Bad Oldesloe. Lehrer und Eltern begrüßen Offenhalten der Schulen. Personalmangel erschwert Hybrid-Alternative. Technische Ausstattung hat Mängel.

Nichts spreche derzeit dafür, eine pauschale Schließung von Schulen zu fordern, hatte Landesbildungsministerin Karin Prien jüngst bekräftigt. Die Infektionszahlen an Schulen seien rückläufig. Prien: „Sowohl bei Lehrkräften als auch bei Schülerinnen und Schülern gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass Schulen in dieser Situation Infektionstreiber sind.“ Das bestätigt Stormarns Schulrat Michael Rebling: „Das Infektionsgeschehen an den Schulen in Stormarn ist sehr überschaubar. Soweit ich weiß, hat sich noch kein Schüler oder Lehrer in der Schule angesteckt, sondern stets außerhalb.“ Der Wunsch nach Präsenzunterricht sei derzeit deutlich größer als die Sorge vor Ansteckung. „Keiner will auf Präsenzunterricht verzichten. Zwar sind die Schulen durch die Unterrichtsbedingungen in der Corona-Pandemie hochbelastet, aber wir schaffen es. Die Lehrer leisten gerade unglaublich viel“, so Rebling.

Für Mix von Präsenz- und Distanztagen fehlt Personal

Von der Möglichkeit, zusätzliches Personal anzufordern, würden einige Schulen Gebrauch machen, „vor allem zur Aufsichtsführung und zur Unterstützung“, sagt Rebling, der dafür auf Mittel vom Land zurückgreifen kann. Die befristete Einstellung von Fachkräften sei jedoch schwierig, weil diese kaum verfügbar sind. Bei einer Umstellung von Präsenz- auf sogenannten Hybridunterricht, bei dem Klassen geteilt und tageweise im Wechsel in der Schule und online unterrichtet würden, wie Kritiker des reinen Präsenzunterrichts sie fordern, wird die dünne Personaldecke zur Krux. „Ein Schichtbetrieb mit zusätzlichem Fernunterricht wäre eine erhebliche Herausforderung für die Lehrer“, so Rebling.

Das sieht auch Thomas Gehrke, Schulleiter der Ahrensburger Gemeinschaftsschule Am Heimgarten, so: „Wir haben schon jetzt unheimlich viel Mehrarbeit durch die Corona-Regelungen. Während sonst drei bis vier Aufsichtspersonen in der Pause reichten, brauchen wir derzeit fünf bis sieben, weil die Kohorten getrennt bleiben müssen und die Maskenpflicht zu beachten ist.“ Gleichzeitig solle aber kein Unterricht ausfallen. Das alles erfordere Personalstunden. „Mit dem Hybridunterricht käme nachmittags noch die I-Serv-Betreuung für den Onlineteil hinzu, dafür habe ich aber kein zusätzliches Personal“, sagt Gehrke.

Grundschüler brauchen Unterstützung beim Onlineunterricht

Sabine Walther, Leiterin der Grundschule Tannenweg in Glinde, hält das Hybridmodell nicht für sinnvoll. „Bei den meisten Familien sind beide Eltern berufstätig, es sind auch viele Alleinerziehende darunter. Grundschulkinder brauchen beim Onlineunterricht zu Hause Unterstützung, wer soll das leisten?“, fragt sie. Neben der Belastung ihrer Kollegen durch den Schichtbetrieb käme noch hinzu, dass die meisten der 345 Kinder in ihrer Schule dann nachmittags zur Notbetreuung in die Schule kämen. „Da könnten wir aus Platzgründen aber keine Kohorten mehr bilden. Damit wäre für die Reduzierung des Ansteckungsrisikos nichts gewonnen“, so Walther. Der Präsenzunterricht sorge zudem für Verlässlichkeit beim Tagesablauf.

Auch Katrin Rabe, Leiterin der Reinbeker Grundschule Klosterbergen, und ihr Kollegium plädieren für weiteren Präsenzunterricht. Rabe: „Wie schnell wir Kinder in nicht deutschsprachigen Familien abhängen beim Distanzunterricht, haben wir beim ersten Lockdown erlebt, und das macht uns Sorge.“ Für Sascha Plaumann, Leiter der Grund- und Gemeinschaftsschule Am Masurenweg in Bad Oldesloe, ist klar: „Hybridunterricht eignet sich nicht für alle Altersgruppen. Es gibt einige Kollegen, die dieses Modell bevorzugen würden, aber das ist die Minderheit.“ Auch in der Elternschaft seien es nur 0,5 Prozent, die ihr Kind aus Sorge vor Ansteckung nicht mehr zur Schule schicken oder es mit einem ärztlichen Attest von der Maskenpflicht befreien wollten. Die Mehrheit der Schüler, Lehrer und Eltern begrüße den Präsenzunterricht und vertraue dem Hygienekonzept – so die einhellige Antwort der Schulen im Kreis.

Kreiselternbeirat wünscht sich mehr Freiheit für Schulen

Thomas Gehrke, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Am Heimgarten, fehlt zusätzliches Personal für die I-Serv-Betreuung.
Thomas Gehrke, Schulleiter der Gemeinschaftsschule Am Heimgarten, fehlt zusätzliches Personal für die I-Serv-Betreuung. © Filip Schwen

Gleichwohl werde die Sorge vor Ansteckung bei den Eltern größer, hat Carola Eberhardt, Vorsitzende des Kreiselternbeirats der Gymnasien, festgestellt. „Wir wünschen uns mehr Freiheit für die Schulen, auch Hybridunterricht zuzulassen. Die Schulen haben da zu wenig Handlungsspielraum.“ Derzeit sieht ein vom Bildungsministerium verfasster Corona-Reaktions-Plan vor, dass das jeweilige Gesundheitsamt darüber entscheidet, welche Maßnahmen in der Schule je nach Infektionsgeschehen ergriffen werden. Das erklärte Leitziel: „ein Maximum an Präsenzunterricht für ein Maximum an Schülern“. Das Vorgehen des Gesundheitsamts im Falle einer Corona-Infektion von Schülern oder Lehrkräften irritiere die Eltern derzeit oft, sagt Eberhardt. „Wenn vom Gesundheitsamt Quarantänemaßnahmen sehr unterschiedlich ausgesprochen werden, führt das zu mehr Unsicherheit bei Eltern.“

Schulleiter Thomas Gehrke erlebt die Zusammenarbeit mit dem zurzeit überlasteten Gesundheitsamt „als Katastrophe“. Gehrke: „Je nachdem, mit wem Sie sprechen, erhalten Sie völlig unterschiedliche und widersprüchliche Anweisungen.“ Tatsächlich gebe es für Schulen keine pauschale Vorgehensweise im Umgang mit Corona-Infektionen, sagt Edith Ulferts, Fachbereich Soziales und Gesundheit in der Kreisverwaltung, auf Anfrage. „Im Erstkontakt wird unter anderem ermittelt, mit wem man wie lange Kontakt hatte, zum Beispiel 15 Minuten von Angesicht zu Angesicht. Aufgrund dieser Erkenntnisse erfolgt dann eine Risikoeinschätzung.“

Technische Voraussetzungen für Distanzunterricht schlecht

Noch wurde keine Schule im Kreis Stormarn vom Gesundheitsamt vorsorglich geschlossen. Nur einzelne Klassen oder Kohorten werden bei Infektionsfällen in Quarantäne geschickt. Erst bei vermehrten Verdachts- und Infektionsfällen an einer Schule sehe die letzte Stufe des Corona-Reaktions-Plans eine Schließung vor. Dann aber könnten mangelnde technische Ausrüstung und schlechte Internetverbindungen zum Handicap werden.

Von den 323 bestellten Tablets und Laptops, die die Stadt Ahrensburg als Träger für die Versorgung von Schülern mit Leihgeräten bereits im September erwartet habe, seien nur 142 geliefert und verteilt worden, so Fachdienstleiter Robert Tessmer: „Alle Grundschulen sind bisher ausgestattet, sowie die Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule. Weitere Geräte kommen erst im Januar oder Februar. Das ist sehr ärgerlich.“

Netz ist zu langsam fürs digitale Arbeiten an der Schule

Da ist man im Kopernikus Gymnasium Bargteheide (KGB) offenbar schon besser aufgestellt. „Wir haben am vergangenen Freitag mit einer siebten Klasse sogar schon einen erfolgreichen Testtag im Digitalunterricht absolviert, bei dem die Schüler alle zu Hause waren“, sagt Schulleiterin Brigitte Menell. Er sei unterm Strich sogar besser gelaufen als das digitale Arbeiten an der Schule.

Hier seien die verfügbaren Bandbreiten, etwa zum Streamen von Lehrvideos, „absolut unzureichend“, wenn in Hochzeiten viele Klassen der drei Schulen auf dem Campus zeitgleich aufs Internet zugreifen würden. „Dass Lehrkräfte darüber hochgradig genervt sind, kann ich gut nachvollziehen“, so Menell. Es werde höchste Zeit, dass die Stadt das lahme Netz schnellstmöglich aufrüste.

>>> Lesen Sie hier auch den Kommentar zum Thema von Autor Lutz Kastendieck:

Schulen sind keine sicheren Horte mehr

Kinder und Jugendliche sind nicht Treiber der Pandemie und Schulen sichere Orte. Das Mantra der schleswig-holsteinischen Kultusministerin Karin Prien war von Beginn an eine steile These. Inzwischen ist sie durch Umfragen und Erhebungen vielfach widerlegt. Schüler sind nach der Pubertät ebenso coronaanfällig wie Erwachsene, auch wenn Infektionen bei ihnen zumeist asymptomatisch verlaufen.

Wer in vollen Bussen zur Schule fährt, um dann stundenlang mit zwei Dutzend Altersgefährten im Unterricht zu sitzen, der ist per se einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Die strikte Kohortentrennung mit Maskenzwang mag auf dem Schulgelände noch funktionieren. In der Freizeit ist es mit der Kontrolle aber schnell vorbei.

Ja, es gibt schlüssige Argumente, die für das Festhalten am Präsenzunterricht sprechen. Das bestätigen auch viele Lehrer. Zum einen sind soziale Kontakte für Schüler enorm wichtig. Zum anderen bedeuten Hybrid- und Videounterricht für alle Beteiligten eine deutlich höhere Belastung. Zumal sie nur funktionieren, wenn allen digitale Endgeräte und stabile Datenverbindungen zur Verfügung stehen, die vielerorts noch immer fehlen.Ebenso wichtig sind bei konkreten Infektionsfällen verlässliche und schnelle Informationen seitens des Gesundheitsamtes. Auch und vor allem für die Lehrer, von denen sich viele täglich mit 100 bis 150 verschiedenen Schülern konfrontiert sehen. Professionelle FFP2-Masken wären da schon ein Minimalschutz. Doch nicht einmal den stellt das Kultusministerium bislang sicher.