vilhunen zeigt die Begeisterung, mit der Hobby Horsing ausgeübt wird. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland immer mehr Vereine, die diesen Sport anbieten.
„Es ist einfach toll“, sagt der fünfjährige Omar und springt mit seinem Spielzeugtier voller Begeisterung in den Wassergraben, der eigentlich ein leerer Mini-Gartenpool ist, denn „das Pferd muss ja auch trinken“. Die vierjährige Lia und der dreijährige Malo springen hinterher, da helfen auch keine Ermahnungen der Trainerin Jane Langfeldt. Die Sport- und Gymnastiklehrerin vom BMTV koordiniert die Übungen während des Trainings. Sie hat das Hobby vor eineinhalb Jahren entdeckt und freut sich über diese Möglichkeit, Kinder und Jugendliche für Bewegung zu begeistern. „Das Schöne daran ist: Da sind die Kleinen wirklich noch Kind. Sie gehen voll in Rollenspielen auf“, erklärt sie.
In der Reithalle sind Hindernisse mit Stangen aufgebaut – wie bei einem echten Pferdespringreiten. Eine Reiterin des Hofes hat diese kleine Sprunghindernisse aus Restholz gebaut, sie hübsch angemalt und gespendet. „Das steckt offenbar noch andere Menschen an“, freut sich Karen Wöbcke, während die Kinder über diese oder in den Wassergraben springen. Danach gibt es Lob und Streicheleinheiten für die Pferde. „Alle wissen, dass es sich um Holzpferde handelt. Trotzdem gehört auch das dazu“, sagt Ulrike Dose-Dibbern.
Nach 60 Minuten sind die Kinder ins Schwitzen gekommen. Zum Abschluss wird zur Musik der Bibi & Tina-Kinofilme gesungen und getanzt, die Pferde erholen sich bereits an der Stallwand. Und dann muss noch alles abgebaut werden, denn „gleich kommen hier die echten Pferde rein“, erklärt Jane Langfeldt.