Ahrensburg. Stadtverordnete diskutieren über Streichung von Stationen im Hagen und Steinkamp. SPD-Fraktion verlässt wortlos den Saal.

Es war vielsagend, als Ahrensburgs Bürgermeister Michael Sarach während der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Montagabend die Hände vor dem Gesicht zusammenschlug. Wenig später endete diese abrupt im Eklat: Die SPD-Fraktion verließ geschlossen den Saal und sorgte damit für den Abbruch der Versammlung. Auslöser war ein Antrag der CDU zur künftigen Linienführung des Busverkehrs.

Streit um Buslinien in Ahrensburg sorgt für Eklat während Sitzung

Was war geschehen? Um die Ursache des Streits nachzuvollziehen, lohnt es, die Vorgeschichte des CDU-Papiers zu kennen. Im vergangenen September hatten die Stadtverordneten beschlossen, dass die On-Demand-Shuttles von Ioki bis mindestens Ende 2023 weiter durch die Schlossstadt rollen sollen.

Inzwischen wurde das Pilotprojekt nach der Zusage einer Förderung durch den Bund sogar noch um ein weiteres Jahr verlängert. Der Anteil Ahrensburgs an den Gesamtkosten von drei Millionen Euro liegt bei 1,2 Millionen. Zur Finanzierung der Elektro-Shuttles wollte die Schlossstadt an anderer Stelle sparen. Die Mehrheit der Stadtverordneten votierte dafür, einige Bushaltestellen auf wenig frequentierten Linien zu streichen. Betroffen waren die Siedlungen Steinkamp und Am Hagen.

Seit Monaten gibt es ein Hin und Her um die Haltestellen

Beide Strecken wurden laut einer Erhebung der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) von weniger als einem Dutzend Fahrgästen am Tag genutzt. Die Politiker erhofften sich Einsparungen in Höhe von 170.000 Euro im Jahr. Anwohner sollten stattdessen Ioki nutzen. Die SPD war von Beginn an dagegen. Nachdem Anwohner der betroffenen Viertel sich beschwerten, beantragten die Sozialdemokraten, die Stationen ab April doch wieder zu bedienen und erhielten eine knappe Mehrheit von zehn zu neun Stimmen bei drei Enthaltungen.

Dieses Votum wollte die CDU wiederum mit ihrem Antrag wieder aufheben. „Wozu sollen wir die Busse dort fahren lassen, wenn sie dem eindeutigen Ergebnis der Fahrgasterhebung zufolge nicht genutzt werden?“, begründete Fraktionschef Detlef Levenhagen den Vorstoß. Die Busse verursachten nicht nur Kosten, sondern auch CO2-Emissionen. Die Kritik von Anwohnern wollte Levenhagen nicht gelten lassen: „Egal, was wir beschließen, es gibt immer einige Menschen, die sich beschweren.“

Bürgermeister hat Bedenken, dass Antrag nicht ordnungsgemäß sein könnte

Darauf meldete sich Bürgermeister Michael Sarach zu Wort. Der Verwaltungschef äußerte Bedenken, dass der CDU-Antrag seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäß gestellt worden sei. „Die Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung sieht vor, dass ein Antrag zur Aufhebung eines vorangegangenen Beschlusses in derselben Sache von mindestens einem Drittel der Mitglieder unterstützt werden muss“, sagte er.

Normalerweise erfüllt die CDU-Fraktion mit ihren 13 Sitzen dieses Quorum. Um die pandemiebedingten Abstandsregeln einzuhalten tagte die Stadtverordnetenversammlung am Montag jedoch nach dem Pairing-Verfahren, sodass jeweils nur die Hälfte aller Fraktionsmitglieder anwesend war. Darauf hatten sich die Parteien im Vorfeld verständigt. Laut Geschäftsordnung müssen mehr als die Hälfte der Politiker vor Ort sein, damit die Versammlung beschlussfähig ist. Mit 23 Stadtverordneten bei einer Gesamtzahl von 40 Mitgliedern war das Gremium damit am Montag geradeso beschlussfähig.

Stadtverordnetenversammlung tagte wegen Corona in halber Besetzung

Doch kam die CDU in der Konsequenz nicht auf das Quorum von einem Drittel aller Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung. Die SPD nutzte die Bedenken des Bürgermeisters sogleich argumentativ aus. „Der Antrag ist formal nicht zulässig, deshalb brauchen wir heute nicht weiter inhaltlich darüber zu diskutieren“, sagte Fraktionschef Jochen Proske. Der Sozialdemokrat warb dafür, statt der Aufhebung des vorangegangenen Beschlusses einen Mittelweg als Kompromiss für die Stadtverordnetenversammlung im März vorzubereiten.

Sein Fraktionskollege Bela Randschau ging dann aber doch inhaltlich auf den Antrag ein. „Buslinien zu streichen, während wir eigentlich diskutieren, den ÖPNV attraktiver zu machen, erscheint mir anachronistisch“, kritisierte er. Ioki sei als Ergänzung eingeführt worden, nicht als Ersatz des Busverkehrs. Peter Egan, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft WAB, pflichtete Randschau bei. „ÖPNV ist keine nachfrageorientierte Planung, sondern immer ein Angebot“, sagte er. Beide Fraktionen wollten den CDU-Antrag nicht weiter beraten. Außerdem sei es „schlechter Stil“, die Aufhebung eines Beschlusses mit einem Gegenantrag anzustreben.

Grüne wollen CDU-Antrag mittragen, um Quorum zu erfüllen

Doch dann meldete sich Nadine Levenhagen, Chefin der Grünen-Fraktion, zu Wort, und kündigte an, dass ihre Partei den Vorstoß mittragen werde. Dadurch sei das Quorum von einem Drittel der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung erreicht und einer Abstimmung stehe formal nichts im Wege. „Es ist für uns klar, dass bei den festgestellten Fahrgastzahlen keine Busse mehr auf diesen Linien fahren können“, sagte sie.

Bürgermeister Michael Sarach befand die gemeinsame Antragstellung von CDU und Grünen für geschäftsordnungskonform. Doch die SPD sah das nach wie vor anders. „Der Antrag wurde ursprünglich nur von der CDU gestellt und hätte unter diesen Voraussetzungen gar nicht vom Bürgervorsteher auf die Tagesordnung gesetzt werden dürfen“, argumentierte Proske.

Gremium ist nach SPD-Abgang nicht mehr beschlussfähig

Daraufhin beantragte die CDU fünf Minuten Beratungszeit. Nach der Unterbrechung verkündete Fraktionschef Levenhagen: „Wir halten an dem Antrag fest und wollen eine Abstimmung.“ In diesem Moment erhoben sich die vier SPD-Stadtverordneten von ihren Stühlen und verließen wortlos den Saal.Damit waren nur noch 19 Politiker anwesend. Bürgervorsteher Roland Wilde (CDU) zählte noch einmal durch, doch das nützte wenig. Das Gremium war nicht mehr beschlussfähig. Die Sitzung musste abgebrochen werden, die übrigen acht Tagesordnungspunkte konnten nicht mehr beraten werden.

Dem sonst als wortgewandt bekannten Bürgervorsteher verschlug es die Sprache. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte Wilde, sprach von „Kindergarten“ und einem „starken Stück“. Fraktionsübergreifend hagelte es Kritik. Schließlich verkündete Grünen-Fraktionschefin Nadine Levenhangen: „Wir haben Pairing immer skeptisch gesehen. Als Lehre aus dem heutigen Abend kann ich für meine Fraktion sagen, dass wir dem fortan nicht mehr zustimmen werden.“ Da Pairing rechtlich nur im Konsens möglich ist, muss die Stadtverordnetenversammlung somit künftig trotz Abstandsregeln in Vollbesetzung tagen. Wie es mit den Bussen weitergeht, wird nun auf der kommenden Sitzung im März entschieden.