Unterdessen prüfen die Ermittler einen Zusammenhang zwischen dem Mörder von Dennis und dem toten elfjährigen Tobias aus Baden-Württemberg.
Hamburg/Verden/Stade. Nach dem Geständnis im Mordfall Dennis prüft die Polizei weitere unaufgeklärte Taten und neue Hinweise. Unter anderem gehen die Fahnder in Baden-Württemberg einem möglichen Zusammenhang mit einem ungeklärten Mord an einem elfjährigen Schüler vor mehr als zehn Jahren nach. Zu Berichten über angebliche weitere Taten des geständigen Pädagogen Martin N. äußerten sich die Ermittler am Dienstag nicht. "Ermittlungsdetails geben wir derzeit nicht preis“, sagte ein Sprecher der Sonderkommission "Dennis“.
Der am vergangenen Mittwoch in Hamburg gefasste 40-Jährige gestand drei Morde an Kindern und rund 40 Missbrauchsfälle. "Es gibt Dutzende neue Hinweise. Die müssen alle bewertet werden“, sagte der Soko-Sprecher. Der Fahnder ist sicher, das dies noch weiter zunehmen wird und neue Hinweise sicher nicht nur aus der Region kommen würden. Es sei ja bekannt, dass auch der Täter vor Landesgrenzen nicht haltgemacht habe. Berichte über weitere Verbrechen würden nicht kommentiert. "Wir müssen eine Spanne von 25 Jahren dokumentieren.“
Die Justiz denkt darüber nach, das Verfahren zu beschleunigen. "Es ist durchaus denkbar, dass alle gestandenen Taten zunächst abgetrennt zur Anklage gebracht werden“, sagte der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Stade, Kai Thomas Breas. Alle weiteren Ermittlungen und mögliche Taten könnten dann Gegenstand eines zweiten Verfahrens werden.
Martin N. hatte bei seiner Vernehmung am vergangenen Donnerstag gestanden, zwischen 1992 und 2001 drei kleine Jungen umgebracht und Dutzende Kinder missbraucht zu haben. Die Ermittler glauben, dass der bei der Fahndung als "Maskenmann“ bekanntgewordene Täter auch für den gewaltsamen Tod von zwei Elfjährigen in den Niederlanden und in Frankreich verantwortlich sein könnte. Ein Bewegungsprofil soll zeigen, für welche weiteren Taten er möglicherweise in Frage kommt.
Der Ermittlungserfolg der Soko "Dennis“ rief die Fahnder in Baden-Württemberg auf den Plan. Dort ist ein Mord an einem Jungen seit mehr als zehn Jahren unaufgeklärt. Die DNA-Spuren würden routinemäßig abgeglichen, sagte ein Sprecher der Polizei in Böblingen. Die "Bild“-Zeitung hatte von den Ermittlungen berichtet.
Der elfjährige Schüler Tobias war im Oktober 2000 mit zahlreichen Messerstichen an einem Teich in Weil im Schönbuch tot aufgefunden worden. An der Kleidung des Kindes wurden damals zwei fremde DNA-Spuren sichergestellt. Einer der größten DNA-Massentests im Land, bei dem 13.000 Menschen überprüft wurden, lieferte den Ermittlern keine Hinweise.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Hamburger Polizei Martin N. bereits Ende 2008 um die freiwillige Abgabe einer Speichelprobe gebeten hatte. "Er ist der Vorladung aber nicht nachgekommen“, sagte der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, am Dienstag. Nach Ansicht der Anklagebehörde konnte der 40 Jahre alte Pädagoge Martin N. nicht zu einer Speichelprobe gezwungen werden: "Die gesetzlichen Voraussetzungen zur zwangsweise Entnahme lagen nicht vor.“
Es habe damals "keine tragfähige Grundlage für die Annahme von Wiederholungsgefahr“ gegeben, erklärte Möllers. Martin N. sei nur in einem Verfahren verurteilt worden, diese Tat habe "keinen Jugendschutzbezug“ gehabt, und laufende Ermittlungen gegen ihn habe es damals nicht gegeben.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat insgesamt drei Verfahren gegen den Mann geführt. Im Januar 2005 erhob die Behörde Anklage wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von zwei sechs und acht Jahre alten Jungen. Der Pädagoge sollte sie in seiner Hamburger Wohnung minutenlang am Bauch gestreichelt haben. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg stellte das Verfahren jedoch im April 2005 gegen Zahlung einer Geldauflage von 1800 Euro ein.
Wegen der versuchten Erpressung eines Sozialarbeiters aus Berlin wurde er verurteilt. Martin N. habe 20.000 Euro von dem Mann gefordert, berichtete Möllers – und gedroht, angeblich von dem Sozialarbeiter aufgenommene kinderpornografische Fotos dessen Arbeitgeber und den Ermittlungsbehörden zuzuspielen. Bei der geplanten Geldübergabe im Februar 2006 habe N. das Geldpaket aber nicht mitgenommen, weil er die observierenden Beamten bemerkt habe. Im Oktober 2006 wurde er zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.
Bei der Auswertung seines Computers wurden Kinderpornos bei dem Pädagogen entdeckt. Externe Sachverständige hätten in einer Datenbank rund 1000 sogenannte Vorschaubilder gefunden, die den Missbrauch von Jungen zeigen, sagte Möllers. Eine Software habe diese Datenbank aber "automatisch ohne Zutun des Nutzers“ erstellt - damit blieb der genaue Zeitpunkt der Beschaffung unklar. Weil eine Verjährung nicht auszuschließen war – eine solche Tat verjährt nach drei Jahren -, wurde das Verfahren im Dezember 2007 eingestellt. Die Anklagebehörde informierte darüber den damaligen Arbeitgeber des Pädagogen, eine evangelische Jugendhilfe in Hamburg.
Seitdem trat Martin N. bei der Hamburger Staatsanwaltschaft nicht mehr in Erscheinung. Anfang März dieses Jahres habe die Soko "Dennis" dann die Akten der Behörde angefordert, berichtete Möllers.
Die Mordserie: Das erste Opfer kam aus Hamburg
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Am Tag der Verhaftung wartete Martin N. auf ein neues Opfer
Der geständige, mutmaßliche Kindermörder Martin N. (40) stand bis zu seiner Festnahme in der vergangenen Woche möglicherweise in Kontakt zu einem Berliner Pädophilen-Ring. Wie der "Stern" berichtet, soll der 40-Jährige zuletzt darauf gewartet haben, dass ihm ein neun Jahre alter Junge aus Berlin zugeführt wird. Martin N. sei in der vergangenen Woche deshalb von der Polizei observiert worden. Als die Beamten durch abgehörte Telefonate über die geplante Zuführung des Kindes erfahren hatte, wurde Martin N. festgenommen. Weder die ermittelnde Soko Dennis noch der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Kai Thomas Breas, wollten sich bisher dazu äußern.
Martin N. hat bislang den Mord an drei Jungen sowie mehr als 40 Missbräuche an Kindern gestanden. Er war am vergangenen Mittwoch vor seiner Wohnung an der Jägerstraße in Hamburg-Wilstorf festgenommen worden. Die Soko Dennis war ihm nach der Aussage eines jungen Mannes auf die Spur gekommen. Dieser war 1995 im Alter von zehn Jahren in der elterlichen Wohnung missbraucht worden. Er erinnerte sich eineinhalb Jahrzehnte nach der Tat daran, dass er zuvor auf einer Ausfahrt in einer Jugendherberge von einem Betreuer über seinen Wohnort ausgefragt worden war.
Außerdem wurde bekannt, dass Martin N. Ende der 1980er-Jahre Bremer Familien mit dem Tod ihrer Kinder gedroht haben soll. Das berichtet der "Weserkurier" aus Bremen. „Ermittlungsdetails geben wir derzeit nicht preis“, sagte ein Sprecher der Soko „Dennis“ am Dienstag dazu.
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