Der “Maskenmann“ tötete drei Jungen und verging sich sexuell an zwanzig weiteren Kindern. Er ging der “Soko Dennis“ ins Netz, wird nun angeklagt.

Stade. Es sind grausige Vorstellungen, die Angst machen: Nachts dringt ein Mann in Kinderzimmer ein und vergeht sich an den im Bett schlafenden Jungen. Aus Schullandheimen, Internaten und Zeltlagern verschwinden Kinder. Ihre Leichen werden erst Wochen später gefunden. Betroffene Kinder sprechen vom großen „Schwarzen Mann“, in den Medien wird er als „Maskenmann“ bekannt. Knapp 20 Jahre lang sucht die Polizei vergeblich nach dem unheimlichen Mörder und Kinderschänder. Im April dieses Jahres wird er endlich gefasst. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den 40 Jahre alten Martin N. aus Hamburg erhoben. Ihm werden dreifacher Kindermord und 20 Fälle von sexuellem Missbrauch vorgeworfen.

Dass es sich bei den Fällen in den 1990er Jahren bis in die ersten Jahre dieses Jahrtausends um einen Serientäter handelt, ahnen die Ermittler erst mit dem Mord an dem neun Jahre alten Dennis K. aus Osterholz-Scharmbeck. Anfang September 2001 wird nachts der blonde Junge aus einem Schullandheim in Wulsbüttel (Kreis Cuxhaven) verschleppt. Seine Leiche wird zwei Wochen später von Pilzsammlern entdeckt. Die Vorgehensweise des Täters im Fall Dennis ähnelt drei weiteren ungeklärten Kindermorden in Norddeutschland, Frankreich und den Niederlanden. Trotz tausender Hinweise kommt die Soko „Dennis“ dem Pädagogen, der als Jugendbetreuer zahlreiche Ferienfreizeiten mitmachte, nicht auf die Spur.

Erst nachdem sich nach einem TV-Bericht im August 2010 über ungelöste Mordfälle ein Zeuge bei der Polizei meldet, kommt die Soko weiter. Ein Mann aus Nordrhein-Westfalen erinnert sich: 2001 ist er als Soldat im Kreis Osterholz stationiert. Beim Joggen sieht er auf einem Waldweg einen Wagen, in dem ein bulliger Mann und auf dem Rücksitz ein kleiner Junge sitzen. Im Februar dieses Jahres geht die Soko damit in die Öffentlichkeit: Es ist der entscheidende Durchbruch. Ein ehemaliges Missbrauchsopfer aus dem Jahr 1995 meldet sich und erzählt von Gesprächen mit Martin N. in einem Landschulheim. „Genau dieser Hinweis war der Schlüssel, um die Gesamtserie zu lösen“, sagt der Leiter der Soko, Martin Erftenbeck, Mitte April bei der Festnahme des mutmaßlichen Täters.

Mit etwas Glück hätten die Ermittler schon früher auf den Serientäter stoßen können. Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt insgesamt drei Verfahren gegen den Mann. Wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von zwei sechs und acht Jahre alten Kindern wird im Januar 2005 Anklage erhoben. Das Verfahren wird gegen Zahlung einer Buße von 1800 Euro eingestellt. 2008 soll er freiwillig eine Speichelprobe abgeben, erscheint aber nicht.

Trotz der jetzt erfolgten Anklage sei für die Soko „Dennis“ die akribische Arbeit noch nicht erledigt, sagt Polizeisprecherin Anke Rieken. Eine wichtige Frage sei: „Wer war 1991 in der Bremer Sportjugend für Ferienfreizeiten aktiv?“ Gesucht würden insbesondere Teilnehmer eines Nachbereitungsseminars vom 20. bis 22. September 1991 im Internat in Scheeßel. „Wir wollen seinen Lebenslauf seit Anfang der 1990er Jahre möglichst lückenlos nachvollziehen, um ihm möglicherweise weitere Taten nachweisen zu können.“

Vor der Polizei gestanden hat der 40-Jährige drei Morde: an Dennis 2001, an dem achtjährigen Dennis R., den er 1995 aus einem Zeltlager bei Schleswig verschleppte sowie an dem 13-jährigen Stefan, der 1992 aus dem Internat in Scheeßel verschwand. Auch 40 Fälle sexuellen Missbrauchs gab er zu.

Wann der Prozess vor dem Landgericht in Stade eröffnet wird, ist offen. „Zunächst müssen die Akten geprüft, ein Gutachten abgewartet und über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden werden“, sagte Gerichtssprecherin Petra Baars. Ein Zeitrahmen sei noch nicht absehbar. (abendblatt.de/dpa)